Gryphius, Andreas: Großmüttiger Rechts-Gelehrter/ Oder Sterbender Æmilius Paulus Papinianus. Breslau, 1659.Sterbender Wer hätt/ hätt Jch die Faust dem Vorsatz können leihen/Der unverdachten That mit Fug mich können zeihen? Stirb Laetus! stirb! weil nichts vor dich zu hoffen steht: 320.Weil Vorsatz/ Anschlag/ Ehr und Stand zurücke geht. Entzeuch den Greueln dich und den verfluchten Zeiten/ Die Helden in die Band und feig' auff Throne leiten. Bezeuge mit dem Tod daß Rom nicht deiner werth/ Was/ weil es dar/ verlacht; wird/ wenn es hin begehrt. 325.Bezeuge mit dem Tod daß dich nichts trotzen könne; Gesetzt daß Bassian dir auch das Leben gönne! Bezeuge mit dem Tod daß der kein Leben acht' Der ewig überherrt schmacht' unter frembder Macht. Wie? Soll Jch denn allein die letzte Zeit beschlissen? 330.Soll die bestürtzte Stadt nur mich heut einig missen? Mein Geist! dafern der Leib' in Aschen soll vergehn: So zünd' ein Feuer an das vor die müh kan stehn. Nein! Laetus ist behertzt noch höher zu erdrucken/ Jn dem Er niderfällt! und alles hin zu rucken/ 335.Was uns zu stürtzen sucht! hir steht der letzte Satz: Ein Augenblick verspilt und gibt den höchsten Schatz. Was aber fang ich an? Wie brauch ich dein Geschencke? Ertz-Mörder! daß Jch dir selbst deine Gifft einträncke? Begehr Jch noch einmal von Bassian gehör/ 340.Als wenn mir was entdeckt zu rettung seiner Ehr? Als wenn Jch auff Jhn selbst von einem Anschlag wüste; Und stoss' Jhm/ wenn er kömmt die Dolchen durch die Brüste. Umbsonst! der zage läst mich nimmer vor Gesicht! Er scheut sich vor sich selbst. Such' Jch deß Tages Licht 345.Und renne durch die Stadt umbringt mit dicken Hauffen Die umb mich für und für und Mir zu Dinste lauffen? Und ruff' umb Hülff und Recht und flih das Läger an? Und zeige wie der Fürst die Dinst ablohnen kan? Die mit und unter mir in Stahl und Staub geschwitzet; 350.Vil/ welche Geten Tod durch Hertz und Seele ritzet; Beschirmen meine Sach! ach aber! wenn entdeckt: Daß Jch der Brüder Zanck durch meine Zung entsteckt? Doch
Sterbender Wer haͤtt/ haͤtt Jch die Fauſt dem Vorſatz koͤnnen leihen/Der unverdachten That mit Fug mich koͤnnen zeihen? Stirb Lætus! ſtirb! weil nichts vor dich zu hoffen ſteht: 320.Weil Vorſatz/ Anſchlag/ Ehr und Stand zuruͤcke geht. Entzeuch den Greueln dich und den verfluchten Zeiten/ Die Helden in die Band und feig’ auff Throne leiten. Bezeuge mit dem Tod daß Rom nicht deiner werth/ Was/ weil es dar/ verlacht; wird/ wenn es hin begehrt. 325.Bezeuge mit dem Tod daß dich nichts trotzen koͤnne; Geſetzt daß Basſian dir auch das Leben goͤnne! Bezeuge mit dem Tod daß der kein Leben acht’ Der ewig uͤberherrt ſchmacht’ unter frembder Macht. Wie? Soll Jch denn allein die letzte Zeit beſchliſſen? 330.Soll die beſtuͤrtzte Stadt nur mich heut einig miſſen? Mein Geiſt! dafern der Leib’ in Aſchen ſoll vergehn: So zuͤnd’ ein Feuer an das vor die muͤh kan ſtehn. Nein! Lætus iſt behertzt noch hoͤher zu erdrucken/ Jn dem Er niderfaͤllt! und alles hin zu rucken/ 335.Was uns zu ſtuͤrtzen ſucht! hir ſteht der letzte Satz: Ein Augenblick verſpilt und gibt den hoͤchſten Schatz. Was aber fang ich an? Wie brauch ich dein Geſchencke? Ertz-Moͤrder! daß Jch dir ſelbſt deine Gifft eintraͤncke? Begehr Jch noch einmal von Basſian gehoͤr/ 340.Als wenn mir was entdeckt zu rettung ſeiner Ehr? Als wenn Jch auff Jhn ſelbſt von einem Anſchlag wuͤſte; Und ſtoſſ’ Jhm/ wenn er koͤm̃t die Dolchen durch die Bruͤſte. Umbſonſt! der zage laͤſt mich nimmer vor Geſicht! Er ſcheut ſich vor ſich ſelbſt. Such’ Jch deß Tages Licht 345.Und renne durch die Stadt umbringt mit dicken Hauffen Die umb mich fuͤr und fuͤr und Mir zu Dinſte lauffen? Und ruff’ umb Huͤlff und Recht und flih das Laͤger an? Und zeige wie der Fuͤrſt die Dinſt ablohnen kan? Die mit und unter mir in Stahl und Staub geſchwitzet; 350.Vil/ welche Geten Tod durch Hertz und Seele ritzet; Beſchirmen meine Sach! ach aber! wenn entdeckt: Daß Jch der Bruͤder Zanck durch meine Zung entſteckt? Doch
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Sterbender
Wer haͤtt/ haͤtt Jch die Fauſt dem Vorſatz koͤnnen leihen/
Der unverdachten That mit Fug mich koͤnnen zeihen?
Stirb Lætus! ſtirb! weil nichts vor dich zu hoffen ſteht:
Weil Vorſatz/ Anſchlag/ Ehr und Stand zuruͤcke geht.
Entzeuch den Greueln dich und den verfluchten Zeiten/
Die Helden in die Band und feig’ auff Throne leiten.
Bezeuge mit dem Tod daß Rom nicht deiner werth/
Was/ weil es dar/ verlacht; wird/ wenn es hin begehrt.
Bezeuge mit dem Tod daß dich nichts trotzen koͤnne;
Geſetzt daß Basſian dir auch das Leben goͤnne!
Bezeuge mit dem Tod daß der kein Leben acht’
Der ewig uͤberherrt ſchmacht’ unter frembder Macht.
Wie? Soll Jch denn allein die letzte Zeit beſchliſſen?
Soll die beſtuͤrtzte Stadt nur mich heut einig miſſen?
Mein Geiſt! dafern der Leib’ in Aſchen ſoll vergehn:
So zuͤnd’ ein Feuer an das vor die muͤh kan ſtehn.
Nein! Lætus iſt behertzt noch hoͤher zu erdrucken/
Jn dem Er niderfaͤllt! und alles hin zu rucken/
Was uns zu ſtuͤrtzen ſucht! hir ſteht der letzte Satz:
Ein Augenblick verſpilt und gibt den hoͤchſten Schatz.
Was aber fang ich an? Wie brauch ich dein Geſchencke?
Ertz-Moͤrder! daß Jch dir ſelbſt deine Gifft eintraͤncke?
Begehr Jch noch einmal von Basſian gehoͤr/
Als wenn mir was entdeckt zu rettung ſeiner Ehr?
Als wenn Jch auff Jhn ſelbſt von einem Anſchlag wuͤſte;
Und ſtoſſ’ Jhm/ wenn er koͤm̃t die Dolchen durch die Bruͤſte.
Umbſonſt! der zage laͤſt mich nimmer vor Geſicht!
Er ſcheut ſich vor ſich ſelbſt. Such’ Jch deß Tages Licht
Und renne durch die Stadt umbringt mit dicken Hauffen
Die umb mich fuͤr und fuͤr und Mir zu Dinſte lauffen?
Und ruff’ umb Huͤlff und Recht und flih das Laͤger an?
Und zeige wie der Fuͤrſt die Dinſt ablohnen kan?
Die mit und unter mir in Stahl und Staub geſchwitzet;
Vil/ welche Geten Tod durch Hertz und Seele ritzet;
Beſchirmen meine Sach! ach aber! wenn entdeckt:
Daß Jch der Bruͤder Zanck durch meine Zung entſteckt?
Doch
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