teils ohne Erfolg. Papst Pius IV. erbot sich 1564 zwar mit Beistand der Kardinäle zu Beilegung der Rangstrei- tigkeiten zwischen Frankreich und Spanien; aber beide Staaten schlugen sie aus. Auch die von Frankreich den Kronen England und Spanien angetragene Vermittelung auf dem Kongres zu Boulogne 1600 war fruchtlos.
Man muß daher, so lange nichts entschieden, allen Gelegenheiten zu Rangstreitigkeiten möglichst ausweichen, weil sonst der mächtigere und angesehenere öfters mit Gewalt den Besitz zu behaupten sucht.
In Rangangelegenheiten der teutschen Reichsstände sehen einige Staatsrechtslehrer das gesamte Reich, ande- re die Austräge, und noch andere die Reichsgerichte für die rechtmäßige Instanz an. Coccejusa] legt das Ent- scheidungsrecht, vermöge der Reichsabschiede von 1555, 1567, 1570, 1576, 1582, 1594 und 1654 b] dem Kaiser bey, und Moserc] ist gleicher Meinung. Doch werden die, nach Beschaffenheit, den streitenden Thei- len zuständigen Austräge nicht zu übergehen seyn, wor- auf man auch 1703 in der ehemaligen Sachsen-Weimar und Eisenachischen Rangstreitigkeit sich bezog. Moser d] führt noch ein Beyspiel neuerer Zeiten an, da seit 1738 ein Rangstreit zwischen den gräflichen Häusern Solms, Stolberg und Ysenburg vor dem Reichshofrath verhan- delt worden, sezt aber hinzu, man werde bey Kur- und Fürsten in den lezten hundert Jahren dergleichen nicht antreffen.
In Ansehung der geistlichen Reichsstände wolte zu Anfang dieses Jahrhunderts der Papst einen Rangstreit zwischen den Prälaten zu Petershausen und Creutzlingen entscheiden; aber das schwäbische Prälatenkollegium brachte die Sache ans Reich, und man beschloß mittelst Reichsgutachten vom 3. März und kaiserl. Ratification vom 16. Jun. 1714 diese päpstlichen Eingriffe in des Reichs Gerechtsame ernstlich zu ahnden e].
a] Henr.
Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
teils ohne Erfolg. Papſt Pius IV. erbot ſich 1564 zwar mit Beiſtand der Kardinaͤle zu Beilegung der Rangſtrei- tigkeiten zwiſchen Frankreich und Spanien; aber beide Staaten ſchlugen ſie aus. Auch die von Frankreich den Kronen England und Spanien angetragene Vermittelung auf dem Kongres zu Boulogne 1600 war fruchtlos.
Man muß daher, ſo lange nichts entſchieden, allen Gelegenheiten zu Rangſtreitigkeiten moͤglichſt ausweichen, weil ſonſt der maͤchtigere und angeſehenere oͤfters mit Gewalt den Beſitz zu behaupten ſucht.
In Rangangelegenheiten der teutſchen Reichsſtaͤnde ſehen einige Staatsrechtslehrer das geſamte Reich, ande- re die Austraͤge, und noch andere die Reichsgerichte fuͤr die rechtmaͤßige Inſtanz an. Coccejusa] legt das Ent- ſcheidungsrecht, vermoͤge der Reichsabſchiede von 1555, 1567, 1570, 1576, 1582, 1594 und 1654 b] dem Kaiſer bey, und Moſerc] iſt gleicher Meinung. Doch werden die, nach Beſchaffenheit, den ſtreitenden Thei- len zuſtaͤndigen Austraͤge nicht zu uͤbergehen ſeyn, wor- auf man auch 1703 in der ehemaligen Sachſen-Weimar und Eiſenachiſchen Rangſtreitigkeit ſich bezog. Moſer d] fuͤhrt noch ein Beyſpiel neuerer Zeiten an, da ſeit 1738 ein Rangſtreit zwiſchen den graͤflichen Haͤuſern Solms, Stolberg und Yſenburg vor dem Reichshofrath verhan- delt worden, ſezt aber hinzu, man werde bey Kur- und Fuͤrſten in den lezten hundert Jahren dergleichen nicht antreffen.
In Anſehung der geiſtlichen Reichsſtaͤnde wolte zu Anfang dieſes Jahrhunderts der Papſt einen Rangſtreit zwiſchen den Praͤlaten zu Petershauſen und Creutzlingen entſcheiden; aber das ſchwaͤbiſche Praͤlatenkollegium brachte die Sache ans Reich, und man beſchloß mittelſt Reichsgutachten vom 3. Maͤrz und kaiſerl. Ratification vom 16. Jun. 1714 dieſe paͤpſtlichen Eingriffe in des Reichs Gerechtſame ernſtlich zu ahnden e].
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Von der urſpruͤnglichen Gleichheit
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mit Beiſtand der Kardinaͤle zu Beilegung der Rangſtrei-
tigkeiten zwiſchen Frankreich und Spanien; aber beide
Staaten ſchlugen ſie aus. Auch die von Frankreich den
Kronen England und Spanien angetragene Vermittelung
auf dem Kongres zu Boulogne 1600 war fruchtlos.
Man muß daher, ſo lange nichts entſchieden, allen
Gelegenheiten zu Rangſtreitigkeiten moͤglichſt ausweichen,
weil ſonſt der maͤchtigere und angeſehenere oͤfters mit
Gewalt den Beſitz zu behaupten ſucht.
In Rangangelegenheiten der teutſchen Reichsſtaͤnde
ſehen einige Staatsrechtslehrer das geſamte Reich, ande-
re die Austraͤge, und noch andere die Reichsgerichte fuͤr
die rechtmaͤßige Inſtanz an. Coccejus a] legt das Ent-
ſcheidungsrecht, vermoͤge der Reichsabſchiede von 1555,
1567, 1570, 1576, 1582, 1594 und 1654 b] dem
Kaiſer bey, und Moſer c] iſt gleicher Meinung. Doch
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len zuſtaͤndigen Austraͤge nicht zu uͤbergehen ſeyn, wor-
auf man auch 1703 in der ehemaligen Sachſen-Weimar
und Eiſenachiſchen Rangſtreitigkeit ſich bezog. Moſer d]
fuͤhrt noch ein Beyſpiel neuerer Zeiten an, da ſeit 1738
ein Rangſtreit zwiſchen den graͤflichen Haͤuſern Solms,
Stolberg und Yſenburg vor dem Reichshofrath verhan-
delt worden, ſezt aber hinzu, man werde bey Kur- und
Fuͤrſten in den lezten hundert Jahren dergleichen nicht
antreffen.
In Anſehung der geiſtlichen Reichsſtaͤnde wolte zu
Anfang dieſes Jahrhunderts der Papſt einen Rangſtreit
zwiſchen den Praͤlaten zu Petershauſen und Creutzlingen
entſcheiden; aber das ſchwaͤbiſche Praͤlatenkollegium
brachte die Sache ans Reich, und man beſchloß mittelſt
Reichsgutachten vom 3. Maͤrz und kaiſerl. Ratification
vom 16. Jun. 1714 dieſe paͤpſtlichen Eingriffe in des
Reichs Gerechtſame ernſtlich zu ahnden e].
a] Henr.
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/294>, abgerufen am 26.06.2024.
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