Das Vermögen, den Zweck der Staatsvereinigung zu erhalten, macht die Volkommenheit einer Nazion aus, und dieienige befindet sich in einem volkomnen Zu- stande, der nichts zu Erreichung dieses Endzwecks man- gelt a]. Je genauer alle Theile zur Beförderung der Glückseligkeit, als der Hauptabsicht der Staatsvereinig- ung [§. 1.] übereinstimmen, desto volkomner ist ein Volk zu nennen.
a]Wolf c. I. §. 29. u. f.
§. 5. Verbindlichkeit der Nazionen deshalb ge- gen sich selbst.
Die Pflichten eines Volks gegen sich selbst schreiben ihm die Handlungen vor, welche es, seiner Natur nach, zu thun und zu lassen verbunden ist. Da der Hauptzweck der Nazionen in Glückseligkeit oder in Erhaltung und Vervolkomnung besteht, so sind sie auch verbunden, alles zu thun, was ihre Erhaltung befördern, und alles zu unterlassen, was ihren Untergang nach sich ziehen kana]. Sie müssen für ihre Freiheit und Sicherheit sorgen, damit andere Nazionen sich nicht zuviel über sie herausnehmen, oder ihnen ungeahndet Beleidigungen zufügen. Gleiche Aufmerksamkeit erfo- dert die Vervolkomnung ihres Zustandes. Sie müssen alles thun, was dieselbe befördert, und alles un- terlassen, was derselben zuwider ist, um nicht nur ihren eignen Endzweck desto geschwinder erreichen, son-
dern
Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts.
§. 4. Vervolkomnung.
Das Vermoͤgen, den Zweck der Staatsvereinigung zu erhalten, macht die Volkommenheit einer Nazion aus, und dieienige befindet ſich in einem volkomnen Zu- ſtande, der nichts zu Erreichung dieſes Endzwecks man- gelt a]. Je genauer alle Theile zur Befoͤrderung der Gluͤckſeligkeit, als der Hauptabſicht der Staatsvereinig- ung [§. 1.] uͤbereinſtimmen, deſto volkomner iſt ein Volk zu nennen.
a]Wolf c. I. §. 29. u. f.
§. 5. Verbindlichkeit der Nazionen deshalb ge- gen ſich ſelbſt.
Die Pflichten eines Volks gegen ſich ſelbſt ſchreiben ihm die Handlungen vor, welche es, ſeiner Natur nach, zu thun und zu laſſen verbunden iſt. Da der Hauptzweck der Nazionen in Gluͤckſeligkeit oder in Erhaltung und Vervolkomnung beſteht, ſo ſind ſie auch verbunden, alles zu thun, was ihre Erhaltung befoͤrdern, und alles zu unterlaſſen, was ihren Untergang nach ſich ziehen kana]. Sie muͤſſen fuͤr ihre Freiheit und Sicherheit ſorgen, damit andere Nazionen ſich nicht zuviel uͤber ſie herausnehmen, oder ihnen ungeahndet Beleidigungen zufuͤgen. Gleiche Aufmerkſamkeit erfo- dert die Vervolkomnung ihres Zuſtandes. Sie muͤſſen alles thun, was dieſelbe befoͤrdert, und alles un- terlaſſen, was derſelben zuwider iſt, um nicht nur ihren eignen Endzweck deſto geſchwinder erreichen, ſon-
dern
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Algemeine Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts.
§. 4.
Vervolkomnung.
Das Vermoͤgen, den Zweck der Staatsvereinigung
zu erhalten, macht die Volkommenheit einer Nazion
aus, und dieienige befindet ſich in einem volkomnen Zu-
ſtande, der nichts zu Erreichung dieſes Endzwecks man-
gelt a]. Je genauer alle Theile zur Befoͤrderung der
Gluͤckſeligkeit, als der Hauptabſicht der Staatsvereinig-
ung [§. 1.] uͤbereinſtimmen, deſto volkomner iſt ein
Volk zu nennen.
a] Wolf c. I. §. 29. u. f.
§. 5.
Verbindlichkeit der Nazionen deshalb ge-
gen ſich ſelbſt.
Die Pflichten eines Volks gegen ſich ſelbſt ſchreiben
ihm die Handlungen vor, welche es, ſeiner Natur nach,
zu thun und zu laſſen verbunden iſt. Da der Hauptzweck
der Nazionen in Gluͤckſeligkeit oder in Erhaltung und
Vervolkomnung beſteht, ſo ſind ſie auch verbunden,
alles zu thun, was ihre Erhaltung befoͤrdern,
und alles zu unterlaſſen, was ihren Untergang
nach ſich ziehen kan a]. Sie muͤſſen fuͤr ihre Freiheit
und Sicherheit ſorgen, damit andere Nazionen ſich nicht
zuviel uͤber ſie herausnehmen, oder ihnen ungeahndet
Beleidigungen zufuͤgen. Gleiche Aufmerkſamkeit erfo-
dert die Vervolkomnung ihres Zuſtandes. Sie muͤſſen
alles thun, was dieſelbe befoͤrdert, und alles un-
terlaſſen, was derſelben zuwider iſt, um nicht nur
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/418>, abgerufen am 24.11.2024.
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