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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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in Ans. der einzeln. Bürger u. Unterthanen.
bisherigen Staatsverbindung, aus dem Lande zu wan-
dern und sich anderswo niederzulassen, und das Recht
des Regenten, die Auswanderung bey Strafe zu ver-
bieten, gehört in das Staatsrecht und die Verfassung
einzelner Lande a]. Ein solches Verbot können andere
Nazionen indes nicht als eine Beleidigung ansehn und
sich darüber beschweren, da eine iede berechtigt ist, in-
nerhalb ihrem Gebiete dieienigen Anstalten zu treffen,
welche ihr eignes Wohl erfodert, und daher nicht zuzu-
geben, daß der Staat durch nachtheilige Auswande-
rungen von Einwohnern entblößt werde. Ob auch
gleich die meisten Nazionen sich der gewönlichen Anlo-
ckungsmittel zu Bevölkerung ihrer Staaten bedienen;
so treffen sie doch dagegen bey sich, die zweckmässigsten
Vorkehrungen zu Verhütung des Auswanderns b].
Ein anders ist es, wenn durch Verträge der Nazionen
für die Unterthanen gewisser Lande die Erlaubnis der
freien Auswanderung überhaupt, oder nur unter beson-
dern Umständen bedungen worden ist c]; wie dies bey
Abtretung einiger Provinzen in Friedensschlüssen oder
sonst zu geschehen pflegt d].

a] de Martens droit d. g. L. III. c. 3. §. 67. M.
vergl.
Henr. Hildebrand diss. de intempestivo civium discessu
cohibendo. Alt.
1716.
Fr. Hirsch comment. de iure emigrationem civium
prohibendi vel circumscribendi. Gotting.
1787.
Io. Fr. Guil. Schlegel comm. de eo quod iustum est
circa emigrationem civium. Gotting.
1787.
b] In sehr vielen Staaten sind daher die Auswanderungen,
ohne besondere Vergünstigung, entweder ganz verboten,
oder doch sehr eingeschränkt. Wegen des ehemaligen
Frankreichs sehe man Real Science d. g. T. IV. c. 7.
§. 9. In dem vorangeführten kaiserlichen Edict von
1768. wurde alles Ausziehn teutscher Reichsunterthanen
U 2

in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
bisherigen Staatsverbindung, aus dem Lande zu wan-
dern und ſich anderswo niederzulaſſen, und das Recht
des Regenten, die Auswanderung bey Strafe zu ver-
bieten, gehoͤrt in das Staatsrecht und die Verfaſſung
einzelner Lande a]. Ein ſolches Verbot koͤnnen andere
Nazionen indes nicht als eine Beleidigung anſehn und
ſich daruͤber beſchweren, da eine iede berechtigt iſt, in-
nerhalb ihrem Gebiete dieienigen Anſtalten zu treffen,
welche ihr eignes Wohl erfodert, und daher nicht zuzu-
geben, daß der Staat durch nachtheilige Auswande-
rungen von Einwohnern entbloͤßt werde. Ob auch
gleich die meiſten Nazionen ſich der gewoͤnlichen Anlo-
ckungsmittel zu Bevoͤlkerung ihrer Staaten bedienen;
ſo treffen ſie doch dagegen bey ſich, die zweckmaͤſſigſten
Vorkehrungen zu Verhuͤtung des Auswanderns b].
Ein anders iſt es, wenn durch Vertraͤge der Nazionen
fuͤr die Unterthanen gewiſſer Lande die Erlaubnis der
freien Auswanderung uͤberhaupt, oder nur unter beſon-
dern Umſtaͤnden bedungen worden iſt c]; wie dies bey
Abtretung einiger Provinzen in Friedensſchluͤſſen oder
ſonſt zu geſchehen pflegt d].

a] de Martens droit d. g. L. III. c. 3. §. 67. M.
vergl.
Henr. Hildebrand diſſ. de intempeſtivo civium diſceſſu
cohibendo. Alt.
1716.
Fr. Hirſch comment. de iure emigrationem civium
prohibendi vel circumſcribendi. Gotting.
1787.
Io. Fr. Guil. Schlegel comm. de eo quod iuſtum eſt
circa emigrationem civium. Gotting.
1787.
b] In ſehr vielen Staaten ſind daher die Auswanderungen,
ohne beſondere Verguͤnſtigung, entweder ganz verboten,
oder doch ſehr eingeſchraͤnkt. Wegen des ehemaligen
Frankreichs ſehe man Real Science d. g. T. IV. c. 7.
§. 9. In dem vorangefuͤhrten kaiſerlichen Edict von
1768. wurde alles Ausziehn teutſcher Reichsunterthanen
U 2
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[307/0321] in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen. bisherigen Staatsverbindung, aus dem Lande zu wan- dern und ſich anderswo niederzulaſſen, und das Recht des Regenten, die Auswanderung bey Strafe zu ver- bieten, gehoͤrt in das Staatsrecht und die Verfaſſung einzelner Lande a]. Ein ſolches Verbot koͤnnen andere Nazionen indes nicht als eine Beleidigung anſehn und ſich daruͤber beſchweren, da eine iede berechtigt iſt, in- nerhalb ihrem Gebiete dieienigen Anſtalten zu treffen, welche ihr eignes Wohl erfodert, und daher nicht zuzu- geben, daß der Staat durch nachtheilige Auswande- rungen von Einwohnern entbloͤßt werde. Ob auch gleich die meiſten Nazionen ſich der gewoͤnlichen Anlo- ckungsmittel zu Bevoͤlkerung ihrer Staaten bedienen; ſo treffen ſie doch dagegen bey ſich, die zweckmaͤſſigſten Vorkehrungen zu Verhuͤtung des Auswanderns b]. Ein anders iſt es, wenn durch Vertraͤge der Nazionen fuͤr die Unterthanen gewiſſer Lande die Erlaubnis der freien Auswanderung uͤberhaupt, oder nur unter beſon- dern Umſtaͤnden bedungen worden iſt c]; wie dies bey Abtretung einiger Provinzen in Friedensſchluͤſſen oder ſonſt zu geſchehen pflegt d]. a] de Martens droit d. g. L. III. c. 3. §. 67. M. vergl. Henr. Hildebrand diſſ. de intempeſtivo civium diſceſſu cohibendo. Alt. 1716. Fr. Hirſch comment. de iure emigrationem civium prohibendi vel circumſcribendi. Gotting. 1787. Io. Fr. Guil. Schlegel comm. de eo quod iuſtum eſt circa emigrationem civium. Gotting. 1787. b] In ſehr vielen Staaten ſind daher die Auswanderungen, ohne beſondere Verguͤnſtigung, entweder ganz verboten, oder doch ſehr eingeſchraͤnkt. Wegen des ehemaligen Frankreichs ſehe man Real Science d. g. T. IV. c. 7. §. 9. In dem vorangefuͤhrten kaiſerlichen Edict von 1768. wurde alles Ausziehn teutſcher Reichsunterthanen in U 2

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/321>, abgerufen am 26.11.2024.