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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
selbe für zulässig angesehen, sondern eben so gut, daß
sie sich nur noch mehr, auch gegen dieses Vorurtheil
haben verwahren wollen. Von vielen ist im Gegen-
theil erweislich, daß sie sich gegen die Gültigkeit der
Veriährung, zumal wenn der Besitzer in keiner recht-
mässigen Ueberzeugung ist, deutlich erklärt haben f].

a] Das nämlich aus dem Begriffe der geselschaftlichen Ver-
bindung selbst, nicht aus wilkührlicher Uebereinkunft
mehrerer Nazionen folgt [M. s. 1. Th. Einleit. §. 14.
u. 15.] denn er sagt §. 9. ausdrücklich: credibile est
enim in id consensisse gentes cum ad pacem commu-
nem id vel maxime interesset.
Aber wieder blosse
Wahrscheinlichkeit! Auch Wolff sucht §. 366. zu zei-
gen, daß die Veriährung zu dem freiwilligen aus seinem
grossen Weltstaate hergeleiteten Völkerrechte gehöre, in-
dem dessen Ruhe die Gewisheit des Eigenthums erfo-
dere, daher die Bestätigung der Veriährung durch Ver-
träge sehr nützlich sey.
b] Grotius a. a. O. §. 2. Kipping a. a. O. c. 3. §. 198.
u. ff. Walther diss. cit. §. 25. u. ff.
c] Dies hat unter andern am öftersten der Papst in seinen
Streitigkeiten mit Frankreich unter andern europäischen
Mächten gethan. Als z. B. Ludwig XV. 1768.
Avignon etc. abermals einziehen lies, wurde zu Gunsten
des erstern behauptet: L'on ne sauroit nier, qu'vne
prescription de plus de deux siecles
et vne possession
tranquille depuis le regne de Philippe de Valois jus-
qu'a celui de Louis XIV. ne laisse aucun lieu de
douter de la validite des droits du St. Siege sur ce
pays;
und wegen seiner Ansprüche auf Parma und Pla-
cenz, welche im Aachner Frieden dem Spanischen In-
fanten zugeeignet wurden, ließ der Papst durch seinen
Gesandten protestiren, indem er äusserte: Le dit St.
Siege a ete pendant deux siecles entiers en vne pos-
session de ces etats non interrompue et approuveo

oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ſelbe fuͤr zulaͤſſig angeſehen, ſondern eben ſo gut, daß
ſie ſich nur noch mehr, auch gegen dieſes Vorurtheil
haben verwahren wollen. Von vielen iſt im Gegen-
theil erweislich, daß ſie ſich gegen die Guͤltigkeit der
Veriaͤhrung, zumal wenn der Beſitzer in keiner recht-
maͤſſigen Ueberzeugung iſt, deutlich erklaͤrt haben f].

a] Das naͤmlich aus dem Begriffe der geſelſchaftlichen Ver-
bindung ſelbſt, nicht aus wilkuͤhrlicher Uebereinkunft
mehrerer Nazionen folgt [M. ſ. 1. Th. Einleit. §. 14.
u. 15.] denn er ſagt §. 9. ausdruͤcklich: credibile eſt
enim in id conſenſiſſe gentes cum ad pacem commu-
nem id vel maxime intereſſet.
Aber wieder bloſſe
Wahrſcheinlichkeit! Auch Wolff ſucht §. 366. zu zei-
gen, daß die Veriaͤhrung zu dem freiwilligen aus ſeinem
groſſen Weltſtaate hergeleiteten Voͤlkerrechte gehoͤre, in-
dem deſſen Ruhe die Gewisheit des Eigenthums erfo-
dere, daher die Beſtaͤtigung der Veriaͤhrung durch Ver-
traͤge ſehr nuͤtzlich ſey.
b] Grotius a. a. O. §. 2. Kipping a. a. O. c. 3. §. 198.
u. ff. Walther diſſ. cit. §. 25. u. ff.
c] Dies hat unter andern am oͤfterſten der Papſt in ſeinen
Streitigkeiten mit Frankreich unter andern europaͤiſchen
Maͤchten gethan. Als z. B. Ludwig XV. 1768.
Avignon ꝛc. abermals einziehen lies, wurde zu Gunſten
des erſtern behauptet: L’on ne ſauroit nier, qu’vne
préſcription de plus de deux ſiecles
et vne poſſeſſion
tranquille depuis le regne de Philippe de Valois jus-
qu’à celui de Louis XIV. ne laiſſe aucun lieu de
douter de la validité des droits du St. Siege ſur ce
pays;
und wegen ſeiner Anſpruͤche auf Parma und Pla-
cenz, welche im Aachner Frieden dem Spaniſchen In-
fanten zugeeignet wurden, ließ der Papſt durch ſeinen
Geſandten proteſtiren, indem er aͤuſſerte: Le dit St.
Siege a été pendant deux ſiecles entiers en vne poſ-
ſeſſion de ces états non interrompue et approuvéo

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[127/0141] oder den abgeleiteten Erwerbungsarten. ſelbe fuͤr zulaͤſſig angeſehen, ſondern eben ſo gut, daß ſie ſich nur noch mehr, auch gegen dieſes Vorurtheil haben verwahren wollen. Von vielen iſt im Gegen- theil erweislich, daß ſie ſich gegen die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung, zumal wenn der Beſitzer in keiner recht- maͤſſigen Ueberzeugung iſt, deutlich erklaͤrt haben f]. a] Das naͤmlich aus dem Begriffe der geſelſchaftlichen Ver- bindung ſelbſt, nicht aus wilkuͤhrlicher Uebereinkunft mehrerer Nazionen folgt [M. ſ. 1. Th. Einleit. §. 14. u. 15.] denn er ſagt §. 9. ausdruͤcklich: credibile eſt enim in id conſenſiſſe gentes cum ad pacem commu- nem id vel maxime intereſſet. Aber wieder bloſſe Wahrſcheinlichkeit! Auch Wolff ſucht §. 366. zu zei- gen, daß die Veriaͤhrung zu dem freiwilligen aus ſeinem groſſen Weltſtaate hergeleiteten Voͤlkerrechte gehoͤre, in- dem deſſen Ruhe die Gewisheit des Eigenthums erfo- dere, daher die Beſtaͤtigung der Veriaͤhrung durch Ver- traͤge ſehr nuͤtzlich ſey. b] Grotius a. a. O. §. 2. Kipping a. a. O. c. 3. §. 198. u. ff. Walther diſſ. cit. §. 25. u. ff. c] Dies hat unter andern am oͤfterſten der Papſt in ſeinen Streitigkeiten mit Frankreich unter andern europaͤiſchen Maͤchten gethan. Als z. B. Ludwig XV. 1768. Avignon ꝛc. abermals einziehen lies, wurde zu Gunſten des erſtern behauptet: L’on ne ſauroit nier, qu’vne préſcription de plus de deux ſiecles et vne poſſeſſion tranquille depuis le regne de Philippe de Valois jus- qu’à celui de Louis XIV. ne laiſſe aucun lieu de douter de la validité des droits du St. Siege ſur ce pays; und wegen ſeiner Anſpruͤche auf Parma und Pla- cenz, welche im Aachner Frieden dem Spaniſchen In- fanten zugeeignet wurden, ließ der Papſt durch ſeinen Geſandten proteſtiren, indem er aͤuſſerte: Le dit St. Siege a été pendant deux ſiecles entiers en vne poſ- ſeſſion de ces états non interrompue et approuvéo par

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/141>, abgerufen am 21.11.2024.