Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.Das Ander Buch. DEr schnellen tage Traum: Der leichten jahre raum Rennt mit vnß nach der schwartzen Bar: Eh' ich die zeit erkent Wird meine zeit vollendt. II. Wir dringen durch die welt (Die stündlich wächst vnd fällt/) Nach der erblaßten Völcker schar! Wir die wir lebend todt/ Vnd stets voll herber noth. III. Mit Thränen grüssen wir! Jn thränen lebt man hier: Mit thränen gibt man gutte nacht! Was ist der Erden Saal? Ein herber thränen Thal! IV. Wie Rosen die wir zihn. Auff Dörnern nur verblühn. Wie ein verworff nes Kind verschmacht: So muß wer hie wil stehn Jn kummer vntergehn. Gegensatz. I. Wenn der Morgenglantz der Erden Tausendfaches leidt entdeckt! Ruff ich: Ach/ wie wird es werden! Ach wie wird mein Hertz erschreckt! II. Wenn die Nacht nun eingeschlichen Vnd der stille Mond' erwacht: Schrey ich! ach wer ich erblichen. Würd' ich doch ins Grab gebracht. III.
Das Ander Buch. DEr ſchnellen tage Traum: Der leichten jahre raum Rennt mit vnß nach der ſchwartzen Bar: Eh’ ich die zeit erkent Wird meine zeit vollendt. II. Wir dringen durch die welt (Die ſtuͤndlich waͤchſt vnd faͤllt/) Nach der erblaßten Voͤlcker ſchar! Wir die wir lebend todt/ Vnd ſtets voll herber noth. III. Mit Thraͤnen gruͤſſen wir! Jn thraͤnen lebt man hier: Mit thraͤnen gibt man gutte nacht! Was iſt der Erden Saal? Ein herber thraͤnen Thal! IV. Wie Roſen die wir zihn. Auff Doͤrnern nur verbluͤhn. Wie ein verworff nes Kind verſchmacht: So muß wer hie wil ſtehn Jn kummer vntergehn. Gegenſatz. I. Wenn der Morgenglantz der Erden Tauſendfaches leidt entdeckt! Ruff ich: Ach/ wie wird es werden! Ach wie wird mein Hertz erſchreckt! II. Wenn die Nacht nun eingeſchlichen Vnd der ſtille Mond’ erwacht: Schrey ich! ach wer ich erblichen. Wuͤrd’ ich doch ins Grab gebracht. III.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0127" n="115"/> <fw place="top" type="header">Das Ander Buch.</fw><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>Er <hi rendition="#fr">ſchnellen tage Traum:</hi></l><lb/> <l>Der <hi rendition="#fr">leichten jahre raum</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Rennt mit vnß nach der ſchwartzen Bar:</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Eh’ ich die zeit erkent</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Wird meine zeit vollendt.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/> <l>W<hi rendition="#fr">ir dringen durch die welt</hi></l><lb/> <l>(Die <hi rendition="#fr">ſtuͤndlich waͤchſt vnd faͤllt/</hi>)</l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Nach der erblaßten Voͤlcker ſchar!</hi> </l><lb/> <l>W<hi rendition="#fr">ir die wir lebend todt/</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Vnd ſtets voll herber noth.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#aq">III.</hi> </head><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Mit Thraͤnen gruͤſſen wir!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Jn thraͤnen lebt man hier:</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Mit thraͤnen gibt man gutte nacht!</hi> </l><lb/> <l>W<hi rendition="#fr">as iſt der Erden Saal?</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Ein herber thraͤnen Thal!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Wie Roſen die wir zihn.</hi> </l><lb/> <l>Auff <hi rendition="#fr">Doͤrnern nur verbluͤhn.</hi></l><lb/> <l>Wie <hi rendition="#fr">ein verworff nes Kind verſchmacht:</hi></l><lb/> <l>So <hi rendition="#fr">muß wer hie wil ſtehn</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Jn kummer vntergehn.</hi> </l> </lg> </lg> </div><lb/> <div n="4"> <head>Gegenſatz. <hi rendition="#aq">I.</hi></head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>W<hi rendition="#fr">enn der Morgenglantz der Erden</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Tauſendfaches leidt entdeckt!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Ruff ich: Ach/ wie wird es werden!</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Ach wie wird mein Hertz erſchreckt!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/> <l>W<hi rendition="#fr">enn die Nacht nun eingeſchlichen</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Vnd der ſtille Mond’ erwacht:</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Schrey ich! ach wer ich erblichen.</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Wuͤrd’ ich doch ins Grab gebracht.</hi> </l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">III.</hi> </fw><lb/> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0127]
Das Ander Buch.
DEr ſchnellen tage Traum:
Der leichten jahre raum
Rennt mit vnß nach der ſchwartzen Bar:
Eh’ ich die zeit erkent
Wird meine zeit vollendt.
II.
Wir dringen durch die welt
(Die ſtuͤndlich waͤchſt vnd faͤllt/)
Nach der erblaßten Voͤlcker ſchar!
Wir die wir lebend todt/
Vnd ſtets voll herber noth.
III.
Mit Thraͤnen gruͤſſen wir!
Jn thraͤnen lebt man hier:
Mit thraͤnen gibt man gutte nacht!
Was iſt der Erden Saal?
Ein herber thraͤnen Thal!
IV.
Wie Roſen die wir zihn.
Auff Doͤrnern nur verbluͤhn.
Wie ein verworff nes Kind verſchmacht:
So muß wer hie wil ſtehn
Jn kummer vntergehn.
Gegenſatz. I.
Wenn der Morgenglantz der Erden
Tauſendfaches leidt entdeckt!
Ruff ich: Ach/ wie wird es werden!
Ach wie wird mein Hertz erſchreckt!
II.
Wenn die Nacht nun eingeſchlichen
Vnd der ſtille Mond’ erwacht:
Schrey ich! ach wer ich erblichen.
Wuͤrd’ ich doch ins Grab gebracht.
III.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/127 |
Zitationshilfe: | Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/127>, abgerufen am 16.02.2025. |