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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
ist kein König, ein imperans, der nicht judex ist, ist kein imperans. Es
ist auch keine geringe Sache, indem derer Unterthanen Glückseligkeit,
divitiae, paubertas, vita, mors, alles von dergleichen judice dependiret.
Drum ist ein corruptissimus status, wo dem Principi die Hände gebun-
den, daß er nicht kan applicare leges ad factum; wo der Princeps nicht
judex seyn kan. Es ist eine grosse corruptio in der republica Polonica,
da sie den König so zu sagen ausgeschlossen. Sonst konnte der Kö-
nig selbst judiciren in wichtigen affairen, und konnte keiner, ohne seinen
consens, zum Tode verurtheilet werden, wenn er sagte: mihi videtur
hanc decisionem applicari non posse,
so konnte die execution nicht vor
sich gehen, wenn gleich sonst alle das contrarium gewollt, aber jetzo ha-
ben sie zum höchsten provocationem ad ipsius clementiam, und ist vie-
les von der autorität zu Grunde gegangen, welches die Scriptores recen-
tissimi
anmercken. Die Pohlen haben freylich etwas raison, weil die
Könige ehemahls bisweilen so beschaffen gewesen sind, daß sie alles pro
arbitrio
vorgenommen; aber abusus unius alteriusve regiae personae kan
nicht verursachen, ut penitus adimatur illi gladius, sonst brauchten sie gar kei-
nen König. Dicis: Es ist ja impossible, daß ein König überall judex kan seyn?
Respond. Es ist wohl wahr, und deßwegen müssen sie subalternen haben,
aber daß sie gar nichts thun, ist ein grosses Unglück. Es ist auch wun-
derlich, wenn man meynet, der König habe nur mit Staats-Sachen
zu thun, als wenn der König nur propter entraneos da wäre. Dieses
ist wohl ein finis mit, aber nicht alleine, sondern das internum soll richtig
seyn. Wo kan ich mich contra extraneos defendiren, wenn keine justiz
im Lande administriret wird, vel minimum, si illa justitia non appareat,
non esse vero & non apparere in moralibus sunt unum idemque.
Vor-
dem ist es gantz anders gewesen. Wir finden, daß Salomo selbst ge-
richtet, oder wenn er es nicht gethan, so hat er solches denen senioribus
übergeben. Die Römer hatten auch einen Senatum, worinnen lauter
seniores sassen. Wir sind abgegangen, und haben einen juvenatum. In
denen meisten judiciis sitzen Leute, die noch keine Bärte haben. Caro-
lus Molinaeus,
ein berühmter Frantzösischer Jurist, sagt in seinem con-
suetudinibus Parisiensis,
auch von Franckreich, daß man den Senatum
auch daselbst juvenatum nennen könnte. Es ist eine grosse Schwachheit,
wenn man meynet, der König dörffte gar nicht judex seyn. Eginhardus
erzehlet von Carolo Magno, daß, wenn er sich ankleiden lassen, so habe
er Leute vor sich kommen lassen, und hätte da unzählige processe ausge-
macht. Der actor muste seine Sache kurtz vorbringen, und der reus
antwortete, darauf decidirte der Kayser. Er hatte seinen Comitem Pa-

latinum

Cap. V. De prudentia
iſt kein Koͤnig, ein imperans, der nicht judex iſt, iſt kein imperans. Es
iſt auch keine geringe Sache, indem derer Unterthanen Gluͤckſeligkeit,
divitiæ, paubertas, vita, mors, alles von dergleichen judice dependiret.
Drum iſt ein corruptiſſimus ſtatus, wo dem Principi die Haͤnde gebun-
den, daß er nicht kan applicare leges ad factum; wo der Princeps nicht
judex ſeyn kan. Es iſt eine groſſe corruptio in der republica Polonica,
da ſie den Koͤnig ſo zu ſagen ausgeſchloſſen. Sonſt konnte der Koͤ-
nig ſelbſt judiciren in wichtigen affairen, und konnte keiner, ohne ſeinen
conſens, zum Tode verurtheilet werden, wenn er ſagte: mihi videtur
hanc deciſionem applicari non poſſe,
ſo konnte die execution nicht vor
ſich gehen, wenn gleich ſonſt alle das contrarium gewollt, aber jetzo ha-
ben ſie zum hoͤchſten provocationem ad ipſius clementiam, und iſt vie-
les von der autoritaͤt zu Grunde gegangen, welches die Scriptores recen-
tiſſimi
anmercken. Die Pohlen haben freylich etwas raiſon, weil die
Koͤnige ehemahls bisweilen ſo beſchaffen geweſen ſind, daß ſie alles pro
arbitrio
vorgenommen; aber abuſus unius alteriusve regiæ perſonæ kan
nicht verurſachen, ut penitus adimatur illi gladius, ſonſt brauchten ſie gar kei-
nen Koͤnig. Dicis: Es iſt ja impoſſible, daß ein Koͤnig uͤberall judex kan ſeyn?
Reſpond. Es iſt wohl wahr, und deßwegen muͤſſen ſie ſubalternen haben,
aber daß ſie gar nichts thun, iſt ein groſſes Ungluͤck. Es iſt auch wun-
derlich, wenn man meynet, der Koͤnig habe nur mit Staats-Sachen
zu thun, als wenn der Koͤnig nur propter entraneos da waͤre. Dieſes
iſt wohl ein finis mit, aber nicht alleine, ſondern das internum ſoll richtig
ſeyn. Wo kan ich mich contra extraneos defendiren, wenn keine juſtiz
im Lande adminiſtriret wird, vel minimum, ſi illa juſtitia non appareat,
non eſſe vero & non apparere in moralibus ſunt unum idemque.
Vor-
dem iſt es gantz anders geweſen. Wir finden, daß Salomo ſelbſt ge-
richtet, oder wenn er es nicht gethan, ſo hat er ſolches denen ſenioribus
uͤbergeben. Die Roͤmer hatten auch einen Senatum, worinnen lauter
ſeniores ſaſſen. Wir ſind abgegangen, und haben einen juvenatum. In
denen meiſten judiciis ſitzen Leute, die noch keine Baͤrte haben. Caro-
lus Molinæus,
ein beruͤhmter Frantzoͤſiſcher Juriſt, ſagt in ſeinem con-
ſuetudinibus Pariſienſis,
auch von Franckreich, daß man den Senatum
auch daſelbſt juvenatum nennen koͤnnte. Es iſt eine groſſe Schwachheit,
wenn man meynet, der Koͤnig doͤrffte gar nicht judex ſeyn. Eginhardus
erzehlet von Carolo Magno, daß, wenn er ſich ankleiden laſſen, ſo habe
er Leute vor ſich kommen laſſen, und haͤtte da unzaͤhlige proceſſe ausge-
macht. Der actor muſte ſeine Sache kurtz vorbringen, und der reus
antwortete, darauf decidirte der Kayſer. Er hatte ſeinen Comitem Pa-

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[190/0210] Cap. V. De prudentia iſt kein Koͤnig, ein imperans, der nicht judex iſt, iſt kein imperans. Es iſt auch keine geringe Sache, indem derer Unterthanen Gluͤckſeligkeit, divitiæ, paubertas, vita, mors, alles von dergleichen judice dependiret. Drum iſt ein corruptiſſimus ſtatus, wo dem Principi die Haͤnde gebun- den, daß er nicht kan applicare leges ad factum; wo der Princeps nicht judex ſeyn kan. Es iſt eine groſſe corruptio in der republica Polonica, da ſie den Koͤnig ſo zu ſagen ausgeſchloſſen. Sonſt konnte der Koͤ- nig ſelbſt judiciren in wichtigen affairen, und konnte keiner, ohne ſeinen conſens, zum Tode verurtheilet werden, wenn er ſagte: mihi videtur hanc deciſionem applicari non poſſe, ſo konnte die execution nicht vor ſich gehen, wenn gleich ſonſt alle das contrarium gewollt, aber jetzo ha- ben ſie zum hoͤchſten provocationem ad ipſius clementiam, und iſt vie- les von der autoritaͤt zu Grunde gegangen, welches die Scriptores recen- tiſſimi anmercken. Die Pohlen haben freylich etwas raiſon, weil die Koͤnige ehemahls bisweilen ſo beſchaffen geweſen ſind, daß ſie alles pro arbitrio vorgenommen; aber abuſus unius alteriusve regiæ perſonæ kan nicht verurſachen, ut penitus adimatur illi gladius, ſonſt brauchten ſie gar kei- nen Koͤnig. Dicis: Es iſt ja impoſſible, daß ein Koͤnig uͤberall judex kan ſeyn? Reſpond. Es iſt wohl wahr, und deßwegen muͤſſen ſie ſubalternen haben, aber daß ſie gar nichts thun, iſt ein groſſes Ungluͤck. Es iſt auch wun- derlich, wenn man meynet, der Koͤnig habe nur mit Staats-Sachen zu thun, als wenn der Koͤnig nur propter entraneos da waͤre. Dieſes iſt wohl ein finis mit, aber nicht alleine, ſondern das internum ſoll richtig ſeyn. Wo kan ich mich contra extraneos defendiren, wenn keine juſtiz im Lande adminiſtriret wird, vel minimum, ſi illa juſtitia non appareat, non eſſe vero & non apparere in moralibus ſunt unum idemque. Vor- dem iſt es gantz anders geweſen. Wir finden, daß Salomo ſelbſt ge- richtet, oder wenn er es nicht gethan, ſo hat er ſolches denen ſenioribus uͤbergeben. Die Roͤmer hatten auch einen Senatum, worinnen lauter ſeniores ſaſſen. Wir ſind abgegangen, und haben einen juvenatum. In denen meiſten judiciis ſitzen Leute, die noch keine Baͤrte haben. Caro- lus Molinæus, ein beruͤhmter Frantzoͤſiſcher Juriſt, ſagt in ſeinem con- ſuetudinibus Pariſienſis, auch von Franckreich, daß man den Senatum auch daſelbſt juvenatum nennen koͤnnte. Es iſt eine groſſe Schwachheit, wenn man meynet, der Koͤnig doͤrffte gar nicht judex ſeyn. Eginhardus erzehlet von Carolo Magno, daß, wenn er ſich ankleiden laſſen, ſo habe er Leute vor ſich kommen laſſen, und haͤtte da unzaͤhlige proceſſe ausge- macht. Der actor muſte ſeine Sache kurtz vorbringen, und der reus antwortete, darauf decidirte der Kayſer. Er hatte ſeinen Comitem Pa- latinum

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/210>, abgerufen am 24.11.2024.