Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.PROLEGOMENA. ctus nostri inceperunt tumultuari; ein jeder suchte nach seinenaffecten zu leben, so ist am besten gewesen, daß man das imperium eingeführet, damit nicht ein bellum omnium contra omnes ent- stehen möchte. Denn alsdenn ist keine Ordnung, kein metier, kein commercium, sondern barbaries, und wer die meiste force hat, unterdrucket die andern. Der Hecht verschlingt die kleinen pisculos. Also ist ein miserabler Zustand bey denen Menschen gewesen, da man kein imperium hatte. Wir wissen aber doch, daß kein imperium gewesen, und wie solches nachgehends entstan- den. Es ist bekannt, wie der Nimrod in Babel, woselbst das gan- tze Menschliche Geschlecht beysammen gewesen, procediret, wie er immer einen nach den andern unter sich gebracht, und daß endlich ein grosses regnum daraus entstanden. Weil wir aber das im- perium einmahl haben, so müssen wir auch wissen, es weißlich ein- zurichten: denn es ist wider der Menschen Natur, die Menschen wollen gerne ad naturalem libertatem, sie sind wie ein gespanne- ter Bogen, wenn man diesen hinstellet, und nach etlichen Tagen dar- nach siehet, so findet man, daß er sehr nachgelassen. Daher findet man auch, wenn gleich anfangs ein Regiment gut angeleget, man siehet aber nach etlichen Jahren wieder darnach, so ist hier eine con- fusio, dort eine. Es ist wie mit der Religion, wenn man gleich Leute findet, welche sehr fromm leben, so wird man doch nach etli- chen Jahren sehen, daß die compagnie sehr corrumpirt, denn die Menschen kommen immer wieder ad naturalem instinctum, sie fallen immer auf das, was ihnen schädlich ist. Gleichwie die Kin- der immer nach dem Licht oder Messer greiffen, und man sie schla- gen muß, wenn sie sollen davon ablassen; also muß man auch die Menschen zwingen, wenn sie sollen von etwas ablassen: doch muß es mit Verstand geschehen, sonst machen sie es wie die wilden Pfer- de, welche den Kopf zwischen die Beine nehmen, und den Reuther herunter werffen. Aristoteles * stellet eine artige comparaison an, und fraget, warum die Menschen nicht so wären, wie die Amei- sen, * Uber dessen Politic Michael Piccartus, Professor in Altorff treffliche Noten geschrie-
ben, und solche mit exemplis hodiernis aus der Historie illustriret. PROLEGOMENA. ctus noſtri inceperunt tumultuari; ein jeder ſuchte nach ſeinenaffecten zu leben, ſo iſt am beſten geweſen, daß man das imperium eingefuͤhret, damit nicht ein bellum omnium contra omnes ent- ſtehen moͤchte. Denn alsdenn iſt keine Ordnung, kein metier, kein commercium, ſondern barbaries, und wer die meiſte force hat, unterdrucket die andern. Der Hecht verſchlingt die kleinen piſculos. Alſo iſt ein miſerabler Zuſtand bey denen Menſchen geweſen, da man kein imperium hatte. Wir wiſſen aber doch, daß kein imperium geweſen, und wie ſolches nachgehends entſtan- den. Es iſt bekannt, wie der Nimrod in Babel, woſelbſt das gan- tze Menſchliche Geſchlecht beyſammen geweſen, procediret, wie er immer einen nach den andern unter ſich gebracht, und daß endlich ein groſſes regnum daraus entſtanden. Weil wir aber das im- perium einmahl haben, ſo muͤſſen wir auch wiſſen, es weißlich ein- zurichten: denn es iſt wider der Menſchen Natur, die Menſchen wollen gerne ad naturalem libertatem, ſie ſind wie ein geſpanne- ter Bogen, wenn man dieſen hinſtellet, und nach etlichen Tagen dar- nach ſiehet, ſo findet man, daß er ſehr nachgelaſſen. Daher findet man auch, wenn gleich anfangs ein Regiment gut angeleget, man ſiehet aber nach etlichen Jahren wieder darnach, ſo iſt hier eine con- fuſio, dort eine. Es iſt wie mit der Religion, wenn man gleich Leute findet, welche ſehr fromm leben, ſo wird man doch nach etli- chen Jahren ſehen, daß die compagnie ſehr corrumpirt, denn die Menſchen kommen immer wieder ad naturalem inſtinctum, ſie fallen immer auf das, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Gleichwie die Kin- der immer nach dem Licht oder Meſſer greiffen, und man ſie ſchla- gen muß, wenn ſie ſollen davon ablaſſen; alſo muß man auch die Menſchen zwingen, wenn ſie ſollen von etwas ablaſſen: doch muß es mit Verſtand geſchehen, ſonſt machen ſie es wie die wilden Pfer- de, welche den Kopf zwiſchen die Beine nehmen, und den Reuther herunter werffen. Ariſtoteles * ſtellet eine artige comparaiſon an, und fraget, warum die Menſchen nicht ſo waͤren, wie die Amei- ſen, * Uber deſſen Politic Michael Piccartus, Profeſſor in Altorff treffliche Noten geſchrie-
ben, und ſolche mit exemplis hodiernis aus der Hiſtorie illuſtriret. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">PROLEGOMENA.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">ctus noſtri inceperunt tumultuari;</hi> ein jeder ſuchte nach ſeinen<lb/><hi rendition="#aq">affect</hi>en zu leben, ſo iſt am beſten geweſen, daß man das <hi rendition="#aq">imperium</hi><lb/> eingefuͤhret, damit nicht ein <hi rendition="#aq">bellum omnium contra omnes</hi> ent-<lb/> ſtehen moͤchte. Denn alsdenn iſt keine Ordnung, kein <hi rendition="#aq">metier,</hi><lb/> kein <hi rendition="#aq">commercium,</hi> ſondern <hi rendition="#aq">barbaries,</hi> und wer die meiſte <hi rendition="#aq">force</hi><lb/> hat, unterdrucket die andern. Der Hecht verſchlingt die kleinen<lb/><hi rendition="#aq">piſculos.</hi> Alſo iſt ein <hi rendition="#aq">miſerabler</hi> Zuſtand bey denen Menſchen<lb/> geweſen, da man kein <hi rendition="#aq">imperium</hi> hatte. Wir wiſſen aber doch,<lb/> daß kein <hi rendition="#aq">imperium</hi> geweſen, und wie ſolches nachgehends entſtan-<lb/> den. Es iſt bekannt, wie der <hi rendition="#aq">Nimrod</hi> in Babel, woſelbſt das gan-<lb/> tze Menſchliche Geſchlecht beyſammen geweſen, <hi rendition="#aq">procedi</hi>ret, wie er<lb/> immer einen nach den andern unter ſich gebracht, und daß endlich<lb/> ein groſſes <hi rendition="#aq">regnum</hi> daraus entſtanden. Weil wir aber das <hi rendition="#aq">im-<lb/> perium</hi> einmahl haben, ſo muͤſſen wir auch wiſſen, es weißlich ein-<lb/> zurichten: denn es iſt wider der Menſchen Natur, die Menſchen<lb/> wollen gerne <hi rendition="#aq">ad naturalem libertatem,</hi> ſie ſind wie ein geſpanne-<lb/> ter Bogen, wenn man dieſen hinſtellet, und nach etlichen Tagen dar-<lb/> nach ſiehet, ſo findet man, daß er ſehr nachgelaſſen. Daher findet<lb/> man auch, wenn gleich anfangs ein Regiment gut angeleget, man<lb/> ſiehet aber nach etlichen Jahren wieder darnach, ſo iſt hier eine <hi rendition="#aq">con-<lb/> fuſio,</hi> dort eine. Es iſt wie mit der Religion, wenn man gleich<lb/> Leute findet, welche ſehr fromm leben, ſo wird man doch nach etli-<lb/> chen Jahren ſehen, daß die <hi rendition="#aq">compagnie</hi> ſehr <hi rendition="#aq">corrumpi</hi>rt, denn die<lb/> Menſchen kommen immer wieder <hi rendition="#aq">ad naturalem inſtinctum,</hi> ſie<lb/> fallen immer auf das, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Gleichwie die Kin-<lb/> der immer nach dem Licht oder Meſſer greiffen, und man ſie ſchla-<lb/> gen muß, wenn ſie ſollen davon ablaſſen; alſo muß man auch die<lb/> Menſchen zwingen, wenn ſie ſollen von etwas ablaſſen: doch muß<lb/> es mit Verſtand geſchehen, ſonſt machen ſie es wie die wilden Pfer-<lb/> de, welche den Kopf zwiſchen die Beine nehmen, und den Reuther<lb/> herunter werffen. <hi rendition="#aq">Ariſtoteles</hi> <note place="foot" n="*">Uber deſſen <hi rendition="#aq">Politic Michael Piccartus, Profeſſor</hi> in Altorff treffliche Noten geſchrie-<lb/><hi rendition="#et">ben, und ſolche mit <hi rendition="#aq">exemplis hodiernis</hi> aus der Hiſtorie <hi rendition="#aq">illuſtri</hi>ret.</hi></note> ſtellet eine artige <hi rendition="#aq">comparaiſon</hi><lb/> an, und fraget, warum die Menſchen nicht ſo waͤren, wie die Amei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſen,</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [8/0028]
PROLEGOMENA.
ctus noſtri inceperunt tumultuari; ein jeder ſuchte nach ſeinen
affecten zu leben, ſo iſt am beſten geweſen, daß man das imperium
eingefuͤhret, damit nicht ein bellum omnium contra omnes ent-
ſtehen moͤchte. Denn alsdenn iſt keine Ordnung, kein metier,
kein commercium, ſondern barbaries, und wer die meiſte force
hat, unterdrucket die andern. Der Hecht verſchlingt die kleinen
piſculos. Alſo iſt ein miſerabler Zuſtand bey denen Menſchen
geweſen, da man kein imperium hatte. Wir wiſſen aber doch,
daß kein imperium geweſen, und wie ſolches nachgehends entſtan-
den. Es iſt bekannt, wie der Nimrod in Babel, woſelbſt das gan-
tze Menſchliche Geſchlecht beyſammen geweſen, procediret, wie er
immer einen nach den andern unter ſich gebracht, und daß endlich
ein groſſes regnum daraus entſtanden. Weil wir aber das im-
perium einmahl haben, ſo muͤſſen wir auch wiſſen, es weißlich ein-
zurichten: denn es iſt wider der Menſchen Natur, die Menſchen
wollen gerne ad naturalem libertatem, ſie ſind wie ein geſpanne-
ter Bogen, wenn man dieſen hinſtellet, und nach etlichen Tagen dar-
nach ſiehet, ſo findet man, daß er ſehr nachgelaſſen. Daher findet
man auch, wenn gleich anfangs ein Regiment gut angeleget, man
ſiehet aber nach etlichen Jahren wieder darnach, ſo iſt hier eine con-
fuſio, dort eine. Es iſt wie mit der Religion, wenn man gleich
Leute findet, welche ſehr fromm leben, ſo wird man doch nach etli-
chen Jahren ſehen, daß die compagnie ſehr corrumpirt, denn die
Menſchen kommen immer wieder ad naturalem inſtinctum, ſie
fallen immer auf das, was ihnen ſchaͤdlich iſt. Gleichwie die Kin-
der immer nach dem Licht oder Meſſer greiffen, und man ſie ſchla-
gen muß, wenn ſie ſollen davon ablaſſen; alſo muß man auch die
Menſchen zwingen, wenn ſie ſollen von etwas ablaſſen: doch muß
es mit Verſtand geſchehen, ſonſt machen ſie es wie die wilden Pfer-
de, welche den Kopf zwiſchen die Beine nehmen, und den Reuther
herunter werffen. Ariſtoteles * ſtellet eine artige comparaiſon
an, und fraget, warum die Menſchen nicht ſo waͤren, wie die Amei-
ſen,
* Uber deſſen Politic Michael Piccartus, Profeſſor in Altorff treffliche Noten geſchrie-
ben, und ſolche mit exemplis hodiernis aus der Hiſtorie illuſtriret.
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