Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.und deren Gleichgewicht. wiegender. Wir finden, wie schon gedacht, von ieherin der Geschichte Beispiele von stolzen und herschsüchti- gen Nazionen, deren Vergrösserungsabsichten andere nach allen Kräften sich widersetzt haben; ob es schon nicht zu leugnen ist, daß man in ältern Zeiten deshalb weniger gemeinschaftliche Sache gemacht habe, indem ieder Staat hauptsächlich für seine eigne Erhaltung sorg- te. Auch hat dasselbe freilich zu einer Zeit sich nicht sehr äussern und zu Streitigkeiten Anlaß geben können, wo alle Nazionen ziemlich in einer solchen Verfassung sich befanden, daß keine an Unteriochung der andern denken konte c]. Der Herr Staatsminister von Herzberg hat in der vorangeführten Abhandlung d] einen kurzen Abris der Geschichte des Ursprungs und Fortgangs des Gleich- gewichts entworfen, den ich hier mittheilen will, weil ich mir nicht getraue den Gegenstand dieses §. auf eine würdigere Art zu bearbeiten. "Das politische Gleich- gewicht," sagt derselbe, "ist so alt, als die Gesel- schaften und Staaten, und erhält sich mit ihnen fort. Ein scharfsinniger Beobachter wird es in der Geschichte aller Zeiten und Nazionen entdecken; wovon man in den Versuchen des berühmten Hume und in den besondern Abhandlungen, welche die teutschen Gelehrten Leh- mann, Huldenburg, Schmaus, Kahle, Benzel und andere von dem Gleichgewichte in Europa geschrie- ben haben, die auffallendsten Beweise antreffen kan. Hier will ich nur ein kleines historisches Gemälde von dem Dasein des politischen Gleichgewichts in allen Jahr- hunderten vorlegen. Nach dem Thucidides hatte der berühmte Peloponnesische Krieg keinen andern Ursprung, als die Eifersucht der griechischen Freistaaten gegen Athen. In der Folge suchte diese Republik ein Gleichgewicht zwischen Sparta und Theben zu erhalten. Sogar die mächtigen Könige von Persien trugen, auf Alcibiades Anrathen, das Ihrige zu Aufrechterhaltung des Gleich- gewichts
und deren Gleichgewicht. wiegender. Wir finden, wie ſchon gedacht, von ieherin der Geſchichte Beiſpiele von ſtolzen und herſchſuͤchti- gen Nazionen, deren Vergroͤſſerungsabſichten andere nach allen Kraͤften ſich widerſetzt haben; ob es ſchon nicht zu leugnen iſt, daß man in aͤltern Zeiten deshalb weniger gemeinſchaftliche Sache gemacht habe, indem ieder Staat hauptſaͤchlich fuͤr ſeine eigne Erhaltung ſorg- te. Auch hat daſſelbe freilich zu einer Zeit ſich nicht ſehr aͤuſſern und zu Streitigkeiten Anlaß geben koͤnnen, wo alle Nazionen ziemlich in einer ſolchen Verfaſſung ſich befanden, daß keine an Unteriochung der andern denken konte c]. Der Herr Staatsminiſter von Herzberg hat in der vorangefuͤhrten Abhandlung d] einen kurzen Abris der Geſchichte des Urſprungs und Fortgangs des Gleich- gewichts entworfen, den ich hier mittheilen will, weil ich mir nicht getraue den Gegenſtand dieſes §. auf eine wuͤrdigere Art zu bearbeiten. “Das politiſche Gleich- gewicht,” ſagt derſelbe, “iſt ſo alt, als die Geſel- ſchaften und Staaten, und erhaͤlt ſich mit ihnen fort. Ein ſcharfſinniger Beobachter wird es in der Geſchichte aller Zeiten und Nazionen entdecken; wovon man in den Verſuchen des beruͤhmten Hume und in den beſondern Abhandlungen, welche die teutſchen Gelehrten Leh- mann, Huldenburg, Schmaus, Kahle, Benzel und andere von dem Gleichgewichte in Europa geſchrie- ben haben, die auffallendſten Beweiſe antreffen kan. Hier will ich nur ein kleines hiſtoriſches Gemaͤlde von dem Daſein des politiſchen Gleichgewichts in allen Jahr- hunderten vorlegen. Nach dem Thucidides hatte der beruͤhmte Peloponneſiſche Krieg keinen andern Urſprung, als die Eiferſucht der griechiſchen Freiſtaaten gegen Athen. In der Folge ſuchte dieſe Republik ein Gleichgewicht zwiſchen Sparta und Theben zu erhalten. Sogar die maͤchtigen Koͤnige von Perſien trugen, auf Alcibiades Anrathen, das Ihrige zu Aufrechterhaltung des Gleich- gewichts
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wiegender. Wir finden, wie ſchon gedacht, von ieher
in der Geſchichte Beiſpiele von ſtolzen und herſchſuͤchti-
gen Nazionen, deren Vergroͤſſerungsabſichten andere
nach allen Kraͤften ſich widerſetzt haben; ob es ſchon
nicht zu leugnen iſt, daß man in aͤltern Zeiten deshalb
weniger gemeinſchaftliche Sache gemacht habe, indem
ieder Staat hauptſaͤchlich fuͤr ſeine eigne Erhaltung ſorg-
te. Auch hat daſſelbe freilich zu einer Zeit ſich nicht ſehr
aͤuſſern und zu Streitigkeiten Anlaß geben koͤnnen, wo
alle Nazionen ziemlich in einer ſolchen Verfaſſung ſich
befanden, daß keine an Unteriochung der andern denken
konte c]. Der Herr Staatsminiſter von Herzberg hat in
der vorangefuͤhrten Abhandlung d] einen kurzen Abris
der Geſchichte des Urſprungs und Fortgangs des Gleich-
gewichts entworfen, den ich hier mittheilen will, weil
ich mir nicht getraue den Gegenſtand dieſes §. auf eine
wuͤrdigere Art zu bearbeiten. “Das politiſche Gleich-
gewicht,” ſagt derſelbe, “iſt ſo alt, als die Geſel-
ſchaften und Staaten, und erhaͤlt ſich mit ihnen fort.
Ein ſcharfſinniger Beobachter wird es in der Geſchichte
aller Zeiten und Nazionen entdecken; wovon man in den
Verſuchen des beruͤhmten Hume und in den beſondern
Abhandlungen, welche die teutſchen Gelehrten Leh-
mann, Huldenburg, Schmaus, Kahle, Benzel
und andere von dem Gleichgewichte in Europa geſchrie-
ben haben, die auffallendſten Beweiſe antreffen kan.
Hier will ich nur ein kleines hiſtoriſches Gemaͤlde von
dem Daſein des politiſchen Gleichgewichts in allen Jahr-
hunderten vorlegen. Nach dem Thucidides hatte der
beruͤhmte Peloponneſiſche Krieg keinen andern Urſprung,
als die Eiferſucht der griechiſchen Freiſtaaten gegen Athen.
In der Folge ſuchte dieſe Republik ein Gleichgewicht
zwiſchen Sparta und Theben zu erhalten. Sogar die
maͤchtigen Koͤnige von Perſien trugen, auf Alcibiades
Anrathen, das Ihrige zu Aufrechterhaltung des Gleich-
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