Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa leges & judicia. chen und Exempel angeführet. Viele Leute haben einen widrigen con-cept von der reformatione rerumpublicarum, und meynen, es kan gleich geschehen, alleine, man muß die Zeit erwarten, convenire donec melius appareat tempus. Amelot in seinem Tibere observiret, daß am besten könnten Gesetze gegeben werden wider den luxum, wenn die Leute an- fiengen, arm zu werden, wenn ein Unglück über sie käme, daß sie gantz ausgesogen würden, alsdenn könne man leges geben, welche auch in fu- turum observiret würden, wenn sie gleich wieder in guten Stand kämen: dahingegen wenn alles voll auf ist, die Leute haben Geld, so kan man den luxum nicht auf einmahl aufheben, und würden alle murren, wenn man es thun wollte: denn sie sagen: wir haben Geld, und sollen doch uns dessen nicht bedienen. Tempus itaque est attendendum & expectan- dum, man muß pedetentim kommen. Einen Menschen, der hundert Pfeiffen Toback raucht, kan man solches nicht auf einmahl abgewöh- nen, sondern man läst ihm erst eine halbe Pfeiffe weniger rauchen, denn eine gantze, endlich kan er sichs nach und nach abgewöhnen; will man es aber auf einmahl thun, so stirbt er, und kan es nicht aushalten; Man muß aber wohl mercken, daß, wenn es einmahl gebessert ist, so siehet es unvergleichlich aus: denn es ist alles en bon ordre. Aber man muß alsdenn vigiliren, custodes legum setzen, denn die leges sind ein Zwang, nitimur in contrarium, wir lassen immer nach, es finden sich auch immer neue corruptiones. Man darff also nicht dencken, daß es immer so bleiben wird. Es ist, wie mit der Neligion, da brauchen wir auch immer wieder eine reformation. Das menschliche Hertz ist böse von Jugend auf, und gewöhnt man sich immer was närrisches an. Wenn man von einem lege saget, daß es nicht in usum kommen; so ist es ein Anzeigen, daß man nicht recht acht gegeben, und sind die Leute wieder von dem rechten Weg abgewichen. Daher kommen aber die consuetudines in contrarium. Barbeyrac in seiner Dissertation des Loix civiles sagt auch: Wo man das nicht consuetudines nennete, was denen legibus Romanis entgegen, (als wie man die Teutschen Gesetze in dieser relation alle consuetudines genennet,) sondern man fände andere con- suetudines, so wäre es ein Anzeigen, daß eine corruptio vorhanden, und daß der Legislator entweder nicht vigilirt, oder solche leges gegeben, so nicht in usum können gebracht werden. Der Herr kan nicht allezeit Acht geben, daher hat er seine subalternen, welche aber mehrentheils nichts taugen, und haben ein interesse ambitionis, voluptatis &c. Ein Herr sollte auch gar nicht zulassen, daß seine Unter-Nichter dispensirten, die müsten nicht legibus mitiores, und auch nicht duriores seyn. Die Athe- A a 2
ſtatus circa leges & judicia. chen und Exempel angefuͤhret. Viele Leute haben einen widrigen con-cept von der reformatione rerumpublicarum, und meynen, es kan gleich geſchehen, alleine, man muß die Zeit erwarten, convenire donec melius appareat tempus. Amelot in ſeinem Tibere obſerviret, daß am beſten koͤnnten Geſetze gegeben werden wider den luxum, wenn die Leute an- fiengen, arm zu werden, wenn ein Ungluͤck uͤber ſie kaͤme, daß ſie gantz ausgeſogen wuͤrden, alsdenn koͤnne man leges geben, welche auch in fu- turum obſerviret wuͤrden, wenn ſie gleich wieder in guten Stand kaͤmen: dahingegen wenn alles voll auf iſt, die Leute haben Geld, ſo kan man den luxum nicht auf einmahl aufheben, und wuͤrden alle murren, wenn man es thun wollte: denn ſie ſagen: wir haben Geld, und ſollen doch uns deſſen nicht bedienen. Tempus itaque eſt attendendum & expectan- dum, man muß pedetentim kommen. Einen Menſchen, der hundert Pfeiffen Toback raucht, kan man ſolches nicht auf einmahl abgewoͤh- nen, ſondern man laͤſt ihm erſt eine halbe Pfeiffe weniger rauchen, denn eine gantze, endlich kan er ſichs nach und nach abgewoͤhnen; will man es aber auf einmahl thun, ſo ſtirbt er, und kan es nicht aushalten; Man muß aber wohl mercken, daß, wenn es einmahl gebeſſert iſt, ſo ſiehet es unvergleichlich aus: denn es iſt alles en bon ordre. Aber man muß alsdenn vigiliren, cuſtodes legum ſetzen, denn die leges ſind ein Zwang, nitimur in contrarium, wir laſſen immer nach, es finden ſich auch immer neue corruptiones. Man darff alſo nicht dencken, daß es immer ſo bleiben wird. Es iſt, wie mit der Neligion, da brauchen wir auch immer wieder eine reformation. Das menſchliche Hertz iſt boͤſe von Jugend auf, und gewoͤhnt man ſich immer was naͤrriſches an. Wenn man von einem lege ſaget, daß es nicht in uſum kommen; ſo iſt es ein Anzeigen, daß man nicht recht acht gegeben, und ſind die Leute wieder von dem rechten Weg abgewichen. Daher kommen aber die conſuetudines in contrarium. Barbeyrac in ſeiner Diſſertation des Loix civiles ſagt auch: Wo man das nicht conſuetudines nennete, was denen legibus Romanis entgegen, (als wie man die Teutſchen Geſetze in dieſer relation alle conſuetudines genennet,) ſondern man faͤnde andere con- ſuetudines, ſo waͤre es ein Anzeigen, daß eine corruptio vorhanden, und daß der Legislator entweder nicht vigilirt, oder ſolche leges gegeben, ſo nicht in uſum koͤnnen gebracht werden. Der Herr kan nicht allezeit Acht geben, daher hat er ſeine ſubalternen, welche aber mehrentheils nichts taugen, und haben ein intereſſe ambitionis, voluptatis &c. Ein Herr ſollte auch gar nicht zulaſſen, daß ſeine Unter-Nichter diſpenſirten, die muͤſten nicht legibus mitiores, und auch nicht duriores ſeyn. Die Athe- A a 2
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geſchehen, alleine, man muß die Zeit erwarten, convenire donec melius
appareat tempus. Amelot in ſeinem Tibere obſerviret, daß am beſten
koͤnnten Geſetze gegeben werden wider den luxum, wenn die Leute an-
fiengen, arm zu werden, wenn ein Ungluͤck uͤber ſie kaͤme, daß ſie gantz
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turum obſerviret wuͤrden, wenn ſie gleich wieder in guten Stand kaͤmen:
dahingegen wenn alles voll auf iſt, die Leute haben Geld, ſo kan man
den luxum nicht auf einmahl aufheben, und wuͤrden alle murren, wenn
man es thun wollte: denn ſie ſagen: wir haben Geld, und ſollen doch
uns deſſen nicht bedienen. Tempus itaque eſt attendendum & expectan-
dum, man muß pedetentim kommen. Einen Menſchen, der hundert
Pfeiffen Toback raucht, kan man ſolches nicht auf einmahl abgewoͤh-
nen, ſondern man laͤſt ihm erſt eine halbe Pfeiffe weniger rauchen, denn
eine gantze, endlich kan er ſichs nach und nach abgewoͤhnen; will man
es aber auf einmahl thun, ſo ſtirbt er, und kan es nicht aushalten;
Man muß aber wohl mercken, daß, wenn es einmahl gebeſſert iſt, ſo
ſiehet es unvergleichlich aus: denn es iſt alles en bon ordre. Aber man
muß alsdenn vigiliren, cuſtodes legum ſetzen, denn die leges ſind ein
Zwang, nitimur in contrarium, wir laſſen immer nach, es finden ſich
auch immer neue corruptiones. Man darff alſo nicht dencken, daß es
immer ſo bleiben wird. Es iſt, wie mit der Neligion, da brauchen wir
auch immer wieder eine reformation. Das menſchliche Hertz iſt boͤſe
von Jugend auf, und gewoͤhnt man ſich immer was naͤrriſches an.
Wenn man von einem lege ſaget, daß es nicht in uſum kommen; ſo iſt
es ein Anzeigen, daß man nicht recht acht gegeben, und ſind die Leute
wieder von dem rechten Weg abgewichen. Daher kommen aber die
conſuetudines in contrarium. Barbeyrac in ſeiner Diſſertation des Loix
civiles ſagt auch: Wo man das nicht conſuetudines nennete, was denen
legibus Romanis entgegen, (als wie man die Teutſchen Geſetze in dieſer
relation alle conſuetudines genennet,) ſondern man faͤnde andere con-
ſuetudines, ſo waͤre es ein Anzeigen, daß eine corruptio vorhanden, und
daß der Legislator entweder nicht vigilirt, oder ſolche leges gegeben, ſo
nicht in uſum koͤnnen gebracht werden. Der Herr kan nicht allezeit
Acht geben, daher hat er ſeine ſubalternen, welche aber mehrentheils
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Herr ſollte auch gar nicht zulaſſen, daß ſeine Unter-Nichter diſpenſirten,
die muͤſten nicht legibus mitiores, und auch nicht duriores ſeyn. Die
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