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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De Mediis statum conservandi.
beschrieben. Man hat sonst dem Bayle beygemessen, als wenn er vieles hätte,
welches nach denen Reguln einer strengen moral nicht könte legitimiret wer-
den. Aber was diesen punct betrifft, so sagt er ebenfalls, daß es eine affreuse
Gestalt, wenn keine Ordnung da wäre. Es ist kein Mittel, die Republic zu
emendiren, als daß man die scandala wegnimmt, die irritamenta, alsdenn
wird schon eine Ordnung entstehen. Wer redet nun wohl gerne von
solchen imperfectionibus in conversation, und wer billiget, daß man ei-
nen in conversation sollte excitiren? Derjenige wird wohl für einen Sot
passi
ren, wer erzehlen will, was er vor einen Grind-Kopf in seiner Ju-
gend gehabt. Also ist auch derjenige ein Thor, welcher das gantze opus
generationis
her erzehlet. Es sey nun solches licitum oder illicitum, so
hat es doch aliquid imperfectionis wegen unserer affecten, und will einer,
der davon erzehlet, entweder zeigen, was er vor Thaten darinnen ge-
than, oder er will andere irritiren. Wenn auch Leute zuhören, welche
nicht fromm sind, so verdrießt es doch solchen Leuten, daß er so heraus
platzt. Eben so ist es auch beschaffen, wenn einer durch Umschweiffe
solche Dinge vorbringet. Besser hat viele Gedichte geschrieben, welche
in Leipzig zusammen gedruckt worden, worinnen freylich viele sind, die
man loben muß. Unter andern beschreibet er auch ein Fraucnzimmer,
welches er nackend gesehen, da sagt derjenige, so die praefation gemacht,
er habe dasselbe so beschrieben, daß es auch von denen allerkeuschesten
Ohren kan angehöret werden. Als ich das Buch in der Neuen Bi-
bliothec recensiret, so habe ich dazu gesetzt, ich glaubte nicht, daß es der
Besser gemacht, und wenn es auch wahr, daß es mit grosser Behutsam-
keit geschrieben, so könnte ich mir doch nicht einbilden, daß es nicht
Schaden thun sollte. Denn grobe Zoten thun keinen solchen Schaden,
wenn Frauenzimmer da ist, und höret solches, so gehen sie weg. Aber
wenn ein Pastor Fido redet, der hat delicate expressiones, das thut weit
mehr Schaden, weil er ingeniös redet, da denckt man nach, und wird
irritiret. Ich glaube, daß mehr Leute sind verführet worden durch den
Pastor Fido, als durch einen Harlequin, der ein Flegel ist. Ich habe da-
bey ein paar Passagen aus einem Italiäner allegiret, welcher auch saget,
es hätten viel Leute durch den Pastor Fido Schiffbruch gelitten, weil lau-
ter Liebes-Sachen darinnen, so einen irritiren. Man siehet also, daß
ein solcher keinen Verstand hat, und ist es eben so, als wenn einer woll-
te per metaphoram de stercore reden. Es ruiniret einer dadurch bey ge-
scheueten Leuten seine Fortun. Deßwegen ist es auch eine injurie, wenn
einer so grobe Zoten bey einem Frauenzimmer redet, denn will er sie da-
durch irritiren, so hält er sie vor eine Hure, will er sie vor eine Hure

hal-
R 3

De Mediis ſtatum conſervandi.
beſchrieben. Man hat ſonſt dem Bayle beygemeſſen, als wenn er vieles haͤtte,
welches nach denen Reguln einer ſtrengen moral nicht koͤnte legitimiret wer-
den. Aber was dieſen punct betrifft, ſo ſagt er ebenfalls, daß es eine affreuſe
Geſtalt, wenn keine Ordnung da waͤre. Es iſt kein Mittel, die Republic zu
emendiren, als daß man die ſcandala wegnimmt, die irritamenta, alsdenn
wird ſchon eine Ordnung entſtehen. Wer redet nun wohl gerne von
ſolchen imperfectionibus in converſation, und wer billiget, daß man ei-
nen in converſation ſollte excitiren? Derjenige wird wohl fuͤr einen Sot
paſſi
ren, wer erzehlen will, was er vor einen Grind-Kopf in ſeiner Ju-
gend gehabt. Alſo iſt auch derjenige ein Thor, welcher das gantze opus
generationis
her erzehlet. Es ſey nun ſolches licitum oder illicitum, ſo
hat es doch aliquid imperfectionis wegen unſerer affecten, und will einer,
der davon erzehlet, entweder zeigen, was er vor Thaten darinnen ge-
than, oder er will andere irritiren. Wenn auch Leute zuhoͤren, welche
nicht fromm ſind, ſo verdrießt es doch ſolchen Leuten, daß er ſo heraus
platzt. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer durch Umſchweiffe
ſolche Dinge vorbringet. Beſſer hat viele Gedichte geſchrieben, welche
in Leipzig zuſammen gedruckt worden, worinnen freylich viele ſind, die
man loben muß. Unter andern beſchreibet er auch ein Fraucnzimmer,
welches er nackend geſehen, da ſagt derjenige, ſo die præfation gemacht,
er habe daſſelbe ſo beſchrieben, daß es auch von denen allerkeuſcheſten
Ohren kan angehoͤret werden. Als ich das Buch in der Neuen Bi-
bliothec recenſiret, ſo habe ich dazu geſetzt, ich glaubte nicht, daß es der
Beſſer gemacht, und wenn es auch wahr, daß es mit groſſer Behutſam-
keit geſchrieben, ſo koͤnnte ich mir doch nicht einbilden, daß es nicht
Schaden thun ſollte. Denn grobe Zoten thun keinen ſolchen Schaden,
wenn Frauenzimmer da iſt, und hoͤret ſolches, ſo gehen ſie weg. Aber
wenn ein Paſtor Fido redet, der hat delicate expreſſiones, das thut weit
mehr Schaden, weil er ingeniös redet, da denckt man nach, und wird
irritiret. Ich glaube, daß mehr Leute ſind verfuͤhret worden durch den
Paſtor Fido, als durch einen Harlequin, der ein Flegel iſt. Ich habe da-
bey ein paar Paſſagen aus einem Italiaͤner allegiret, welcher auch ſaget,
es haͤtten viel Leute durch den Paſtor Fido Schiffbruch gelitten, weil lau-
ter Liebes-Sachen darinnen, ſo einen irritiren. Man ſiehet alſo, daß
ein ſolcher keinen Verſtand hat, und iſt es eben ſo, als wenn einer woll-
te per metaphoram de ſtercore reden. Es ruiniret einer dadurch bey ge-
ſcheueten Leuten ſeine Fortun. Deßwegen iſt es auch eine injurie, wenn
einer ſo grobe Zoten bey einem Frauenzimmer redet, denn will er ſie da-
durch irritiren, ſo haͤlt er ſie vor eine Hure, will er ſie vor eine Hure

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[133/0153] De Mediis ſtatum conſervandi. beſchrieben. Man hat ſonſt dem Bayle beygemeſſen, als wenn er vieles haͤtte, welches nach denen Reguln einer ſtrengen moral nicht koͤnte legitimiret wer- den. Aber was dieſen punct betrifft, ſo ſagt er ebenfalls, daß es eine affreuſe Geſtalt, wenn keine Ordnung da waͤre. Es iſt kein Mittel, die Republic zu emendiren, als daß man die ſcandala wegnimmt, die irritamenta, alsdenn wird ſchon eine Ordnung entſtehen. Wer redet nun wohl gerne von ſolchen imperfectionibus in converſation, und wer billiget, daß man ei- nen in converſation ſollte excitiren? Derjenige wird wohl fuͤr einen Sot paſſiren, wer erzehlen will, was er vor einen Grind-Kopf in ſeiner Ju- gend gehabt. Alſo iſt auch derjenige ein Thor, welcher das gantze opus generationis her erzehlet. Es ſey nun ſolches licitum oder illicitum, ſo hat es doch aliquid imperfectionis wegen unſerer affecten, und will einer, der davon erzehlet, entweder zeigen, was er vor Thaten darinnen ge- than, oder er will andere irritiren. Wenn auch Leute zuhoͤren, welche nicht fromm ſind, ſo verdrießt es doch ſolchen Leuten, daß er ſo heraus platzt. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn einer durch Umſchweiffe ſolche Dinge vorbringet. Beſſer hat viele Gedichte geſchrieben, welche in Leipzig zuſammen gedruckt worden, worinnen freylich viele ſind, die man loben muß. Unter andern beſchreibet er auch ein Fraucnzimmer, welches er nackend geſehen, da ſagt derjenige, ſo die præfation gemacht, er habe daſſelbe ſo beſchrieben, daß es auch von denen allerkeuſcheſten Ohren kan angehoͤret werden. Als ich das Buch in der Neuen Bi- bliothec recenſiret, ſo habe ich dazu geſetzt, ich glaubte nicht, daß es der Beſſer gemacht, und wenn es auch wahr, daß es mit groſſer Behutſam- keit geſchrieben, ſo koͤnnte ich mir doch nicht einbilden, daß es nicht Schaden thun ſollte. Denn grobe Zoten thun keinen ſolchen Schaden, wenn Frauenzimmer da iſt, und hoͤret ſolches, ſo gehen ſie weg. Aber wenn ein Paſtor Fido redet, der hat delicate expreſſiones, das thut weit mehr Schaden, weil er ingeniös redet, da denckt man nach, und wird irritiret. Ich glaube, daß mehr Leute ſind verfuͤhret worden durch den Paſtor Fido, als durch einen Harlequin, der ein Flegel iſt. Ich habe da- bey ein paar Paſſagen aus einem Italiaͤner allegiret, welcher auch ſaget, es haͤtten viel Leute durch den Paſtor Fido Schiffbruch gelitten, weil lau- ter Liebes-Sachen darinnen, ſo einen irritiren. Man ſiehet alſo, daß ein ſolcher keinen Verſtand hat, und iſt es eben ſo, als wenn einer woll- te per metaphoram de ſtercore reden. Es ruiniret einer dadurch bey ge- ſcheueten Leuten ſeine Fortun. Deßwegen iſt es auch eine injurie, wenn einer ſo grobe Zoten bey einem Frauenzimmer redet, denn will er ſie da- durch irritiren, ſo haͤlt er ſie vor eine Hure, will er ſie vor eine Hure hal- R 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/153>, abgerufen am 23.11.2024.