Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De prudentia status oeconomici. her wären, aber nicht, ob sie Christen, ob sie die Zehen Geboth verstün-den, ob sie wüsten, daß sie nicht stehlen sollten. Quaer. Wie kan man gutes Gesinde erkennen? Resp. Einige meynen, man müste nur auf die Physiognomie acht geben, aber wer bloß dieses thun will, der wird sich betriegen, wie Pabst Sixtus V. welcher auch nur schwartze Leute in seine Dienste nehmen wollte, und meynete, das wären die besten, da er aber manchen filou mit unter seinen Bedienten bekommen. Dieses muß man in acht nehmen: Gloriae cupidum ne eligas. Einen Knecht muß man nicht in Dienste nehmen, der ambitiosus, sonst will derselbe einen immer commandiren. Das sind die besten Knechte, welche vor sich sparsam. So bald man höret, der Knecht gehet in compagnie, frißt, säufft etc. so muß man ihn abschaffen; denn der Kerl ist nichts nutze, so wenig als ein voluptuosus sich zum Handwercksmann schickt, welcher bald zum Thore hinaus muß. Eben deßwegen, weil so ein sparsamer Knecht will was vor sich bringen, so wird er nicht leicht seinen Herrn bestehlen, denn er dencket, er würde alsdenn alles verliehren, was er er- worben habe. Ein Mensch, der parcus, frugalis ist, bleibt zu Hause, attachiret sich auf seine Sachen, er ist etwas melancholisch. Hernach ist er auch gut, wenn er aliquid cholerae bey sich hat, wenn sie nur nicht oben an stehet, alsdenn bekömmt er das Ansehen alicujus hominis ho- nesti. Man muß dieselben eine Zeitlang probiren, denn es mag ein Kerl seyn, was es nur vor einer will, so wird er sich erst auf der schö- nen Seite zeigen, und affectiren. Aber das geschiehet par force, relu- ctante carne. Was gezwungen ist, dauret nicht lange, in drey oder vier Wochen kan ich Fehler und Untugenden wahrnehmen. Richelieu hat keinen zu seinen Bedienten angenommen, wenn er ihn nicht vorhero ein Viertel Jahr probiret, welches man in seinen Testament politique sehen kan. Er sagte: Der Kerl, so zu mir kommt, will seine fortune bey mir machen, daher sucht er seine Tugenden alle auf einmahl zu zeigen, ist er aber ein Viertel Jahr bey mir, so lerne ich ihn kennen: denn so lange kan sich einer nicht verstellen. Wir nehmen aber alles auf den Plotz weg; daher kommt es eben, daß unter sechs Dienern, sechs Mägden manchmahl keine einige, so was taugt. Man hat auch noch andere Dinge zu observiren. Als wenn man ein Buch von Land-Leben lie- set, so wird daselbst allezeit gewiesen, wie Knechte, Mägde Hirten, müs- sen beschaffen seyn; Keine klügere Gesinde-Ordnung habe ich gefunden, als die in Gotha obtiniret, welche man in Gotha Diplomatica finden kan. Es gehöret viel dazu eine rechte Gesinde-Ordnung außusetzen, und thut man wohl, wenn man bey politischen studiis auch die Policey- Ordnun- U
De prudentia ſtatus œconomici. her waͤren, aber nicht, ob ſie Chriſten, ob ſie die Zehen Geboth verſtuͤn-den, ob ſie wuͤſten, daß ſie nicht ſtehlen ſollten. Quær. Wie kan man gutes Geſinde erkennen? Reſp. Einige meynen, man muͤſte nur auf die Phyſiognomie acht geben, aber wer bloß dieſes thun will, der wird ſich betriegen, wie Pabſt Sixtus V. welcher auch nur ſchwartze Leute in ſeine Dienſte nehmen wollte, und meynete, das waͤren die beſten, da er aber manchen filou mit unter ſeinen Bedienten bekommen. Dieſes muß man in acht nehmen: Gloriæ cupidum ne eligas. Einen Knecht muß man nicht in Dienſte nehmen, der ambitioſus, ſonſt will derſelbe einen immer commandiren. Das ſind die beſten Knechte, welche vor ſich ſparſam. So bald man hoͤret, der Knecht gehet in compagnie, frißt, ſaͤufft ꝛc. ſo muß man ihn abſchaffen; denn der Kerl iſt nichts nutze, ſo wenig als ein voluptuoſus ſich zum Handwercksmann ſchickt, welcher bald zum Thore hinaus muß. Eben deßwegen, weil ſo ein ſparſamer Knecht will was vor ſich bringen, ſo wird er nicht leicht ſeinen Herrn beſtehlen, denn er dencket, er wuͤrde alsdenn alles verliehren, was er er- worben habe. Ein Menſch, der parcus, frugalis iſt, bleibt zu Hauſe, attachiret ſich auf ſeine Sachen, er iſt etwas melancholiſch. Hernach iſt er auch gut, wenn er aliquid choleræ bey ſich hat, wenn ſie nur nicht oben an ſtehet, alsdenn bekoͤmmt er das Anſehen alicujus hominis ho- neſti. Man muß dieſelben eine Zeitlang probiren, denn es mag ein Kerl ſeyn, was es nur vor einer will, ſo wird er ſich erſt auf der ſchoͤ- nen Seite zeigen, und affectiren. Aber das geſchiehet par force, relu- ctante carne. Was gezwungen iſt, dauret nicht lange, in drey oder vier Wochen kan ich Fehler und Untugenden wahrnehmen. Richelieu hat keinen zu ſeinen Bedienten angenommen, wenn er ihn nicht vorhero ein Viertel Jahr probiret, welches man in ſeinen Teſtament politique ſehen kan. Er ſagte: Der Kerl, ſo zu mir kommt, will ſeine fortune bey mir machen, daher ſucht er ſeine Tugenden alle auf einmahl zu zeigen, iſt er aber ein Viertel Jahr bey mir, ſo lerne ich ihn kennen: denn ſo lange kan ſich einer nicht verſtellen. Wir nehmen aber alles auf den Plotz weg; daher kommt es eben, daß unter ſechs Dienern, ſechs Maͤgden manchmahl keine einige, ſo was taugt. Man hat auch noch andere Dinge zu obſerviren. Als wenn man ein Buch von Land-Leben lie- ſet, ſo wird daſelbſt allezeit gewieſen, wie Knechte, Maͤgde Hirten, muͤſ- ſen beſchaffen ſeyn; Keine kluͤgere Geſinde-Ordnung habe ich gefunden, als die in Gotha obtiniret, welche man in Gotha Diplomatica finden kan. Es gehoͤret viel dazu eine rechte Geſinde-Ordnung auſzuſetzen, und thut man wohl, wenn man bey politiſchen ſtudiis auch die Policey- Ordnun- U
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gutes Geſinde erkennen? Reſp. Einige meynen, man muͤſte nur auf die
Phyſiognomie acht geben, aber wer bloß dieſes thun will, der wird ſich
betriegen, wie Pabſt Sixtus V. welcher auch nur ſchwartze Leute in ſeine
Dienſte nehmen wollte, und meynete, das waͤren die beſten, da er aber
manchen filou mit unter ſeinen Bedienten bekommen. Dieſes muß
man in acht nehmen: Gloriæ cupidum ne eligas. Einen Knecht muß
man nicht in Dienſte nehmen, der ambitioſus, ſonſt will derſelbe einen
immer commandiren. Das ſind die beſten Knechte, welche vor ſich
ſparſam. So bald man hoͤret, der Knecht gehet in compagnie, frißt,
ſaͤufft ꝛc. ſo muß man ihn abſchaffen; denn der Kerl iſt nichts nutze, ſo
wenig als ein voluptuoſus ſich zum Handwercksmann ſchickt, welcher
bald zum Thore hinaus muß. Eben deßwegen, weil ſo ein ſparſamer
Knecht will was vor ſich bringen, ſo wird er nicht leicht ſeinen Herrn
beſtehlen, denn er dencket, er wuͤrde alsdenn alles verliehren, was er er-
worben habe. Ein Menſch, der parcus, frugalis iſt, bleibt zu Hauſe,
attachiret ſich auf ſeine Sachen, er iſt etwas melancholiſch. Hernach
iſt er auch gut, wenn er aliquid choleræ bey ſich hat, wenn ſie nur nicht
oben an ſtehet, alsdenn bekoͤmmt er das Anſehen alicujus hominis ho-
neſti. Man muß dieſelben eine Zeitlang probiren, denn es mag ein
Kerl ſeyn, was es nur vor einer will, ſo wird er ſich erſt auf der ſchoͤ-
nen Seite zeigen, und affectiren. Aber das geſchiehet par force, relu-
ctante carne. Was gezwungen iſt, dauret nicht lange, in drey oder vier
Wochen kan ich Fehler und Untugenden wahrnehmen. Richelieu hat
keinen zu ſeinen Bedienten angenommen, wenn er ihn nicht vorhero ein
Viertel Jahr probiret, welches man in ſeinen Teſtament politique ſehen
kan. Er ſagte: Der Kerl, ſo zu mir kommt, will ſeine fortune bey mir
machen, daher ſucht er ſeine Tugenden alle auf einmahl zu zeigen, iſt er
aber ein Viertel Jahr bey mir, ſo lerne ich ihn kennen: denn ſo lange
kan ſich einer nicht verſtellen. Wir nehmen aber alles auf den Plotz
weg; daher kommt es eben, daß unter ſechs Dienern, ſechs Maͤgden
manchmahl keine einige, ſo was taugt. Man hat auch noch andere
Dinge zu obſerviren. Als wenn man ein Buch von Land-Leben lie-
ſet, ſo wird daſelbſt allezeit gewieſen, wie Knechte, Maͤgde Hirten, muͤſ-
ſen beſchaffen ſeyn; Keine kluͤgere Geſinde-Ordnung habe ich gefunden,
als die in Gotha obtiniret, welche man in Gotha Diplomatica finden
kan. Es gehoͤret viel dazu eine rechte Geſinde-Ordnung auſzuſetzen,
und thut man wohl, wenn man bey politiſchen ſtudiis auch die Policey-
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