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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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ANDREAE GRYPHII
ODEN
.

Das Andere Buch.
I.
Psal. LXX. v. 20. Quantas ostendisti mihi tri-
bulationes multas & magnas, & con-
versus vivificasti me!
Satz.
REiß Erde! reiß eutzwey! Jhr Berge brecht
vnd decket
Den gantz verzagten Geist.
Den Blitz vnd ach vnd noth/ vnd angst/ vnd
weh' erschrecket!
Vnd herbe wehmutt beist!
Jhr jmmerlichten stätter Himmel Lichter!
Ach bescheinet meine glieder! ach bescheint die glieder nicht!
Die der Donnerkeil der schmertzen/ die die krafft der Angst
zubricht!
GOTT/ gutter GOtt! nur mir/ zu strenger Richter!
Was lässet mich dein grimm nicht sehen!
Was hör ich nicht für spott vnd schmähen?
Sind die augen mir verliehen
Daß ich nichts alß herbe plagen/ nichts alß Marter schawen
soll?
Täglich rufft man mir die Ohren/ ja die matte Seele voll!
Kan ich! kan ich nicht entfliehen?
Kan die Hell-besternte Nacht! kan mich nicht die Sonn'
erquicken?

Sol
H p


ANDREÆ GRYPHII
ODEN
.

Das Andere Buch.
I.
Pſal. LXX. v. 20. Quantas oſtendiſti mihi tri-
bulationes multas & magnas, & con-
verſus vivificaſti me!
Satz.
REiß Erde! reiß eutzwey! Jhr Berge brecht
vnd decket
Den gantz verzagten Geiſt.
Den Blitz vnd ach vnd noth/ vnd angſt/ vnd
weh’ erſchrecket!
Vnd herbe wehmutt beiſt!
Jhr jmmerlichten ſtaͤtter Himmel Lichter!
Ach beſcheinet meine glieder! ach beſcheint die glieder nicht!
Die der Donnerkeil der ſchmertzen/ die die krafft der Angſt
zubricht!
GOTT/ gutter GOtt! nur mir/ zu ſtrenger Richter!
Was laͤſſet mich dein grimm nicht ſehen!
Was hoͤr ich nicht fuͤr ſpott vnd ſchmaͤhen?
Sind die augen mir verliehen
Daß ich nichts alß herbe plagen/ nichts alß Marter ſchawen
ſoll?
Taͤglich rufft man mir die Ohren/ ja die matte Seele voll!
Kan ich! kan ich nicht entfliehen?
Kan die Hell-beſternte Nacht! kan mich nicht die Sonn’
erquicken?

Sol
H p
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[113/0125] ANDREÆ GRYPHII ODEN. Das Andere Buch. I. Pſal. LXX. v. 20. Quantas oſtendiſti mihi tri- bulationes multas & magnas, & con- verſus vivificaſti me! Satz. REiß Erde! reiß eutzwey! Jhr Berge brecht vnd decket Den gantz verzagten Geiſt. Den Blitz vnd ach vnd noth/ vnd angſt/ vnd weh’ erſchrecket! Vnd herbe wehmutt beiſt! Jhr jmmerlichten ſtaͤtter Himmel Lichter! Ach beſcheinet meine glieder! ach beſcheint die glieder nicht! Die der Donnerkeil der ſchmertzen/ die die krafft der Angſt zubricht! GOTT/ gutter GOtt! nur mir/ zu ſtrenger Richter! Was laͤſſet mich dein grimm nicht ſehen! Was hoͤr ich nicht fuͤr ſpott vnd ſchmaͤhen? Sind die augen mir verliehen Daß ich nichts alß herbe plagen/ nichts alß Marter ſchawen ſoll? Taͤglich rufft man mir die Ohren/ ja die matte Seele voll! Kan ich! kan ich nicht entfliehen? Kan die Hell-beſternte Nacht! kan mich nicht die Sonn’ erquicken? Sol H p

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/125>, abgerufen am 21.11.2024.