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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa poenas & praemia.

§. 3. Bisweilen läßt utilitas reipublicae nicht zu, ut punias, wieCautelen, wenn
die Straffen
ohne Gefahr
nicht exequiret
werden kön-
nen.

wenn ein tumult, seditio, du bist impar viribus? Als Carolus V. erfuhr,
daß in Neapolis ein Aufruhr entstanden, so gieng er zwar nach Neapo-
lis, und sahe an, was passiret. Als er nun gesehen, daß das Volck ei-
niger massen raison gehabt, einen solchen Lerm anzufangen, so hat er die-
jenigen belohnet, welche revoltiret, und die andern, so es mit ihnen ge-
halten, tristi vulti aspexit. Das war eine grosse politic, denn er sahe,
daß er mit Gewalt nichts würde ausrichten, weil er keine Trouppen bey
sich hatte. Nach und nach kan man solche Leute doch schon capistriren,
sie pecciren wohl einmahl wieder, da kan man sie loß werden, deßwegen
darff man sie doch nicht unschuldig straffen. Wenn einer sagt: fiat ju-
stitia, pereat mundus,
das ist enthusiastisch, quid enim si pereat? So
hast du ja kein Volck. Was ist aber ein princeps ohne Volck? Ein
princeps muß regieren, wie ein guter Capitain, der commandiret mit ei-
nem fang froid, welcher mitten unter denen fluctibus fortseegelt. Deß-
wegen giebt man bisweilen general-pardon, nicht, als wenn man es
approbirte, sondern weil es jetzo sich nicht schicket, daß man sie strafft,
offt kan man also poenam nicht sine majori malo exequiren, tunc inuti-
lis est poena
. Da muß man sich keinen fumum in Kopff setzen, es sey
gleichwohl unrecht, wenn man die Leute nicht straffen wollte, GOTT
würde schon beystehen. Allein unser HErr GOtt regieret nicht imme-
diate,
sondern mediate, also muß man auch die Mittel nicht negligiren.
Furchtsam darff einer freylich nicht seyn, wenn er force hat, da kan er
wohl straffen. Es ist auch ferner zu mercken, daß, wenn manchmahl
vornehme Leute impliciret sind, man wohl thut, wenn sie heimlich abge-
than werden. Philippus II. hat absurd gehandelt, daß er den Graf Egmond
und Horn die Köpffe abschlagen ließ, da wurde das Volck böse. Hätte
er wollen was kluges thun, so hätte er sollen die Grafen sub specie ho-
noris
aus denen Niederlanden wegschaffen. Dem Hertzog von Braganza,
welcher auch König in Portugall worden, wurde das commando in Ca-
talonien, nebst andern schönen conditionibus offeriret, damit man ihn
aus Portugall wegbringen wollte; aber er merckte, warum sie es haben
wollten, und that es nicht, sonst aber wäre der Anschlag sehr gut gewe-
sen. Ich muß auch sehen, ob ich alles per poenas kan rectificiren: denn
bisweilen ist ein malum inveteratum. Wie nun dieses nicht auf ein-
mahl kommen, sondern pedetentim, so würde einer absurd handeln, der
es auf einmahl abschaffen wollte. Er würde eben so absurd handeln,
als wie derjenige, so gesehen, daß der Wein nach und nach in das Faß
hinein gefüllet worden, und er wollte haben, daß er auf einmahl wieder

heraus
ſtatus circa pœnas & præmia.

§. 3. Bisweilen laͤßt utilitas reipublicæ nicht zu, ut punias, wieCautelen, weñ
die Straffen
ohne Gefahr
nicht exequiret
werden koͤn-
nen.

wenn ein tumult, ſeditio, du biſt impar viribus? Als Carolus V. erfuhr,
daß in Neapolis ein Aufruhr entſtanden, ſo gieng er zwar nach Neapo-
lis, und ſahe an, was pasſiret. Als er nun geſehen, daß das Volck ei-
niger maſſen raiſon gehabt, einen ſolchen Lerm anzufangen, ſo hat er die-
jenigen belohnet, welche revoltiret, und die andern, ſo es mit ihnen ge-
halten, triſti vulti aſpexit. Das war eine groſſe politic, denn er ſahe,
daß er mit Gewalt nichts wuͤrde ausrichten, weil er keine Trouppen bey
ſich hatte. Nach und nach kan man ſolche Leute doch ſchon capiſtriren,
ſie pecciren wohl einmahl wieder, da kan man ſie loß werden, deßwegen
darff man ſie doch nicht unſchuldig ſtraffen. Wenn einer ſagt: fiat ju-
ſtitia, pereat mundus,
das iſt enthuſiaſtiſch, quid enim ſi pereat? So
haſt du ja kein Volck. Was iſt aber ein princeps ohne Volck? Ein
princeps muß regieren, wie ein guter Capitain, der commandiret mit ei-
nem fang froid, welcher mitten unter denen fluctibus fortſeegelt. Deß-
wegen giebt man bisweilen general-pardon, nicht, als wenn man es
approbirte, ſondern weil es jetzo ſich nicht ſchicket, daß man ſie ſtrafft,
offt kan man alſo pœnam nicht ſine majori malo exequiren, tunc inuti-
lis eſt pœna
. Da muß man ſich keinen fumum in Kopff ſetzen, es ſey
gleichwohl unrecht, wenn man die Leute nicht ſtraffen wollte, GOTT
wuͤrde ſchon beyſtehen. Allein unſer HErr GOtt regieret nicht imme-
diate,
ſondern mediate, alſo muß man auch die Mittel nicht negligiren.
Furchtſam darff einer freylich nicht ſeyn, wenn er force hat, da kan er
wohl ſtraffen. Es iſt auch ferner zu mercken, daß, wenn manchmahl
vornehme Leute impliciret ſind, man wohl thut, wenn ſie heimlich abge-
than werden. Philippus II. hat abſurd gehandelt, daß er den Graf Egmond
und Horn die Koͤpffe abſchlagen ließ, da wurde das Volck boͤſe. Haͤtte
er wollen was kluges thun, ſo haͤtte er ſollen die Grafen ſub ſpecie ho-
noris
aus denen Niederlanden wegſchaffen. Dem Hertzog von Braganza,
welcher auch Koͤnig in Portugall worden, wurde das commando in Ca-
talonien, nebſt andern ſchoͤnen conditionibus offeriret, damit man ihn
aus Portugall wegbringen wollte; aber er merckte, warum ſie es haben
wollten, und that es nicht, ſonſt aber waͤre der Anſchlag ſehr gut gewe-
ſen. Ich muß auch ſehen, ob ich alles per pœnas kan rectificiren: denn
bisweilen iſt ein malum inveteratum. Wie nun dieſes nicht auf ein-
mahl kommen, ſondern pedetentim, ſo wuͤrde einer abſurd handeln, der
es auf einmahl abſchaffen wollte. Er wuͤrde eben ſo abſurd handeln,
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[207/0227] ſtatus circa pœnas & præmia. §. 3. Bisweilen laͤßt utilitas reipublicæ nicht zu, ut punias, wie wenn ein tumult, ſeditio, du biſt impar viribus? Als Carolus V. erfuhr, daß in Neapolis ein Aufruhr entſtanden, ſo gieng er zwar nach Neapo- lis, und ſahe an, was pasſiret. Als er nun geſehen, daß das Volck ei- niger maſſen raiſon gehabt, einen ſolchen Lerm anzufangen, ſo hat er die- jenigen belohnet, welche revoltiret, und die andern, ſo es mit ihnen ge- halten, triſti vulti aſpexit. Das war eine groſſe politic, denn er ſahe, daß er mit Gewalt nichts wuͤrde ausrichten, weil er keine Trouppen bey ſich hatte. Nach und nach kan man ſolche Leute doch ſchon capiſtriren, ſie pecciren wohl einmahl wieder, da kan man ſie loß werden, deßwegen darff man ſie doch nicht unſchuldig ſtraffen. Wenn einer ſagt: fiat ju- ſtitia, pereat mundus, das iſt enthuſiaſtiſch, quid enim ſi pereat? So haſt du ja kein Volck. Was iſt aber ein princeps ohne Volck? Ein princeps muß regieren, wie ein guter Capitain, der commandiret mit ei- nem fang froid, welcher mitten unter denen fluctibus fortſeegelt. Deß- wegen giebt man bisweilen general-pardon, nicht, als wenn man es approbirte, ſondern weil es jetzo ſich nicht ſchicket, daß man ſie ſtrafft, offt kan man alſo pœnam nicht ſine majori malo exequiren, tunc inuti- lis eſt pœna. Da muß man ſich keinen fumum in Kopff ſetzen, es ſey gleichwohl unrecht, wenn man die Leute nicht ſtraffen wollte, GOTT wuͤrde ſchon beyſtehen. Allein unſer HErr GOtt regieret nicht imme- diate, ſondern mediate, alſo muß man auch die Mittel nicht negligiren. Furchtſam darff einer freylich nicht ſeyn, wenn er force hat, da kan er wohl ſtraffen. Es iſt auch ferner zu mercken, daß, wenn manchmahl vornehme Leute impliciret ſind, man wohl thut, wenn ſie heimlich abge- than werden. Philippus II. hat abſurd gehandelt, daß er den Graf Egmond und Horn die Koͤpffe abſchlagen ließ, da wurde das Volck boͤſe. Haͤtte er wollen was kluges thun, ſo haͤtte er ſollen die Grafen ſub ſpecie ho- noris aus denen Niederlanden wegſchaffen. Dem Hertzog von Braganza, welcher auch Koͤnig in Portugall worden, wurde das commando in Ca- talonien, nebſt andern ſchoͤnen conditionibus offeriret, damit man ihn aus Portugall wegbringen wollte; aber er merckte, warum ſie es haben wollten, und that es nicht, ſonſt aber waͤre der Anſchlag ſehr gut gewe- ſen. Ich muß auch ſehen, ob ich alles per pœnas kan rectificiren: denn bisweilen iſt ein malum inveteratum. Wie nun dieſes nicht auf ein- mahl kommen, ſondern pedetentim, ſo wuͤrde einer abſurd handeln, der es auf einmahl abſchaffen wollte. Er wuͤrde eben ſo abſurd handeln, als wie derjenige, ſo geſehen, daß der Wein nach und nach in das Faß hinein gefuͤllet worden, und er wollte haben, daß er auf einmahl wieder heraus Cautelen, weñ die Straffen ohne Gefahr nicht exequiret werden koͤn- nen.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/227>, abgerufen am 26.11.2024.