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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den geselschaftlichen Verbindungen
und die vorfallenden Regierungsstreitigkeiten ihrer Ent-
scheidung überlassen o]. Die Geschichte ist voll von Bei-
spielen der päpstlichen Herschaft in Portugal, Arrago-
nien, Spanien, Frankreich, England, Sicilien, Dä-
nemark, Ungarn und andern Reichen p].

Diese päpstliche Gewalt fing iedoch an sich zu vermin-
dern, sobald die Aufklärung in Europa ein wenig be-
gann. Den gefährlichsten Stoß aber erlitt sie durch die
1517 angefangene Reformation q]; und seitdem ist sie
täglich mehr in Verfall gekommen. Zwar liessen es die
nachherigen Päpste, bis in die neuern Zeiten an Versu-
chen nicht fehlen, ihre ehemalige Macht wieder geltend
zu machen; aber ohne sonderlichen Erfolg r].

Dermalen handelt iede europäische Nazion im Geist-
lichen und Weltlichen nach eignem Gutdünken, ohne
um den Papst sich viel zu bekümmern s]. Zwar räumen
die der catholischen Religion zugethanen Regenten ihm
noch verschiedene Vorzüge ein, aber die ehemaligen ihm
als Statthalter Christi und sichtbares Haupt der Chri-
stenheit gebührenden Gerechtsame haben gröstenteils ihr
Ende erreicht. Werden dem Papste auch in diesem oder
ienem Reiche noch einige Rechte zugestanden, so gründen
sich diese doch nicht auf eine vermeintliche Oberherschaft
sondern auf Verträge oder Herkommen unter beiden
Theilen.

a] I. St. Pütteri Specimen juris publici et gentium medii
aevi de instauratione Imperii Romani sub Carolo M. et
Ottone M. facta ejusque effectibus. Goetting 1784. 8.
cap. VI.
b] Duo sunt, sagt dem Vorgeben nach, Papst Gelasius in
einem Briefe an den Kaiser Anastasius 494, [oder, wie
erweislicher, Papst Gregor VII. im Jahr 1080] quibus
principaliter hic mundus regitur: auctoritas sacra, pon-
tificum et regalis potestas. Can. 10. dist.
96. und Papst

Von den geſelſchaftlichen Verbindungen
und die vorfallenden Regierungsſtreitigkeiten ihrer Ent-
ſcheidung uͤberlaſſen o]. Die Geſchichte iſt voll von Bei-
ſpielen der paͤpſtlichen Herſchaft in Portugal, Arrago-
nien, Spanien, Frankreich, England, Sicilien, Daͤ-
nemark, Ungarn und andern Reichen p].

Dieſe paͤpſtliche Gewalt fing iedoch an ſich zu vermin-
dern, ſobald die Aufklaͤrung in Europa ein wenig be-
gann. Den gefaͤhrlichſten Stoß aber erlitt ſie durch die
1517 angefangene Reformation q]; und ſeitdem iſt ſie
taͤglich mehr in Verfall gekommen. Zwar lieſſen es die
nachherigen Paͤpſte, bis in die neuern Zeiten an Verſu-
chen nicht fehlen, ihre ehemalige Macht wieder geltend
zu machen; aber ohne ſonderlichen Erfolg r].

Dermalen handelt iede europaͤiſche Nazion im Geiſt-
lichen und Weltlichen nach eignem Gutduͤnken, ohne
um den Papſt ſich viel zu bekuͤmmern s]. Zwar raͤumen
die der catholiſchen Religion zugethanen Regenten ihm
noch verſchiedene Vorzuͤge ein, aber die ehemaligen ihm
als Statthalter Chriſti und ſichtbares Haupt der Chri-
ſtenheit gebuͤhrenden Gerechtſame haben groͤſtenteils ihr
Ende erreicht. Werden dem Papſte auch in dieſem oder
ienem Reiche noch einige Rechte zugeſtanden, ſo gruͤnden
ſich dieſe doch nicht auf eine vermeintliche Oberherſchaft
ſondern auf Vertraͤge oder Herkommen unter beiden
Theilen.

a] I. St. Puͤtteri Specimen juris publici et gentium medii
aevi de inſtauratione Imperii Romani ſub Carolo M. et
Ottone M. facta ejusque effectibus. Goetting 1784. 8.
cap. VI.
b] Duo ſunt, ſagt dem Vorgeben nach, Papſt Gelaſius in
einem Briefe an den Kaiſer Anaſtaſius 494, [oder, wie
erweislicher, Papſt Gregor VII. im Jahr 1080] quibus
principaliter hic mundus regitur: auctoritas ſacra, pon-
tificum et regalis poteſtas. Can. 10. diſt.
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[164/0190] Von den geſelſchaftlichen Verbindungen und die vorfallenden Regierungsſtreitigkeiten ihrer Ent- ſcheidung uͤberlaſſen o]. Die Geſchichte iſt voll von Bei- ſpielen der paͤpſtlichen Herſchaft in Portugal, Arrago- nien, Spanien, Frankreich, England, Sicilien, Daͤ- nemark, Ungarn und andern Reichen p]. Dieſe paͤpſtliche Gewalt fing iedoch an ſich zu vermin- dern, ſobald die Aufklaͤrung in Europa ein wenig be- gann. Den gefaͤhrlichſten Stoß aber erlitt ſie durch die 1517 angefangene Reformation q]; und ſeitdem iſt ſie taͤglich mehr in Verfall gekommen. Zwar lieſſen es die nachherigen Paͤpſte, bis in die neuern Zeiten an Verſu- chen nicht fehlen, ihre ehemalige Macht wieder geltend zu machen; aber ohne ſonderlichen Erfolg r]. Dermalen handelt iede europaͤiſche Nazion im Geiſt- lichen und Weltlichen nach eignem Gutduͤnken, ohne um den Papſt ſich viel zu bekuͤmmern s]. Zwar raͤumen die der catholiſchen Religion zugethanen Regenten ihm noch verſchiedene Vorzuͤge ein, aber die ehemaligen ihm als Statthalter Chriſti und ſichtbares Haupt der Chri- ſtenheit gebuͤhrenden Gerechtſame haben groͤſtenteils ihr Ende erreicht. Werden dem Papſte auch in dieſem oder ienem Reiche noch einige Rechte zugeſtanden, ſo gruͤnden ſich dieſe doch nicht auf eine vermeintliche Oberherſchaft ſondern auf Vertraͤge oder Herkommen unter beiden Theilen. a] I. St. Puͤtteri Specimen juris publici et gentium medii aevi de inſtauratione Imperii Romani ſub Carolo M. et Ottone M. facta ejusque effectibus. Goetting 1784. 8. cap. VI. b] Duo ſunt, ſagt dem Vorgeben nach, Papſt Gelaſius in einem Briefe an den Kaiſer Anaſtaſius 494, [oder, wie erweislicher, Papſt Gregor VII. im Jahr 1080] quibus principaliter hic mundus regitur: auctoritas ſacra, pon- tificum et regalis poteſtas. Can. 10. diſt. 96. und Papſt Inno-

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/190>, abgerufen am 23.11.2024.