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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Erlangung des Eigenthums von andern
Volks, ohne dessen Wissen und Willen, Verabredun-
gen zu nehmen und deren Abtretung und Vertheilung
zu bedingen; es müste denn gleichfals die äusserste Noth
und das Wohl des Ganzen es erfodern. Indes haben
die europäischen Nazionen freilich schon mehrmalen aus
minder wichtigen Ursachen eine solche Uebereinkunft für
erlaubt angesehen a]. So gingen unter andern im
Jahre 1500 die Könige Ferdinand von Spanien und
Ludwig XII. von Frankreich, welche beide Ansprüche auf
das Königreich Neapel machten, einen Vertrag ein,
wie sie dasselbe durch Krieg an sich bringen und unter
sich theilen wolten b]. König Karl II. von England
errichtete mit Frankreich 1670. ein Bündnis gegen die
Vereinigten Niederlande worinne man sich wegen der
künftigen Theilung ihrer Lande verglich c]. Hierher
gehören auch die bekanten Theilungstractaten wegen der
spanischen Monarchie von 1698. und 1700 d]. In
dem Wormser Vertrage 1743. kamen Grosbritannien,
Sardinien und Oesterreich überein, daß die Republik
Genua das von Kaiser Karl VI. 1713. erkaufte Mar-
qvisat Finale gegen eine festzusetzende Summe an Sar-
dinien überlassen solte, vermöge der Ansprüche, welche
Oesterreich darauf zu haben glaubte und welche es an
Sardinien abtrat e]. Nicht weniger kann man hierher
die zwischen Rußland, Preussen und Oesterreich 1772.
verglichene Theilung verschiedener Lande der Krone Po-
len, die sie mit Vorlegung ihrer darauf machenden
Ansprüche in Besitz nahmen, rechnen.

Andern Mächten, welche etwa die Garantie solcher
Lande übernommen haben, oder wenn sonst das alge-
meine Wohl es erfodert, steht allerdings das Recht
zu, sich dergleichen Maasregeln zu widersetzen, zumal
wenn sie darum angesprochen werden. Von Seiten
der Krone Polen bot man zwar auch alles auf, diese
Theilung zu hintertreiben; man protestirte dagegen,

suchte

Von Erlangung des Eigenthums von andern
Volks, ohne deſſen Wiſſen und Willen, Verabredun-
gen zu nehmen und deren Abtretung und Vertheilung
zu bedingen; es muͤſte denn gleichfals die aͤuſſerſte Noth
und das Wohl des Ganzen es erfodern. Indes haben
die europaͤiſchen Nazionen freilich ſchon mehrmalen aus
minder wichtigen Urſachen eine ſolche Uebereinkunft fuͤr
erlaubt angeſehen a]. So gingen unter andern im
Jahre 1500 die Koͤnige Ferdinand von Spanien und
Ludwig XII. von Frankreich, welche beide Anſpruͤche auf
das Koͤnigreich Neapel machten, einen Vertrag ein,
wie ſie daſſelbe durch Krieg an ſich bringen und unter
ſich theilen wolten b]. Koͤnig Karl II. von England
errichtete mit Frankreich 1670. ein Buͤndnis gegen die
Vereinigten Niederlande worinne man ſich wegen der
kuͤnftigen Theilung ihrer Lande verglich c]. Hierher
gehoͤren auch die bekanten Theilungstractaten wegen der
ſpaniſchen Monarchie von 1698. und 1700 d]. In
dem Wormſer Vertrage 1743. kamen Grosbritannien,
Sardinien und Oeſterreich uͤberein, daß die Republik
Genua das von Kaiſer Karl VI. 1713. erkaufte Mar-
qviſat Finale gegen eine feſtzuſetzende Summe an Sar-
dinien uͤberlaſſen ſolte, vermoͤge der Anſpruͤche, welche
Oeſterreich darauf zu haben glaubte und welche es an
Sardinien abtrat e]. Nicht weniger kann man hierher
die zwiſchen Rußland, Preuſſen und Oeſterreich 1772.
verglichene Theilung verſchiedener Lande der Krone Po-
len, die ſie mit Vorlegung ihrer darauf machenden
Anſpruͤche in Beſitz nahmen, rechnen.

Andern Maͤchten, welche etwa die Garantie ſolcher
Lande uͤbernommen haben, oder wenn ſonſt das alge-
meine Wohl es erfodert, ſteht allerdings das Recht
zu, ſich dergleichen Maasregeln zu widerſetzen, zumal
wenn ſie darum angeſprochen werden. Von Seiten
der Krone Polen bot man zwar auch alles auf, dieſe
Theilung zu hintertreiben; man proteſtirte dagegen,

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[110/0124] Von Erlangung des Eigenthums von andern Volks, ohne deſſen Wiſſen und Willen, Verabredun- gen zu nehmen und deren Abtretung und Vertheilung zu bedingen; es muͤſte denn gleichfals die aͤuſſerſte Noth und das Wohl des Ganzen es erfodern. Indes haben die europaͤiſchen Nazionen freilich ſchon mehrmalen aus minder wichtigen Urſachen eine ſolche Uebereinkunft fuͤr erlaubt angeſehen a]. So gingen unter andern im Jahre 1500 die Koͤnige Ferdinand von Spanien und Ludwig XII. von Frankreich, welche beide Anſpruͤche auf das Koͤnigreich Neapel machten, einen Vertrag ein, wie ſie daſſelbe durch Krieg an ſich bringen und unter ſich theilen wolten b]. Koͤnig Karl II. von England errichtete mit Frankreich 1670. ein Buͤndnis gegen die Vereinigten Niederlande worinne man ſich wegen der kuͤnftigen Theilung ihrer Lande verglich c]. Hierher gehoͤren auch die bekanten Theilungstractaten wegen der ſpaniſchen Monarchie von 1698. und 1700 d]. In dem Wormſer Vertrage 1743. kamen Grosbritannien, Sardinien und Oeſterreich uͤberein, daß die Republik Genua das von Kaiſer Karl VI. 1713. erkaufte Mar- qviſat Finale gegen eine feſtzuſetzende Summe an Sar- dinien uͤberlaſſen ſolte, vermoͤge der Anſpruͤche, welche Oeſterreich darauf zu haben glaubte und welche es an Sardinien abtrat e]. Nicht weniger kann man hierher die zwiſchen Rußland, Preuſſen und Oeſterreich 1772. verglichene Theilung verſchiedener Lande der Krone Po- len, die ſie mit Vorlegung ihrer darauf machenden Anſpruͤche in Beſitz nahmen, rechnen. Andern Maͤchten, welche etwa die Garantie ſolcher Lande uͤbernommen haben, oder wenn ſonſt das alge- meine Wohl es erfodert, ſteht allerdings das Recht zu, ſich dergleichen Maasregeln zu widerſetzen, zumal wenn ſie darum angeſprochen werden. Von Seiten der Krone Polen bot man zwar auch alles auf, dieſe Theilung zu hintertreiben; man proteſtirte dagegen, ſuchte

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/124>, abgerufen am 21.11.2024.