§. 1. Von der Regierungsfolge und deren ver- schiedenen Gattungen überhaupt.
Nach Bestimmung der Personen, welchen man die höchste Gewalt im Staate anvertrauen will, in der Regierungsform, muß auch, besonders in monarchischen Staaten, die Art festgesetzt werden, wie diese Personen zur Ausübung der Regierung gelan- gen sollen, d. i. die Regierungsfolge. Wird das Recht hierzu einer Person iedesmal blos auf ihre Le- benszeit übertragen, so, daß nach deren Absterben ein neuer Regent gewählt werden muß, so ist es ein Wahl- reich; wenn aber die Regierung und das Recht dazu zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Person für sich und in voraus für ihre sämtlichen Nachkom- men, nach einer gewissen Ordnung, aufgetragen wird, so ist es ein Erbreicha]. Aus der Verschiedenheit dieser Ordnung entstehen mehrere Gattungen der Erb- reiche. Ist die Regierungsfolge mit der gewönlichen Privaterbfolge verbunden und durch Verträge der regie- renden Familie oder anderer Souverains festgesetzt; so nennt man es im eigentlichen Verstande ein Erbreich [regnum hereditarium]; ist hingegen die Ordnung der Erbfolge in der Regierung durch besondere Grundge- setze der Nazion angeordnet, so heißt es ein Erbfol- gereich [regnum successorium]. Eine dritte Gattung entsteht, wenn gar keine Grundgesetze oder Familien-
ver-
B b 4
Zweites Kapitel. Von der Regierungsfolge.
§. 1. Von der Regierungsfolge und deren ver- ſchiedenen Gattungen uͤberhaupt.
Nach Beſtimmung der Perſonen, welchen man die hoͤchſte Gewalt im Staate anvertrauen will, in der Regierungsform, muß auch, beſonders in monarchiſchen Staaten, die Art feſtgeſetzt werden, wie dieſe Perſonen zur Ausuͤbung der Regierung gelan- gen ſollen, d. i. die Regierungsfolge. Wird das Recht hierzu einer Perſon iedesmal blos auf ihre Le- benszeit uͤbertragen, ſo, daß nach deren Abſterben ein neuer Regent gewaͤhlt werden muß, ſo iſt es ein Wahl- reich; wenn aber die Regierung und das Recht dazu zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Perſon fuͤr ſich und in voraus fuͤr ihre ſaͤmtlichen Nachkom- men, nach einer gewiſſen Ordnung, aufgetragen wird, ſo iſt es ein Erbreicha]. Aus der Verſchiedenheit dieſer Ordnung entſtehen mehrere Gattungen der Erb- reiche. Iſt die Regierungsfolge mit der gewoͤnlichen Privaterbfolge verbunden und durch Vertraͤge der regie- renden Familie oder anderer Souverains feſtgeſetzt; ſo nennt man es im eigentlichen Verſtande ein Erbreich [regnum hereditarium]; iſt hingegen die Ordnung der Erbfolge in der Regierung durch beſondere Grundge- ſetze der Nazion angeordnet, ſo heißt es ein Erbfol- gereich [regnum ſucceſſorium]. Eine dritte Gattung entſteht, wenn gar keine Grundgeſetze oder Familien-
ver-
B b 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0405"n="391"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g"><hirendition="#b">Zweites Kapitel.</hi><lb/>
Von der Regierungsfolge</hi>.</head><lb/><divn="3"><head>§. 1.<lb/><hirendition="#g">Von der Regierungsfolge und deren ver-<lb/>ſchiedenen Gattungen uͤberhaupt</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>ach Beſtimmung der Perſonen, welchen man die<lb/>
hoͤchſte Gewalt im Staate anvertrauen will, in<lb/>
der <hirendition="#fr">Regierungsform</hi>, muß auch, beſonders in<lb/>
monarchiſchen Staaten, die Art feſtgeſetzt werden,<lb/>
wie dieſe Perſonen zur Ausuͤbung der Regierung gelan-<lb/>
gen ſollen, d. i. die <hirendition="#fr">Regierungsfolge</hi>. Wird das<lb/>
Recht hierzu einer Perſon iedesmal blos auf ihre Le-<lb/>
benszeit uͤbertragen, ſo, daß nach deren Abſterben ein<lb/>
neuer Regent gewaͤhlt werden muß, ſo iſt es ein <hirendition="#fr">Wahl-<lb/>
reich</hi>; wenn aber die Regierung und das Recht dazu<lb/>
zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Perſon<lb/>
fuͤr ſich und in voraus fuͤr ihre ſaͤmtlichen Nachkom-<lb/>
men, nach einer gewiſſen Ordnung, aufgetragen wird,<lb/>ſo iſt es ein <hirendition="#fr">Erbreich</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#sup">a</hi></hi>]. Aus der Verſchiedenheit<lb/>
dieſer Ordnung entſtehen mehrere Gattungen der Erb-<lb/>
reiche. Iſt die Regierungsfolge mit der gewoͤnlichen<lb/>
Privaterbfolge verbunden und durch Vertraͤge der regie-<lb/>
renden Familie oder anderer Souverains feſtgeſetzt; ſo<lb/>
nennt man es im eigentlichen Verſtande ein <hirendition="#fr">Erbreich</hi><lb/>
[<hirendition="#aq">regnum hereditarium</hi>]; iſt hingegen die Ordnung der<lb/>
Erbfolge in der Regierung durch beſondere Grundge-<lb/>ſetze der Nazion angeordnet, ſo heißt es ein <hirendition="#fr">Erbfol-<lb/>
gereich</hi> [<hirendition="#aq">regnum ſucceſſorium</hi>]. Eine dritte Gattung<lb/>
entſteht, wenn gar keine Grundgeſetze oder Familien-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ver-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[391/0405]
Zweites Kapitel.
Von der Regierungsfolge.
§. 1.
Von der Regierungsfolge und deren ver-
ſchiedenen Gattungen uͤberhaupt.
Nach Beſtimmung der Perſonen, welchen man die
hoͤchſte Gewalt im Staate anvertrauen will, in
der Regierungsform, muß auch, beſonders in
monarchiſchen Staaten, die Art feſtgeſetzt werden,
wie dieſe Perſonen zur Ausuͤbung der Regierung gelan-
gen ſollen, d. i. die Regierungsfolge. Wird das
Recht hierzu einer Perſon iedesmal blos auf ihre Le-
benszeit uͤbertragen, ſo, daß nach deren Abſterben ein
neuer Regent gewaͤhlt werden muß, ſo iſt es ein Wahl-
reich; wenn aber die Regierung und das Recht dazu
zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Perſon
fuͤr ſich und in voraus fuͤr ihre ſaͤmtlichen Nachkom-
men, nach einer gewiſſen Ordnung, aufgetragen wird,
ſo iſt es ein Erbreich a]. Aus der Verſchiedenheit
dieſer Ordnung entſtehen mehrere Gattungen der Erb-
reiche. Iſt die Regierungsfolge mit der gewoͤnlichen
Privaterbfolge verbunden und durch Vertraͤge der regie-
renden Familie oder anderer Souverains feſtgeſetzt; ſo
nennt man es im eigentlichen Verſtande ein Erbreich
[regnum hereditarium]; iſt hingegen die Ordnung der
Erbfolge in der Regierung durch beſondere Grundge-
ſetze der Nazion angeordnet, ſo heißt es ein Erbfol-
gereich [regnum ſucceſſorium]. Eine dritte Gattung
entſteht, wenn gar keine Grundgeſetze oder Familien-
ver-
B b 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/405>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.