Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.Von d. Rechten der Nazionen gegen einander Stände, befugt sey, ohne Zuziehung des Reichsober-haupts, oder gemeinschaftlich mit ihm, in Unterhand- lungen und Verträge mit auswärtigen Nazionen sich einzulassen, und diese sich also an iene wenden können; ob daher das Unternehmen des Volks und der auswär- tigen Nazion als erlaubt oder unerlaubt und für eine Beleidigung ienes Souverains anzusehn sey? komt auf die Grundverträge des Staats an. Sind derglei- chen Verhandlungen diesen nicht zuwider, so können solche, wenn sie nicht zum Nachtheil des Staats gerei- chen, der andern Nazion nicht füglich als Beleidigung angerechnet werden a]. Im teutschen Reiche, in Po- len etc. komt dieser Fall am häufigsten vor. a] Bey den letzten Uneinigkeiten zwischen Rußland und Schweden entfernte diese Krone den russischen Gesandten unter andern auch um deswillen von seinem Hofe, weil er in einem übergebenen Memoire sich an den König und die Stände zugleich gewandt hatte. Der russische Ge- sandte sagte nämlich bey den damaligen Irrungen: In diesen Umständen trägt die Kaiserin an ihrer Seite kein Bedenken, dem Ministerium Sr. Schwed. Maj. erklä- ren zu lassen, so wie allen denen von der Nazion, die einigen Theil an der Verwaltung haben: daß Ihro Kaiserl. Maj. ihnen keinen gründlichern Beweis von ihren friedfertigen Gesinnungen geben kann, als durch die Versicherung, daß alle entgegengesetzten Ab- sichten, die man derselben beimessen könte, ohne allen Grund sind. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 713. Die Schwedische Antwort lautete dahin: Unter diesen Umständen -- war es, daß der Graf von Rasumovsky, indem er seine beleidigenden Schritte in einer Ministerial- note aufs höchste trieb, es gewagt hat, den König von der Nazion trennen zu wollen, daß er an sie ap- pellirt hat, und daß er unter dem scheinbaren Vorwand der Freundschaft der Kaiserin für die Nazion, die hei- Von d. Rechten der Nazionen gegen einander Staͤnde, befugt ſey, ohne Zuziehung des Reichsober-haupts, oder gemeinſchaftlich mit ihm, in Unterhand- lungen und Vertraͤge mit auswaͤrtigen Nazionen ſich einzulaſſen, und dieſe ſich alſo an iene wenden koͤnnen; ob daher das Unternehmen des Volks und der auswaͤr- tigen Nazion als erlaubt oder unerlaubt und fuͤr eine Beleidigung ienes Souverains anzuſehn ſey? komt auf die Grundvertraͤge des Staats an. Sind derglei- chen Verhandlungen dieſen nicht zuwider, ſo koͤnnen ſolche, wenn ſie nicht zum Nachtheil des Staats gerei- chen, der andern Nazion nicht fuͤglich als Beleidigung angerechnet werden a]. Im teutſchen Reiche, in Po- len ꝛc. komt dieſer Fall am haͤufigſten vor. a] Bey den letzten Uneinigkeiten zwiſchen Rußland und Schweden entfernte dieſe Krone den ruſſiſchen Geſandten unter andern auch um deswillen von ſeinem Hofe, weil er in einem uͤbergebenen Memoire ſich an den Koͤnig und die Staͤnde zugleich gewandt hatte. Der ruſſiſche Ge- ſandte ſagte naͤmlich bey den damaligen Irrungen: In dieſen Umſtaͤnden traͤgt die Kaiſerin an ihrer Seite kein Bedenken, dem Miniſterium Sr. Schwed. Maj. erklaͤ- ren zu laſſen, ſo wie allen denen von der Nazion, die einigen Theil an der Verwaltung haben: daß Ihro Kaiſerl. Maj. ihnen keinen gruͤndlichern Beweis von ihren friedfertigen Geſinnungen geben kann, als durch die Verſicherung, daß alle entgegengeſetzten Ab- ſichten, die man derſelben beimeſſen koͤnte, ohne allen Grund ſind. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 713. Die Schwediſche Antwort lautete dahin: Unter dieſen Umſtaͤnden — war es, daß der Graf von Raſumovsky, indem er ſeine beleidigenden Schritte in einer Miniſterial- note aufs hoͤchſte trieb, es gewagt hat, den Koͤnig von der Nazion trennen zu wollen, daß er an ſie ap- pellirt hat, und daß er unter dem ſcheinbaren Vorwand der Freundſchaft der Kaiſerin fuͤr die Nazion, die hei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0286" n="272"/><fw place="top" type="header">Von d. 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einzulaſſen, und dieſe ſich alſo an iene wenden koͤnnen;
ob daher das Unternehmen des Volks und der auswaͤr-
tigen Nazion als erlaubt oder unerlaubt und fuͤr eine
Beleidigung ienes Souverains anzuſehn ſey? komt
auf die Grundvertraͤge des Staats an. Sind derglei-
chen Verhandlungen dieſen nicht zuwider, ſo koͤnnen
ſolche, wenn ſie nicht zum Nachtheil des Staats gerei-
chen, der andern Nazion nicht fuͤglich als Beleidigung
angerechnet werden a]. Im teutſchen Reiche, in Po-
len ꝛc. komt dieſer Fall am haͤufigſten vor.
a] Bey den letzten Uneinigkeiten zwiſchen Rußland und
Schweden entfernte dieſe Krone den ruſſiſchen Geſandten
unter andern auch um deswillen von ſeinem Hofe, weil
er in einem uͤbergebenen Memoire ſich an den Koͤnig und
die Staͤnde zugleich gewandt hatte. Der ruſſiſche Ge-
ſandte ſagte naͤmlich bey den damaligen Irrungen: In
dieſen Umſtaͤnden traͤgt die Kaiſerin an ihrer Seite kein
Bedenken, dem Miniſterium Sr. Schwed. Maj. erklaͤ-
ren zu laſſen, ſo wie allen denen von der Nazion,
die einigen Theil an der Verwaltung haben: daß
Ihro Kaiſerl. Maj. ihnen keinen gruͤndlichern Beweis
von ihren friedfertigen Geſinnungen geben kann, als
durch die Verſicherung, daß alle entgegengeſetzten Ab-
ſichten, die man derſelben beimeſſen koͤnte, ohne allen
Grund ſind. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 713.
Die Schwediſche Antwort lautete dahin: Unter dieſen
Umſtaͤnden — war es, daß der Graf von Raſumovsky,
indem er ſeine beleidigenden Schritte in einer Miniſterial-
note aufs hoͤchſte trieb, es gewagt hat, den Koͤnig von
der Nazion trennen zu wollen, daß er an ſie ap-
pellirt hat, und daß er unter dem ſcheinbaren Vorwand
der Freundſchaft der Kaiſerin fuͤr die Nazion, die hei-
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