§. 36. Nutzen und Nothwendigkeit des Völker- rechts Studiums.
Viele halten das Studium des Völkerrechts für un- nütz, weil sie die meisten Grundsätze für ungewis, strei- tig und wilkührlich ansehn, und glauben, daß es in den mehresten Fällen auf die Leidenschaften großer Herrn und ihrer Minister, auf Macht und dergleichen Zufälligkeiten ankomme. Es ist nicht zu läugnen, daß diese Umstände auf die Handlungen der Nazionen oft nicht geringen Einflus haben; aber auch alsdann wollen sie ihren Maas- regeln wenigstens den Anstrich der Gerechtigkeit geben, und das Recht auf ihrer Seite haben. Sehr oft ist dies der Fall iedoch nicht. Die Kentnis des Völkerrechts bleibt daher allen Regenten und denen, die sich den Staatsgeschäften, welcher Art es sey, widmen, unent- behrlich, auch vielen andern, besonders Officiers in Kriegszeiten nützlich, für ieden Weltmann aber lehrreich und angenehm.
Io. Ad. Ickstadt Progr. de necessitate studii juris naturae et gentium. Wurceb. 1732. 4.
J. J. Mosers Versuch etc. in der Vorrede §. 4.
Erstes
E 4
und dem europaͤiſchen insbeſondere.
§. 36. Nutzen und Nothwendigkeit des Voͤlker- rechts Studiums.
Viele halten das Studium des Voͤlkerrechts fuͤr un- nuͤtz, weil ſie die meiſten Grundſaͤtze fuͤr ungewis, ſtrei- tig und wilkuͤhrlich anſehn, und glauben, daß es in den mehreſten Faͤllen auf die Leidenſchaften großer Herrn und ihrer Miniſter, auf Macht und dergleichen Zufaͤlligkeiten ankomme. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß dieſe Umſtaͤnde auf die Handlungen der Nazionen oft nicht geringen Einflus haben; aber auch alsdann wollen ſie ihren Maas- regeln wenigſtens den Anſtrich der Gerechtigkeit geben, und das Recht auf ihrer Seite haben. Sehr oft iſt dies der Fall iedoch nicht. Die Kentnis des Voͤlkerrechts bleibt daher allen Regenten und denen, die ſich den Staatsgeſchaͤften, welcher Art es ſey, widmen, unent- behrlich, auch vielen andern, beſonders Officiers in Kriegszeiten nuͤtzlich, fuͤr ieden Weltmann aber lehrreich und angenehm.
Io. Ad. Ickſtadt Progr. de neceſſitate ſtudii juris naturae et gentium. Wurceb. 1732. 4.
J. J. Moſers Verſuch ꝛc. in der Vorrede §. 4.
Erſtes
E 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0097"n="71"/><fwplace="top"type="header">und dem europaͤiſchen insbeſondere.</fw><lb/><divn="2"><head>§. 36.<lb/><hirendition="#g">Nutzen und Nothwendigkeit des Voͤlker-<lb/>
rechts Studiums</hi>.</head><lb/><p>Viele halten das Studium des <hirendition="#fr">Voͤlkerrechts</hi> fuͤr un-<lb/>
nuͤtz, weil ſie die meiſten Grundſaͤtze fuͤr ungewis, ſtrei-<lb/>
tig und wilkuͤhrlich anſehn, und glauben, daß es in den<lb/>
mehreſten Faͤllen auf die Leidenſchaften großer Herrn und<lb/>
ihrer Miniſter, auf Macht und dergleichen Zufaͤlligkeiten<lb/>
ankomme. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß dieſe Umſtaͤnde<lb/>
auf die Handlungen der Nazionen oft nicht geringen<lb/>
Einflus haben; aber auch alsdann wollen ſie ihren Maas-<lb/>
regeln wenigſtens den Anſtrich der Gerechtigkeit geben,<lb/>
und das Recht auf ihrer Seite haben. Sehr oft iſt dies<lb/>
der Fall iedoch nicht. Die Kentnis des <hirendition="#fr">Voͤlkerrechts</hi><lb/>
bleibt daher allen Regenten und denen, die ſich den<lb/><hirendition="#fr">Staatsgeſchaͤften</hi>, welcher Art es ſey, widmen, unent-<lb/>
behrlich, auch vielen andern, beſonders Officiers in<lb/>
Kriegszeiten nuͤtzlich, fuͤr ieden Weltmann aber lehrreich<lb/>
und angenehm.</p><lb/><list><item><hirendition="#aq">Io. Ad. <hirendition="#i">Ickſtadt</hi> Progr. de neceſſitate ſtudii juris naturae<lb/>
et gentium. Wurceb.</hi> 1732. 4.</item></list><lb/><p><hirendition="#et">J. J. <hirendition="#fr">Moſers</hi> Verſuch ꝛc. in der Vorrede §. 4.</hi></p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">E 4</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Erſtes</hi></hi></fw><lb/></body></text></TEI>
[71/0097]
und dem europaͤiſchen insbeſondere.
§. 36.
Nutzen und Nothwendigkeit des Voͤlker-
rechts Studiums.
Viele halten das Studium des Voͤlkerrechts fuͤr un-
nuͤtz, weil ſie die meiſten Grundſaͤtze fuͤr ungewis, ſtrei-
tig und wilkuͤhrlich anſehn, und glauben, daß es in den
mehreſten Faͤllen auf die Leidenſchaften großer Herrn und
ihrer Miniſter, auf Macht und dergleichen Zufaͤlligkeiten
ankomme. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß dieſe Umſtaͤnde
auf die Handlungen der Nazionen oft nicht geringen
Einflus haben; aber auch alsdann wollen ſie ihren Maas-
regeln wenigſtens den Anſtrich der Gerechtigkeit geben,
und das Recht auf ihrer Seite haben. Sehr oft iſt dies
der Fall iedoch nicht. Die Kentnis des Voͤlkerrechts
bleibt daher allen Regenten und denen, die ſich den
Staatsgeſchaͤften, welcher Art es ſey, widmen, unent-
behrlich, auch vielen andern, beſonders Officiers in
Kriegszeiten nuͤtzlich, fuͤr ieden Weltmann aber lehrreich
und angenehm.
Io. Ad. Ickſtadt Progr. de neceſſitate ſtudii juris naturae
et gentium. Wurceb. 1732. 4.
J. J. Moſers Verſuch ꝛc. in der Vorrede §. 4.
Erſtes
E 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/97>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.