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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa leges & judicia.
Hertius in seiner Politic Part. II. pag. 13. hat. So bald die Leute einen
process haben, werden sie einander feind, und grüsset keiner den andern
mehr. Man sagt, das Geld rouillire doch, wenn es die Advocaten be-
kämen, allein es fällt dadurch der credit, wo kein credit ist, da ist kein
commercium. Wenn man einem Geld lehnet, der ein schön Guth hat,
da man primam oder wenigstens secundam hypothecam haben kan, so
wird man es doch nicht gerne thun: denn man sagt, wenn man das Ca-
pital
wolle wieder haben, und es käme zum concurs, so würde in zwölff
Jahren kaum der process aus. Wo keine Lehnungen sind, ist kein com-
mercium,
hingegen, wo prompte justiz, lehnet man gerne, denn da kan ich
mein Geld bald wieder haben. Sie haben an einem gewissen Orte
auch den process wollen abkürtzen, und doch das contradictorium gelas-
sen, es sollte keiner können erscheinen ohne Advocaten. Eben so ist es
auch mit denen Procuratoribus beschaffen. An vielen Orten sind die
Advocaten zugleich auch Procuratores, male secundum accursium, denn
es sind differente Aemter, der Advocat arbeitet mit dem Kopfe, aber der
Procurator mit dem Leibe, er besorget die fatalia, suchet dilation &c.
Ist es beysammen, so hindert einer als Advocat den process, und auch
als Procurator. Man hat sie an vielen Orten separiret, als wie in
Leipzig, damit es aber nicht ausgemacht ist: denn es muß da ein jeder
termin denen Procuratoribus von denen Leuten bezahlet werden, und
giebt es noch allerhand Sporteln. Wer es will recht machen, der
muß es machen wie bey denen Römern, da sind keine eigene Procurato-
res
gewesen, sondern man hat gute Freunde dazu genommen. Quem-
admodum aliquis gratis mea negotia gerit extra judicialiter,
so kan es
auch judicialiter geschehen. Man darff nicht dencken, daß ein Freund
wird den process aufhalten; au contraire, er wird sich bemühen, daß er
bald wieder von der Last los kömmt. Diese reformation würde sehr
nützlich seyn. Das andere ist alles nichts. Wenn andere Leute wollen
eine reformation anfangen, so müssen sie das jus perfect verstehen, aber
nicht darein verliebt seyn, sonst bessern sie nichts. Sie müssen eine Ehr-
lichkeit und Liebe zum bono politico haben. Man braucht in judiciis
auch scribas, wenn der scriba ein fourbe, so kan derselbe fast mehr Scha-
den thun, als die Advocaten, er kan nicht recht protocolliren. Es ist
hier mehr an einer Ehrlichkeit als peritia gelegen: denn es kan einer
leicht ein protocoll, eine registratur machen. Wie offt kommt es nicht,
daß man alle praecautiones muß machen, wenn die acten verschicket wer-
den, damit keine Betrügerey vorgehet. Die Blätter, so darinnen leer
sind, werden durch gestrichen, damit nichts kan darauf geschrieben wer-

den.
C c

ſtatus circa leges & judicia.
Hertius in ſeiner Politic Part. II. pag. 13. hat. So bald die Leute einen
proceſſ haben, werden ſie einander feind, und gruͤſſet keiner den andern
mehr. Man ſagt, das Geld rouillire doch, wenn es die Advocaten be-
kaͤmen, allein es faͤllt dadurch der credit, wo kein credit iſt, da iſt kein
commercium. Wenn man einem Geld lehnet, der ein ſchoͤn Guth hat,
da man primam oder wenigſtens ſecundam hypothecam haben kan, ſo
wird man es doch nicht gerne thun: denn man ſagt, wenn man das Ca-
pital
wolle wieder haben, und es kaͤme zum concurs, ſo wuͤrde in zwoͤlff
Jahren kaum der proceſſ aus. Wo keine Lehnungen ſind, iſt kein com-
mercium,
hingegen, wo prompte juſtiz, lehnet man gerne, denn da kan ich
mein Geld bald wieder haben. Sie haben an einem gewiſſen Orte
auch den proceſſ wollen abkuͤrtzen, und doch das contradictorium gelaſ-
ſen, es ſollte keiner koͤnnen erſcheinen ohne Advocaten. Eben ſo iſt es
auch mit denen Procuratoribus beſchaffen. An vielen Orten ſind die
Advocaten zugleich auch Procuratores, male ſecundum accurſium, denn
es ſind differente Aemter, der Advocat arbeitet mit dem Kopfe, aber der
Procurator mit dem Leibe, er beſorget die fatalia, ſuchet dilation &c.
Iſt es beyſammen, ſo hindert einer als Advocat den proceſſ, und auch
als Procurator. Man hat ſie an vielen Orten ſepariret, als wie in
Leipzig, damit es aber nicht ausgemacht iſt: denn es muß da ein jeder
termin denen Procuratoribus von denen Leuten bezahlet werden, und
giebt es noch allerhand Sporteln. Wer es will recht machen, der
muß es machen wie bey denen Roͤmern, da ſind keine eigene Procurato-
res
geweſen, ſondern man hat gute Freunde dazu genommen. Quem-
admodum aliquis gratis mea negotia gerit extra judicialiter,
ſo kan es
auch judicialiter geſchehen. Man darff nicht dencken, daß ein Freund
wird den proceſſ aufhalten; au contraire, er wird ſich bemuͤhen, daß er
bald wieder von der Laſt los koͤmmt. Dieſe reformation wuͤrde ſehr
nuͤtzlich ſeyn. Das andere iſt alles nichts. Wenn andere Leute wollen
eine reformation anfangen, ſo muͤſſen ſie das jus perfect verſtehen, aber
nicht darein verliebt ſeyn, ſonſt beſſern ſie nichts. Sie muͤſſen eine Ehr-
lichkeit und Liebe zum bono politico haben. Man braucht in judiciis
auch ſcribas, wenn der ſcriba ein fourbe, ſo kan derſelbe faſt mehr Scha-
den thun, als die Advocaten, er kan nicht recht protocolliren. Es iſt
hier mehr an einer Ehrlichkeit als peritia gelegen: denn es kan einer
leicht ein protocoll, eine regiſtratur machen. Wie offt kommt es nicht,
daß man alle præcautiones muß machen, wenn die acten verſchicket wer-
den, damit keine Betruͤgerey vorgehet. Die Blaͤtter, ſo darinnen leer
ſind, werden durch geſtrichen, damit nichts kan darauf geſchrieben wer-

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[201/0221] ſtatus circa leges & judicia. Hertius in ſeiner Politic Part. II. pag. 13. hat. So bald die Leute einen proceſſ haben, werden ſie einander feind, und gruͤſſet keiner den andern mehr. Man ſagt, das Geld rouillire doch, wenn es die Advocaten be- kaͤmen, allein es faͤllt dadurch der credit, wo kein credit iſt, da iſt kein commercium. Wenn man einem Geld lehnet, der ein ſchoͤn Guth hat, da man primam oder wenigſtens ſecundam hypothecam haben kan, ſo wird man es doch nicht gerne thun: denn man ſagt, wenn man das Ca- pital wolle wieder haben, und es kaͤme zum concurs, ſo wuͤrde in zwoͤlff Jahren kaum der proceſſ aus. Wo keine Lehnungen ſind, iſt kein com- mercium, hingegen, wo prompte juſtiz, lehnet man gerne, denn da kan ich mein Geld bald wieder haben. Sie haben an einem gewiſſen Orte auch den proceſſ wollen abkuͤrtzen, und doch das contradictorium gelaſ- ſen, es ſollte keiner koͤnnen erſcheinen ohne Advocaten. Eben ſo iſt es auch mit denen Procuratoribus beſchaffen. An vielen Orten ſind die Advocaten zugleich auch Procuratores, male ſecundum accurſium, denn es ſind differente Aemter, der Advocat arbeitet mit dem Kopfe, aber der Procurator mit dem Leibe, er beſorget die fatalia, ſuchet dilation &c. Iſt es beyſammen, ſo hindert einer als Advocat den proceſſ, und auch als Procurator. Man hat ſie an vielen Orten ſepariret, als wie in Leipzig, damit es aber nicht ausgemacht iſt: denn es muß da ein jeder termin denen Procuratoribus von denen Leuten bezahlet werden, und giebt es noch allerhand Sporteln. Wer es will recht machen, der muß es machen wie bey denen Roͤmern, da ſind keine eigene Procurato- res geweſen, ſondern man hat gute Freunde dazu genommen. Quem- admodum aliquis gratis mea negotia gerit extra judicialiter, ſo kan es auch judicialiter geſchehen. Man darff nicht dencken, daß ein Freund wird den proceſſ aufhalten; au contraire, er wird ſich bemuͤhen, daß er bald wieder von der Laſt los koͤmmt. Dieſe reformation wuͤrde ſehr nuͤtzlich ſeyn. Das andere iſt alles nichts. Wenn andere Leute wollen eine reformation anfangen, ſo muͤſſen ſie das jus perfect verſtehen, aber nicht darein verliebt ſeyn, ſonſt beſſern ſie nichts. Sie muͤſſen eine Ehr- lichkeit und Liebe zum bono politico haben. Man braucht in judiciis auch ſcribas, wenn der ſcriba ein fourbe, ſo kan derſelbe faſt mehr Scha- den thun, als die Advocaten, er kan nicht recht protocolliren. Es iſt hier mehr an einer Ehrlichkeit als peritia gelegen: denn es kan einer leicht ein protocoll, eine regiſtratur machen. Wie offt kommt es nicht, daß man alle præcautiones muß machen, wenn die acten verſchicket wer- den, damit keine Betruͤgerey vorgehet. Die Blaͤtter, ſo darinnen leer ſind, werden durch geſtrichen, damit nichts kan darauf geſchrieben wer- den. C c

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/221>, abgerufen am 25.11.2024.