Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia heraus lauffen sollte, da muß er dem Fasse den Boden ausschlagen, als-denn ist es kein Faß mehr. Der luxus und die Hurerey sind ein grosser Verfall, und geben der Republic eine affreuse Gestalt, die Leute werden luxuriosi, in belles, negligiren ihre officia, aber der princeps würde ver- rathen seyn, wenn er auf einmahl allen luxum und Hurerey abschaffen wollte. Der König Christianus III. in Dännemarck wollte in Coppen- hagen die grossen Hosen mit denen vielen Falten, wozu man so viel ge- braucht, als heut zu Tage zu einem gantzen Kleide, abschaffen, die Leu- te wollten sich nicht dazu bequemen, deßwegen ließ er denen Leuten par force die Hosen abreissen, wodurch aber ein tumult entstund, und er sei- nes Lebens nicht sicher war, und viele Menschen todt geschlagen worden. Hätte er vor sich eine mode angefangen, so würden ihm bald andere nachgefolget seyn, und würde es keine solche Verdrießlichkeit gegeben ha- ben. Ein Exempel von dem Hexen-proceß zu geben, fingam, als wenn alles wahr, was von denen Hexen gesagt wird, fingam, es sey was ge- schehen durch Hexerey, quaer. Ob sich ein Herr dadurch solle zum He- xen-proceß verleiten lassen? Respond. Es ist am besten, er strafft die Leute, quia damnum fecere, um das andere aber, ob es würcklich Hexe- rey sey, braucht er sich nicht zu bekümmern: Denn es wird ein proble- ma bleiben, so lange die Welt stehet, ob würckliche Hexerey sey. So offt man es hat wollen untersuchen, so haben sie auf andere bekennet, daß man nicht können zu Ende kommen, und hat man endlich solche pro- cesse müssen cassiren. Dissimulare heist hier so viel, daß man thut, als wenn man nichts wüste. Wir finden bey dem Joab, welcher den Ab- ner umgebracht, daß David ihn gerne gestrafft, aber er konnte es nicht thun, befahl aber doch dem Salomo, daß er ihn nicht sollte lassen mit seinen grauen Haaren in die Grube fahren. Man darff auch nicht dencken, daß ein scandalum in solchen Fall gegeben würde: Denn das heist scandalum, wenn die Leute dencken, es sey ein lex vorhanden, & princeps impune tulit, daß einer den legem übertritt. Hobbesius hat einen schönen concept de scandalo gegeben. Hieraus kan man sehen, wie wunderlich diejenigen sind, welche meynen, man dürffe nicht dissimuliren. Unser Autor aber, ob er gleich ein Theologus, meynet doch, daß man kön- ne dissimuliren. Wir haben viel Feinde um uns, da muß man dissimu- liren, hergegen sind wir unter guten Freunden, so haben wir es nicht nöthig. Zevecotius in Observationibus Politicis ad Florum, hat artige remarquen, was heisse tempestive punire, er zeiget, daß man es viel schlim- mer mache, wenn man das tempo nicht in acht nehme. Man hat mit Leuten zu thun, welche nach ihren natürlichen Begierden leben, daher muß man
Cap. V. De prudentia heraus lauffen ſollte, da muß er dem Faſſe den Boden ausſchlagen, als-denn iſt es kein Faß mehr. Der luxus und die Hurerey ſind ein groſſer Verfall, und geben der Republic eine affreuſe Geſtalt, die Leute werden luxurioſi, in belles, negligiren ihre officia, aber der princeps wuͤrde ver- rathen ſeyn, wenn er auf einmahl allen luxum und Hurerey abſchaffen wollte. Der Koͤnig Chriſtianus III. in Daͤnnemarck wollte in Coppen- hagen die groſſen Hoſen mit denen vielen Falten, wozu man ſo viel ge- braucht, als heut zu Tage zu einem gantzen Kleide, abſchaffen, die Leu- te wollten ſich nicht dazu bequemen, deßwegen ließ er denen Leuten par force die Hoſen abreiſſen, wodurch aber ein tumult entſtund, und er ſei- nes Lebens nicht ſicher war, und viele Menſchen todt geſchlagen worden. Haͤtte er vor ſich eine mode angefangen, ſo wuͤrden ihm bald andere nachgefolget ſeyn, und wuͤrde es keine ſolche Verdrießlichkeit gegeben ha- ben. Ein Exempel von dem Hexen-proceß zu geben, fingam, als wenn alles wahr, was von denen Hexen geſagt wird, fingam, es ſey was ge- ſchehen durch Hexerey, quær. Ob ſich ein Herr dadurch ſolle zum He- xen-proceß verleiten laſſen? Reſpond. Es iſt am beſten, er ſtrafft die Leute, quia damnum fecere, um das andere aber, ob es wuͤrcklich Hexe- rey ſey, braucht er ſich nicht zu bekuͤmmern: Denn es wird ein proble- ma bleiben, ſo lange die Welt ſtehet, ob wuͤrckliche Hexerey ſey. So offt man es hat wollen unterſuchen, ſo haben ſie auf andere bekennet, daß man nicht koͤnnen zu Ende kommen, und hat man endlich ſolche pro- ceſſe muͤſſen casſiren. Disſimulare heiſt hier ſo viel, daß man thut, als wenn man nichts wuͤſte. Wir finden bey dem Joab, welcher den Ab- ner umgebracht, daß David ihn gerne geſtrafft, aber er konnte es nicht thun, befahl aber doch dem Salomo, daß er ihn nicht ſollte laſſen mit ſeinen grauen Haaren in die Grube fahren. Man darff auch nicht dencken, daß ein ſcandalum in ſolchen Fall gegeben wuͤrde: Denn das heiſt ſcandalum, wenn die Leute dencken, es ſey ein lex vorhanden, & princeps impune tulit, daß einer den legem uͤbertritt. Hobbeſius hat einen ſchoͤnen concept de ſcandalo gegeben. Hieraus kan man ſehen, wie wunderlich diejenigen ſind, welche meynen, man duͤrffe nicht disſimuliren. Unſer Autor aber, ob er gleich ein Theologus, meynet doch, daß man koͤn- ne disſimuliren. Wir haben viel Feinde um uns, da muß man disſimu- liren, hergegen ſind wir unter guten Freunden, ſo haben wir es nicht noͤthig. Zevecotius in Obſervationibus Politicis ad Florum, hat artige remarquen, was heiſſe tempeſtive punire, er zeiget, daß man es viel ſchlim- mer mache, wenn man das tempo nicht in acht nehme. Man hat mit Leuten zu thun, welche nach ihren natuͤrlichen Begierden leben, daher muß man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0228" n="208"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> heraus lauffen ſollte, da muß er dem Faſſe den Boden ausſchlagen, als-<lb/> denn iſt es kein Faß mehr. Der <hi rendition="#aq">luxus</hi> und die Hurerey ſind ein groſſer<lb/> Verfall, und geben der Republic eine <hi rendition="#aq">affreuſe</hi> Geſtalt, die Leute werden<lb/><hi rendition="#aq">luxurioſi, in belles, negligi</hi>ren ihre <hi rendition="#aq">officia,</hi> aber der <hi rendition="#aq">princeps</hi> wuͤrde ver-<lb/> rathen ſeyn, wenn er auf einmahl allen <hi rendition="#aq">luxum</hi> und Hurerey abſchaffen<lb/> wollte. Der Koͤnig <hi rendition="#aq">Chriſtianus III.</hi> in Daͤnnemarck wollte in Coppen-<lb/> hagen die groſſen Hoſen mit denen vielen Falten, wozu man ſo viel ge-<lb/> braucht, als heut zu Tage zu einem gantzen Kleide, abſchaffen, die Leu-<lb/> te wollten ſich nicht dazu bequemen, deßwegen ließ er denen Leuten <hi rendition="#aq">par<lb/> force</hi> die Hoſen abreiſſen, wodurch aber ein <hi rendition="#aq">tumult</hi> entſtund, und er ſei-<lb/> nes Lebens nicht ſicher war, und viele Menſchen todt geſchlagen worden.<lb/> Haͤtte er vor ſich eine <hi rendition="#aq">mode</hi> angefangen, ſo wuͤrden ihm bald andere<lb/> nachgefolget ſeyn, und wuͤrde es keine ſolche Verdrießlichkeit gegeben ha-<lb/> ben. Ein Exempel von dem Hexen-<hi rendition="#aq">proceß</hi> zu geben, <hi rendition="#aq">fingam,</hi> als wenn<lb/> alles wahr, was von denen Hexen geſagt wird, <hi rendition="#aq">fingam,</hi> es ſey was ge-<lb/> ſchehen durch Hexerey, <hi rendition="#aq">quær</hi>. Ob ſich ein Herr dadurch ſolle zum He-<lb/> xen-<hi rendition="#aq">proceß</hi> verleiten laſſen? <hi rendition="#aq">Reſpond</hi>. Es iſt am beſten, er ſtrafft die<lb/> Leute, <hi rendition="#aq">quia damnum fecere,</hi> um das andere aber, ob es wuͤrcklich Hexe-<lb/> rey ſey, braucht er ſich nicht zu bekuͤmmern: Denn es wird ein <hi rendition="#aq">proble-<lb/> ma</hi> bleiben, ſo lange die Welt ſtehet, ob wuͤrckliche Hexerey ſey. So<lb/> offt man es hat wollen unterſuchen, ſo haben ſie auf andere bekennet,<lb/> daß man nicht koͤnnen zu Ende kommen, und hat man endlich ſolche <hi rendition="#aq">pro-<lb/> ceſſe</hi> muͤſſen <hi rendition="#aq">casſi</hi>ren. <hi rendition="#aq">Disſimulare</hi> heiſt hier ſo viel, daß man thut, als<lb/> wenn man nichts wuͤſte. Wir finden bey dem Joab, welcher den Ab-<lb/> ner umgebracht, daß David ihn gerne geſtrafft, aber er konnte es nicht<lb/> thun, befahl aber doch dem Salomo, daß er ihn nicht ſollte laſſen mit<lb/> ſeinen grauen Haaren in die Grube fahren. Man darff auch nicht<lb/> dencken, daß ein <hi rendition="#aq">ſcandalum</hi> in ſolchen Fall gegeben wuͤrde: Denn das<lb/> heiſt <hi rendition="#aq">ſcandalum,</hi> wenn die Leute dencken, es ſey ein <hi rendition="#aq">lex</hi> vorhanden, <hi rendition="#aq">&<lb/> princeps impune tulit,</hi> daß einer den <hi rendition="#aq">legem</hi> uͤbertritt. <hi rendition="#aq">Hobbeſius</hi> hat einen<lb/> ſchoͤnen <hi rendition="#aq">concept de ſcandalo</hi> gegeben. Hieraus kan man ſehen, wie<lb/> wunderlich diejenigen ſind, welche meynen, man duͤrffe nicht <hi rendition="#aq">disſimuli</hi>ren.<lb/> Unſer <hi rendition="#aq">Autor</hi> aber, ob er gleich ein <hi rendition="#aq">Theologus,</hi> meynet doch, daß man koͤn-<lb/> ne <hi rendition="#aq">disſimuli</hi>ren. Wir haben viel Feinde um uns, da muß man <hi rendition="#aq">disſimu-<lb/> li</hi>ren, hergegen ſind wir unter guten Freunden, ſo haben wir es nicht<lb/> noͤthig. <hi rendition="#aq">Zevecotius in Obſervationibus Politicis ad Florum,</hi> hat artige<lb/><hi rendition="#aq">remarqu</hi>en, was heiſſe <hi rendition="#aq">tempeſtive punire,</hi> er zeiget, daß man es viel ſchlim-<lb/> mer mache, wenn man das <hi rendition="#aq">tempo</hi> nicht in acht nehme. Man hat mit<lb/> Leuten zu thun, welche nach ihren natuͤrlichen Begierden leben, daher muß<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0228]
Cap. V. De prudentia
heraus lauffen ſollte, da muß er dem Faſſe den Boden ausſchlagen, als-
denn iſt es kein Faß mehr. Der luxus und die Hurerey ſind ein groſſer
Verfall, und geben der Republic eine affreuſe Geſtalt, die Leute werden
luxurioſi, in belles, negligiren ihre officia, aber der princeps wuͤrde ver-
rathen ſeyn, wenn er auf einmahl allen luxum und Hurerey abſchaffen
wollte. Der Koͤnig Chriſtianus III. in Daͤnnemarck wollte in Coppen-
hagen die groſſen Hoſen mit denen vielen Falten, wozu man ſo viel ge-
braucht, als heut zu Tage zu einem gantzen Kleide, abſchaffen, die Leu-
te wollten ſich nicht dazu bequemen, deßwegen ließ er denen Leuten par
force die Hoſen abreiſſen, wodurch aber ein tumult entſtund, und er ſei-
nes Lebens nicht ſicher war, und viele Menſchen todt geſchlagen worden.
Haͤtte er vor ſich eine mode angefangen, ſo wuͤrden ihm bald andere
nachgefolget ſeyn, und wuͤrde es keine ſolche Verdrießlichkeit gegeben ha-
ben. Ein Exempel von dem Hexen-proceß zu geben, fingam, als wenn
alles wahr, was von denen Hexen geſagt wird, fingam, es ſey was ge-
ſchehen durch Hexerey, quær. Ob ſich ein Herr dadurch ſolle zum He-
xen-proceß verleiten laſſen? Reſpond. Es iſt am beſten, er ſtrafft die
Leute, quia damnum fecere, um das andere aber, ob es wuͤrcklich Hexe-
rey ſey, braucht er ſich nicht zu bekuͤmmern: Denn es wird ein proble-
ma bleiben, ſo lange die Welt ſtehet, ob wuͤrckliche Hexerey ſey. So
offt man es hat wollen unterſuchen, ſo haben ſie auf andere bekennet,
daß man nicht koͤnnen zu Ende kommen, und hat man endlich ſolche pro-
ceſſe muͤſſen casſiren. Disſimulare heiſt hier ſo viel, daß man thut, als
wenn man nichts wuͤſte. Wir finden bey dem Joab, welcher den Ab-
ner umgebracht, daß David ihn gerne geſtrafft, aber er konnte es nicht
thun, befahl aber doch dem Salomo, daß er ihn nicht ſollte laſſen mit
ſeinen grauen Haaren in die Grube fahren. Man darff auch nicht
dencken, daß ein ſcandalum in ſolchen Fall gegeben wuͤrde: Denn das
heiſt ſcandalum, wenn die Leute dencken, es ſey ein lex vorhanden, &
princeps impune tulit, daß einer den legem uͤbertritt. Hobbeſius hat einen
ſchoͤnen concept de ſcandalo gegeben. Hieraus kan man ſehen, wie
wunderlich diejenigen ſind, welche meynen, man duͤrffe nicht disſimuliren.
Unſer Autor aber, ob er gleich ein Theologus, meynet doch, daß man koͤn-
ne disſimuliren. Wir haben viel Feinde um uns, da muß man disſimu-
liren, hergegen ſind wir unter guten Freunden, ſo haben wir es nicht
noͤthig. Zevecotius in Obſervationibus Politicis ad Florum, hat artige
remarquen, was heiſſe tempeſtive punire, er zeiget, daß man es viel ſchlim-
mer mache, wenn man das tempo nicht in acht nehme. Man hat mit
Leuten zu thun, welche nach ihren natuͤrlichen Begierden leben, daher muß
man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |