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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den souverainen Staaten überhaupt,
Lehn. Sonst waren unter andern auch Portugal, wegen
des kleinen Königreichs Algarbien ein Vasall von Kasti-
lien, Preussen ein Lehn der Kron Pohlen c].

Darneben sind nur noch zu merken:

1] Neapel als ein Lehn des Papsts. Dasselbe wird
dadurch erkant, daß der König beider Sicilien iährlich
ein weisses Pferd und 11548 Scudi durch einen ausser-
ordentlichen Ambassadeur zu Rom offentlich überreichen
läßt. Uebrigens hat der Papst, als Lehnherr bey allen
seit etlichen Jahrhunderten in den regierenden Familien
vorgegangenen Veränderungen weiter keinen sonderlichen
Einflus gehabt. Jedoch ist die Lehnbarkeit bisher immer
noch erkant worden.

2] Die Insel Malta ist seit 1529 sicilianisches
Lehn, und muß von dem Grosmeister, durch Ueberreich-
ung eines Falken iährlich erkant werden.

Einzelner Provinzen und Orte, die ein Souverain
von dem andern zu Lehn empfängt, giebt es mehrere,
diese kommen aber hier nicht in Betrachtung.

Mit den Reichslehen in Teutschland hat es eine
etwas andere Bewandnis. Wiewohl einige Staats-
rechtslehrer, die teutschen Reichsstände, ihrer Lehnsver-
bindung wegen, weiter nicht für abhängig ansehn wollen,
weil dieselbe an und für sich keine Unterthänigkeit be-
würkt d], so halten doch weit Mehrere das Gegentheil
der Reichsverfassung und den Reichsgrundgesetzen für an-
gemessener, indem die Reichsstände, bey Ablegung der
Lehnspflicht, bekantermaßen zugleich versprechen, dem
Kaiser und Reiche treu, hold, gehorsam und gewärtig
zu seyn, welches mehr, als die bloße Lehnschaft erheischt,
in sich begreife, und eine wahre Unterwürfigkeit begrün-
de e]. Auch auswärtige Könige, welche zugleich Reichs-
stände sind, müssen dieselbe Pflicht ablegen und sich in
Rücksicht ihrer besitzenden Reichslande derselben gemäs

bezei-

Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
Lehn. Sonſt waren unter andern auch Portugal, wegen
des kleinen Koͤnigreichs Algarbien ein Vaſall von Kaſti-
lien, Preuſſen ein Lehn der Kron Pohlen c].

Darneben ſind nur noch zu merken:

1] Neapel als ein Lehn des Papſts. Daſſelbe wird
dadurch erkant, daß der Koͤnig beider Sicilien iaͤhrlich
ein weiſſes Pferd und 11548 Scudi durch einen auſſer-
ordentlichen Ambaſſadeur zu Rom offentlich uͤberreichen
laͤßt. Uebrigens hat der Papſt, als Lehnherr bey allen
ſeit etlichen Jahrhunderten in den regierenden Familien
vorgegangenen Veraͤnderungen weiter keinen ſonderlichen
Einflus gehabt. Jedoch iſt die Lehnbarkeit bisher immer
noch erkant worden.

2] Die Inſel Malta iſt ſeit 1529 ſicilianiſches
Lehn, und muß von dem Grosmeiſter, durch Ueberreich-
ung eines Falken iaͤhrlich erkant werden.

Einzelner Provinzen und Orte, die ein Souverain
von dem andern zu Lehn empfaͤngt, giebt es mehrere,
dieſe kommen aber hier nicht in Betrachtung.

Mit den Reichslehen in Teutſchland hat es eine
etwas andere Bewandnis. Wiewohl einige Staats-
rechtslehrer, die teutſchen Reichsſtaͤnde, ihrer Lehnsver-
bindung wegen, weiter nicht fuͤr abhaͤngig anſehn wollen,
weil dieſelbe an und fuͤr ſich keine Unterthaͤnigkeit be-
wuͤrkt d], ſo halten doch weit Mehrere das Gegentheil
der Reichsverfaſſung und den Reichsgrundgeſetzen fuͤr an-
gemeſſener, indem die Reichsſtaͤnde, bey Ablegung der
Lehnspflicht, bekantermaßen zugleich verſprechen, dem
Kaiſer und Reiche treu, hold, gehorſam und gewaͤrtig
zu ſeyn, welches mehr, als die bloße Lehnſchaft erheiſcht,
in ſich begreife, und eine wahre Unterwuͤrfigkeit begruͤn-
de e]. Auch auswaͤrtige Koͤnige, welche zugleich Reichs-
ſtaͤnde ſind, muͤſſen dieſelbe Pflicht ablegen und ſich in
Ruͤckſicht ihrer beſitzenden Reichslande derſelben gemaͤs

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[136/0162] Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, Lehn. Sonſt waren unter andern auch Portugal, wegen des kleinen Koͤnigreichs Algarbien ein Vaſall von Kaſti- lien, Preuſſen ein Lehn der Kron Pohlen c]. Darneben ſind nur noch zu merken: 1] Neapel als ein Lehn des Papſts. Daſſelbe wird dadurch erkant, daß der Koͤnig beider Sicilien iaͤhrlich ein weiſſes Pferd und 11548 Scudi durch einen auſſer- ordentlichen Ambaſſadeur zu Rom offentlich uͤberreichen laͤßt. Uebrigens hat der Papſt, als Lehnherr bey allen ſeit etlichen Jahrhunderten in den regierenden Familien vorgegangenen Veraͤnderungen weiter keinen ſonderlichen Einflus gehabt. Jedoch iſt die Lehnbarkeit bisher immer noch erkant worden. 2] Die Inſel Malta iſt ſeit 1529 ſicilianiſches Lehn, und muß von dem Grosmeiſter, durch Ueberreich- ung eines Falken iaͤhrlich erkant werden. Einzelner Provinzen und Orte, die ein Souverain von dem andern zu Lehn empfaͤngt, giebt es mehrere, dieſe kommen aber hier nicht in Betrachtung. Mit den Reichslehen in Teutſchland hat es eine etwas andere Bewandnis. Wiewohl einige Staats- rechtslehrer, die teutſchen Reichsſtaͤnde, ihrer Lehnsver- bindung wegen, weiter nicht fuͤr abhaͤngig anſehn wollen, weil dieſelbe an und fuͤr ſich keine Unterthaͤnigkeit be- wuͤrkt d], ſo halten doch weit Mehrere das Gegentheil der Reichsverfaſſung und den Reichsgrundgeſetzen fuͤr an- gemeſſener, indem die Reichsſtaͤnde, bey Ablegung der Lehnspflicht, bekantermaßen zugleich verſprechen, dem Kaiſer und Reiche treu, hold, gehorſam und gewaͤrtig zu ſeyn, welches mehr, als die bloße Lehnſchaft erheiſcht, in ſich begreife, und eine wahre Unterwuͤrfigkeit begruͤn- de e]. Auch auswaͤrtige Koͤnige, welche zugleich Reichs- ſtaͤnde ſind, muͤſſen dieſelbe Pflicht ablegen und ſich in Ruͤckſicht ihrer beſitzenden Reichslande derſelben gemaͤs bezei-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/162>, abgerufen am 23.11.2024.