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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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statum reipublicae conservandi in genere.
surd. Erwehlet man einen falschen finem, so folgen plura alia falsa.
Hernach muß man auch consideriren ipsam naturam rei, denn wir kön-
nen nicht pro arbitrio thun, was wir wollen, sondern müssen allezeit rai-
son
haben, und die raison accommodiren ad rem. Wirff doch einen
Mühlstein so geschwind weg, als ein Schnell-Käulchen. Also siehet man,
daß in der Welt nichts ist, ich muß meine force nach der Beschaffen-
heit der Sache einrichten. Dieses ist aber noch etwas obscur. Also
saget der Autor: Consideranda est materia. Quid hoc est? Respond.
materia sunt homines,
wer will regieren, der regieret Menschen, und
keine Pferde. Populi sunt diversi, hinc ante omnia genius populi consi-
derandus est.
Es lassen sich nicht einmahl die Pferde auf einerley Art
tractiren; auf eines schlägst du, das gehet fort, hergegen ein anders ge-
het durch, wenn du es schlägest. Kinder lassen sich nicht auf einerley
Art tractiren und ziehen, geschweige gantze Völcker. Daher haben auch
schon Tacitus, Cicero, Aristoteles, und andere erkannt, considerandum
esse genium populi.
Es ist also was gemeines, und wird doch nicht ob-
servi
ret. Die Regenten wollen offt auf einerley Art regieren. Caro-
lus V.
hat von seinem Sohn Philippo II. dem melancholischen Gesichte ge-
saget: Ich fürchte, mein Sohn Philipp wird die Niederländer verliehren/
und mehr Länder einbüssen, als er gewinnen wird: Denn Carolus V.
sahe, daß er differente nationes hatte. Die Italiäner sind nicht wie die
Teutschen; Das clima machet sehr viel, davon hernach wird gedacht
werden. Philippus II. wollte alle nationes auf einerley Weise, i. e. hispa-
nice
regieren, und waren ihm die Holländer schon feind, da sie ihm in
einen Spanischen Kleide gesehen. Er that alles mit der grösten gravi-
tät, und konnte man ihn nur sprechen zu gewissen Zeiten. Er konnte nur
Spanisch und Lateinisch reden, aber nicht Niederländisch. Hergegen
Carolus V. hat das Lob, daß er ein kluger und gescheuter Herr gewesen,
welches ihm auch alle Scriptores geben. Wenn er in Teutschland war,
so war er wie ein Teutscher; in Niederlanden war er lustig: Denn die
Niederländer wollen gerne populair tractiret seyn. Printz Wilhelm von
Oranien gieng in die Häuser, und wenn er sahe, daß Mann und Frau
mit einander zanckten, so suchte er sie mit einander wieder zu vertragen, so
machte es auch Carolus V. weil die Niederländer kein hartes Spanisches
Regiment vertragen konnten. Wenn er nach Italien kam, so redete er
Italiänisch: Denn er konnte Italiänisch, Spanisch, Lateinisch, Nieder-
ländisch und Teutsch sprechen: indem er einen guten Hofmeister gehabt,
und man hat gewust, daß dieser Carl von Luxenburg würde viele Länder
bekommen, deßwegen hat man gesucht, ihm viel zu lernen. War er in

Spa-
X

ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſurd. Erwehlet man einen falſchen finem, ſo folgen plura alia falſa.
Hernach muß man auch conſideriren ipſam naturam rei, denn wir koͤn-
nen nicht pro arbitrio thun, was wir wollen, ſondern muͤſſen allezeit rai-
ſon
haben, und die raiſon accommodiren ad rem. Wirff doch einen
Muͤhlſtein ſo geſchwind weg, als ein Schnell-Kaͤulchen. Alſo ſiehet man,
daß in der Welt nichts iſt, ich muß meine force nach der Beſchaffen-
heit der Sache einrichten. Dieſes iſt aber noch etwas obſcur. Alſo
ſaget der Autor: Conſideranda eſt materia. Quid hoc eſt? Reſpond.
materia ſunt homines,
wer will regieren, der regieret Menſchen, und
keine Pferde. Populi ſunt diverſi, hinc ante omnia genius populi conſi-
derandus eſt.
Es laſſen ſich nicht einmahl die Pferde auf einerley Art
tractiren; auf eines ſchlaͤgſt du, das gehet fort, hergegen ein anders ge-
het durch, wenn du es ſchlaͤgeſt. Kinder laſſen ſich nicht auf einerley
Art tractiren und ziehen, geſchweige gantze Voͤlcker. Daher haben auch
ſchon Tacitus, Cicero, Ariſtoteles, und andere erkannt, conſiderandum
eſſe genium populi.
Es iſt alſo was gemeines, und wird doch nicht ob-
ſervi
ret. Die Regenten wollen offt auf einerley Art regieren. Caro-
lus V.
hat von ſeinem Sohn Philippo II. dem melancholiſchen Geſichte ge-
ſaget: Ich fuͤrchte, mein Sohn Philipp wird die Niederlaͤnder verliehren/
und mehr Laͤnder einbuͤſſen, als er gewinnen wird: Denn Carolus V.
ſahe, daß er differente nationes hatte. Die Italiaͤner ſind nicht wie die
Teutſchen; Das clima machet ſehr viel, davon hernach wird gedacht
werden. Philippus II. wollte alle nationes auf einerley Weiſe, i. e. hiſpa-
nice
regieren, und waren ihm die Hollaͤnder ſchon feind, da ſie ihm in
einen Spaniſchen Kleide geſehen. Er that alles mit der groͤſten gravi-
taͤt, und konnte man ihn nur ſprechen zu gewiſſen Zeiten. Er konnte nur
Spaniſch und Lateiniſch reden, aber nicht Niederlaͤndiſch. Hergegen
Carolus V. hat das Lob, daß er ein kluger und geſcheuter Herr geweſen,
welches ihm auch alle Scriptores geben. Wenn er in Teutſchland war,
ſo war er wie ein Teutſcher; in Niederlanden war er luſtig: Denn die
Niederlaͤnder wollen gerne populair tractiret ſeyn. Printz Wilhelm von
Oranien gieng in die Haͤuſer, und wenn er ſahe, daß Mann und Frau
mit einander zanckten, ſo ſuchte er ſie mit einander wieder zu vertragen, ſo
machte es auch Carolus V. weil die Niederlaͤnder kein hartes Spaniſches
Regiment vertragen konnten. Wenn er nach Italien kam, ſo redete er
Italiaͤniſch: Denn er konnte Italiaͤniſch, Spaniſch, Lateiniſch, Nieder-
laͤndiſch und Teutſch ſprechen: indem er einen guten Hofmeiſter gehabt,
und man hat gewuſt, daß dieſer Carl von Luxenburg wuͤrde viele Laͤnder
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Spa-
X
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[161/0181] ſtatum reipublicæ conſervandi in genere. ſurd. Erwehlet man einen falſchen finem, ſo folgen plura alia falſa. Hernach muß man auch conſideriren ipſam naturam rei, denn wir koͤn- nen nicht pro arbitrio thun, was wir wollen, ſondern muͤſſen allezeit rai- ſon haben, und die raiſon accommodiren ad rem. Wirff doch einen Muͤhlſtein ſo geſchwind weg, als ein Schnell-Kaͤulchen. Alſo ſiehet man, daß in der Welt nichts iſt, ich muß meine force nach der Beſchaffen- heit der Sache einrichten. Dieſes iſt aber noch etwas obſcur. Alſo ſaget der Autor: Conſideranda eſt materia. Quid hoc eſt? Reſpond. materia ſunt homines, wer will regieren, der regieret Menſchen, und keine Pferde. Populi ſunt diverſi, hinc ante omnia genius populi conſi- derandus eſt. Es laſſen ſich nicht einmahl die Pferde auf einerley Art tractiren; auf eines ſchlaͤgſt du, das gehet fort, hergegen ein anders ge- het durch, wenn du es ſchlaͤgeſt. Kinder laſſen ſich nicht auf einerley Art tractiren und ziehen, geſchweige gantze Voͤlcker. Daher haben auch ſchon Tacitus, Cicero, Ariſtoteles, und andere erkannt, conſiderandum eſſe genium populi. Es iſt alſo was gemeines, und wird doch nicht ob- ſerviret. Die Regenten wollen offt auf einerley Art regieren. Caro- lus V. hat von ſeinem Sohn Philippo II. dem melancholiſchen Geſichte ge- ſaget: Ich fuͤrchte, mein Sohn Philipp wird die Niederlaͤnder verliehren/ und mehr Laͤnder einbuͤſſen, als er gewinnen wird: Denn Carolus V. ſahe, daß er differente nationes hatte. Die Italiaͤner ſind nicht wie die Teutſchen; Das clima machet ſehr viel, davon hernach wird gedacht werden. Philippus II. wollte alle nationes auf einerley Weiſe, i. e. hiſpa- nice regieren, und waren ihm die Hollaͤnder ſchon feind, da ſie ihm in einen Spaniſchen Kleide geſehen. Er that alles mit der groͤſten gravi- taͤt, und konnte man ihn nur ſprechen zu gewiſſen Zeiten. Er konnte nur Spaniſch und Lateiniſch reden, aber nicht Niederlaͤndiſch. Hergegen Carolus V. hat das Lob, daß er ein kluger und geſcheuter Herr geweſen, welches ihm auch alle Scriptores geben. Wenn er in Teutſchland war, ſo war er wie ein Teutſcher; in Niederlanden war er luſtig: Denn die Niederlaͤnder wollen gerne populair tractiret ſeyn. Printz Wilhelm von Oranien gieng in die Haͤuſer, und wenn er ſahe, daß Mann und Frau mit einander zanckten, ſo ſuchte er ſie mit einander wieder zu vertragen, ſo machte es auch Carolus V. weil die Niederlaͤnder kein hartes Spaniſches Regiment vertragen konnten. Wenn er nach Italien kam, ſo redete er Italiaͤniſch: Denn er konnte Italiaͤniſch, Spaniſch, Lateiniſch, Nieder- laͤndiſch und Teutſch ſprechen: indem er einen guten Hofmeiſter gehabt, und man hat gewuſt, daß dieſer Carl von Luxenburg wuͤrde viele Laͤnder bekommen, deßwegen hat man geſucht, ihm viel zu lernen. War er in Spa- X

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/181>, abgerufen am 23.11.2024.