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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De Mediis statum conservandi.
acht nehmen, e. g. von Natur bin ich dir nicht schuldig, dieses oder jenes
zu thun, aber per pactum kan ich mich dazu obligiren; dadurch bekommt
der andere ein jus quaesitum. Aber dieses ist noch wenig, und werden
wir dadurch nicht vollkommen. Es ist so zu sagen eine causa sine qua
non pervenitur ad felicitatem.
Daher kan man sehen, daß die Menschen
falsch raisonniren, welche meynen, wenn sie niemand nichts thäten/ auch
endlich ihre pacta äusserlich hielten, so wäre es gut, wiewohl auch die
meisten dieses negligiren, und lassen sich par force dazu zwingen. Sind
sie in statu naturali, so ruiniren sie dadurch ihre Unterthanen, werden
Infames und Larrons genennet; man capistriret sie, ne amplius nocere
possint.
Der andere Grund der verae felicitatis ist: non tantum illas
obligationes externas in actum deducas,
sondern es muß dieses ferner da-
durch poliret werden, daß einer seine affecten dämpfet und unterdrucket:
Denn man zwinget wohl die Leute, tam in statu naturali, quam civili,
aber die meisten sind doch so beschaffen, daß sie in affecten stecken, und
wenn sie sich nicht fürchten müsten, so würden sie keine obligationes beob-
achten, die Furcht hält sie nur ab, daß sie nicht in ein äusserliches ma-
lum
fallen. Da ist noch kein principium consultativum, deliberativum,
keine potentia rationis. Es ist nur eine Furcht da, daß er denckt, es ist
besser, daß ich mein Leben und meine bona conservire, als daß ich die
obligationes negligire. Die affecten praeponderiren noch. Die Regul
also ist: ut inclinationes naturales ratione temperentur, und wir nicht al-
lein leben nach dem instinctu naturali. Derjenige ist tugendhafft, qui
ita potens est, ut vivat sobrie, temperanter, & nunquam avertat animum
a scopo;
dieses aber ist nicht gnug. Du hast auch mit andern Men-
schen zu thun, also ist nothwendig, ut ne alias laedas. Deßwegen must
du doch nicht necessarie agere, sed sponte, sine ulla coactione, ohne daß
einer sich dergleichen metum vor Augen stellet. Denn es kan einer auch
directe erkennen, was er zu thun schuldig sey, nicht anders, als wie der-
jenige kein honette homme ist, welcher ex metu zahlet, weil er befürchtet,
er möchte in Arrest genommen werden. Amor virtutis muß da seyn.
Ein Tugendhaffter siehet, daß unser HErr GOtt ihn dazu verbunden;
er weiß, daß allezeit die Vernunfft soll praevaliren, nicht der instinctus
naturalis.
Wenn die anima nicht nur das sal von dem Cörper seyn soll,
so muß der Mensch raisonniren, raisonniret er nicht, so agiret er nur nach
seinem instinctu naturali; da ist er kein homo rationalis, sondern wie ein
ander brutum. Daher pflegen wir auch von einem solchen Menschen
zu sagen, er lebe wie ein brutum, er hat keine connoissance was er thun
soll. Hievon wird weitläufftig in der moral gehandelt.

§. 8.

De Mediis ſtatum conſervandi.
acht nehmen, e. g. von Natur bin ich dir nicht ſchuldig, dieſes oder jenes
zu thun, aber per pactum kan ich mich dazu obligiren; dadurch bekommt
der andere ein jus quæſitum. Aber dieſes iſt noch wenig, und werden
wir dadurch nicht vollkommen. Es iſt ſo zu ſagen eine cauſa ſine qua
non pervenitur ad felicitatem.
Daher kan man ſehen, daß die Menſchen
falſch raiſonniren, welche meynen, wenn ſie niemand nichts thaͤten/ auch
endlich ihre pacta aͤuſſerlich hielten, ſo waͤre es gut, wiewohl auch die
meiſten dieſes negligiren, und laſſen ſich par force dazu zwingen. Sind
ſie in ſtatu naturali, ſo ruiniren ſie dadurch ihre Unterthanen, werden
Infames und Larrons genennet; man capiſtriret ſie, ne amplius nocere
poſſint.
Der andere Grund der veræ felicitatis iſt: non tantum illas
obligationes externas in actum deducas,
ſondern es muß dieſes ferner da-
durch poliret werden, daß einer ſeine affecten daͤmpfet und unterdrucket:
Denn man zwinget wohl die Leute, tam in ſtatu naturali, quam civili,
aber die meiſten ſind doch ſo beſchaffen, daß ſie in affecten ſtecken, und
wenn ſie ſich nicht fuͤrchten muͤſten, ſo wuͤrden ſie keine obligationes beob-
achten, die Furcht haͤlt ſie nur ab, daß ſie nicht in ein aͤuſſerliches ma-
lum
fallen. Da iſt noch kein principium conſultativum, deliberativum,
keine potentia rationis. Es iſt nur eine Furcht da, daß er denckt, es iſt
beſſer, daß ich mein Leben und meine bona conſervire, als daß ich die
obligationes negligire. Die affecten præponderiren noch. Die Regul
alſo iſt: ut inclinationes naturales ratione temperentur, und wir nicht al-
lein leben nach dem inſtinctu naturali. Derjenige iſt tugendhafft, qui
ita potens eſt, ut vivat ſobrie, temperanter, & nunquam avertat animum
a ſcopo;
dieſes aber iſt nicht gnug. Du haſt auch mit andern Men-
ſchen zu thun, alſo iſt nothwendig, ut ne alias lædas. Deßwegen muſt
du doch nicht neceſſarie agere, ſed ſponte, ſine ulla coactione, ohne daß
einer ſich dergleichen metum vor Augen ſtellet. Denn es kan einer auch
directe erkennen, was er zu thun ſchuldig ſey, nicht anders, als wie der-
jenige kein honette homme iſt, welcher ex metu zahlet, weil er befuͤrchtet,
er moͤchte in Arreſt genommen werden. Amor virtutis muß da ſeyn.
Ein Tugendhaffter ſiehet, daß unſer HErr GOtt ihn dazu verbunden;
er weiß, daß allezeit die Vernunfft ſoll prævaliren, nicht der inſtinctus
naturalis.
Wenn die anima nicht nur das ſal von dem Coͤrper ſeyn ſoll,
ſo muß der Menſch raiſonniren, raiſonniret er nicht, ſo agiret er nur nach
ſeinem inſtinctu naturali; da iſt er kein homo rationalis, ſondern wie ein
ander brutum. Daher pflegen wir auch von einem ſolchen Menſchen
zu ſagen, er lebe wie ein brutum, er hat keine connoiſſance was er thun
ſoll. Hievon wird weitlaͤufftig in der moral gehandelt.

§. 8.
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[119/0139] De Mediis ſtatum conſervandi. acht nehmen, e. g. von Natur bin ich dir nicht ſchuldig, dieſes oder jenes zu thun, aber per pactum kan ich mich dazu obligiren; dadurch bekommt der andere ein jus quæſitum. Aber dieſes iſt noch wenig, und werden wir dadurch nicht vollkommen. Es iſt ſo zu ſagen eine cauſa ſine qua non pervenitur ad felicitatem. Daher kan man ſehen, daß die Menſchen falſch raiſonniren, welche meynen, wenn ſie niemand nichts thaͤten/ auch endlich ihre pacta aͤuſſerlich hielten, ſo waͤre es gut, wiewohl auch die meiſten dieſes negligiren, und laſſen ſich par force dazu zwingen. Sind ſie in ſtatu naturali, ſo ruiniren ſie dadurch ihre Unterthanen, werden Infames und Larrons genennet; man capiſtriret ſie, ne amplius nocere poſſint. Der andere Grund der veræ felicitatis iſt: non tantum illas obligationes externas in actum deducas, ſondern es muß dieſes ferner da- durch poliret werden, daß einer ſeine affecten daͤmpfet und unterdrucket: Denn man zwinget wohl die Leute, tam in ſtatu naturali, quam civili, aber die meiſten ſind doch ſo beſchaffen, daß ſie in affecten ſtecken, und wenn ſie ſich nicht fuͤrchten muͤſten, ſo wuͤrden ſie keine obligationes beob- achten, die Furcht haͤlt ſie nur ab, daß ſie nicht in ein aͤuſſerliches ma- lum fallen. Da iſt noch kein principium conſultativum, deliberativum, keine potentia rationis. Es iſt nur eine Furcht da, daß er denckt, es iſt beſſer, daß ich mein Leben und meine bona conſervire, als daß ich die obligationes negligire. Die affecten præponderiren noch. Die Regul alſo iſt: ut inclinationes naturales ratione temperentur, und wir nicht al- lein leben nach dem inſtinctu naturali. Derjenige iſt tugendhafft, qui ita potens eſt, ut vivat ſobrie, temperanter, & nunquam avertat animum a ſcopo; dieſes aber iſt nicht gnug. Du haſt auch mit andern Men- ſchen zu thun, alſo iſt nothwendig, ut ne alias lædas. Deßwegen muſt du doch nicht neceſſarie agere, ſed ſponte, ſine ulla coactione, ohne daß einer ſich dergleichen metum vor Augen ſtellet. Denn es kan einer auch directe erkennen, was er zu thun ſchuldig ſey, nicht anders, als wie der- jenige kein honette homme iſt, welcher ex metu zahlet, weil er befuͤrchtet, er moͤchte in Arreſt genommen werden. Amor virtutis muß da ſeyn. Ein Tugendhaffter ſiehet, daß unſer HErr GOtt ihn dazu verbunden; er weiß, daß allezeit die Vernunfft ſoll prævaliren, nicht der inſtinctus naturalis. Wenn die anima nicht nur das ſal von dem Coͤrper ſeyn ſoll, ſo muß der Menſch raiſonniren, raiſonniret er nicht, ſo agiret er nur nach ſeinem inſtinctu naturali; da iſt er kein homo rationalis, ſondern wie ein ander brutum. Daher pflegen wir auch von einem ſolchen Menſchen zu ſagen, er lebe wie ein brutum, er hat keine connoiſſance was er thun ſoll. Hievon wird weitlaͤufftig in der moral gehandelt. §. 8.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/139>, abgerufen am 25.11.2024.