Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia deyhen lassen. Diejenigen handeln absurd, welche die Kauffleute verun-ehren. Einen Kauffmann halte ich höher, als viertzig bis funffzig extra- Räthe, Bier-Räthe etc. Diese müssen alle ex publico ernähret werden; Hergegen ein Kauffmann ernähret sich selbst, und so viele andere Leute daneben. Man siehet ja, was in Engeland und Holland vor eine Men- ge Leute von der Kauffmannschafft ernähret werden. Davenat hat aus- gerechnet, daß seit dem Bürgerlichen Kriege, seit dem Cromwell todt, über drey hundert tausend Menschen in Londen vermehret worden. Wenn man in commercirenden Städten die Kauffleute erhöhet, so bleiben sie Kauffleute, da hergegen, wenn man sie verachtet, suchen sie grösser zu werden, als wie die Bauer-Jungen alle wollen studiren, und nicht Bau- ren bleiben; Man muß sie nicht allein lassen participiren in judiciis, son- dern auch sonst ad dignitates lassen, und wo eine Aristocratie ist, da die Kauffleute ausgeschlossen sind, wie in Venedig, da distinguirt man sie doch vom populo. In meinem Vaterlande, obgleich daselbst kein Kauff- mann in Rath kömmt, so habe ich doch einen gekennet, der gescheut war, diesen hat man allezeit dazu genommen, wenn deputations gewesen, und ihm viele Ehre wiederfahren lassen. Ein Kauffmann ist auch gerne mit einer mediocren dignität zufrieden. An vielen Orten hat man auch Leu- te gesetzet, welche sie im Schreiben und Rechnen instruiren müssen, und schreibet niemand schöner, als die Kauffleute. Waaren, so zum commer- cio erfordert werden. §. 7-16. Es ist nicht genug, daß man einheimische Waaren daraus
Cap. V. De prudentia deyhen laſſen. Diejenigen handeln abſurd, welche die Kauffleute verun-ehren. Einen Kauffmann halte ich hoͤher, als viertzig bis funffzig extra- Raͤthe, Bier-Raͤthe ꝛc. Dieſe muͤſſen alle ex publico ernaͤhret werden; Hergegen ein Kauffmann ernaͤhret ſich ſelbſt, und ſo viele andere Leute daneben. Man ſiehet ja, was in Engeland und Holland vor eine Men- ge Leute von der Kauffmannſchafft ernaͤhret werden. Davenat hat aus- gerechnet, daß ſeit dem Buͤrgerlichen Kriege, ſeit dem Cromwell todt, uͤber drey hundert tauſend Menſchen in Londen vermehret worden. Wenn man in commercirenden Staͤdten die Kauffleute erhoͤhet, ſo bleiben ſie Kauffleute, da hergegen, wenn man ſie verachtet, ſuchen ſie groͤſſer zu werden, als wie die Bauer-Jungen alle wollen ſtudiren, und nicht Bau- ren bleiben; Man muß ſie nicht allein laſſen participiren in judiciis, ſon- dern auch ſonſt ad dignitates laſſen, und wo eine Ariſtocratie iſt, da die Kauffleute ausgeſchloſſen ſind, wie in Venedig, da diſtinguirt man ſie doch vom populo. In meinem Vaterlande, obgleich daſelbſt kein Kauff- mann in Rath koͤmmt, ſo habe ich doch einen gekennet, der geſcheut war, dieſen hat man allezeit dazu genommen, wenn deputations geweſen, und ihm viele Ehre wiederfahren laſſen. Ein Kauffmann iſt auch gerne mit einer mediocren dignitaͤt zufrieden. An vielen Orten hat man auch Leu- te geſetzet, welche ſie im Schreiben und Rechnen inſtruiren muͤſſen, und ſchreibet niemand ſchoͤner, als die Kauffleute. Waaren, ſo zum commer- cio erfordert werden. §. 7-16. Es iſt nicht genug, daß man einheimiſche Waaren daraus
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0346" n="326"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> deyhen laſſen. Diejenigen handeln <hi rendition="#aq">abſurd,</hi> welche die Kauffleute verun-<lb/> ehren. Einen Kauffmann halte ich hoͤher, als viertzig bis funffzig <hi rendition="#aq">extra</hi>-<lb/> Raͤthe, Bier-Raͤthe ꝛc. Dieſe muͤſſen alle <hi rendition="#aq">ex publico</hi> ernaͤhret werden;<lb/> Hergegen ein Kauffmann ernaͤhret ſich ſelbſt, und ſo viele andere Leute<lb/> daneben. Man ſiehet ja, was in Engeland und Holland vor eine Men-<lb/> ge Leute von der Kauffmannſchafft ernaͤhret werden. <hi rendition="#aq">Davenat</hi> hat aus-<lb/> gerechnet, daß ſeit dem Buͤrgerlichen Kriege, ſeit dem <hi rendition="#aq">Cromwell</hi> todt,<lb/> uͤber drey hundert tauſend Menſchen in Londen vermehret worden. Wenn<lb/> man in <hi rendition="#aq">commerci</hi>renden Staͤdten die Kauffleute erhoͤhet, ſo bleiben ſie<lb/> Kauffleute, da hergegen, wenn man ſie verachtet, ſuchen ſie groͤſſer zu<lb/> werden, als wie die Bauer-Jungen alle wollen <hi rendition="#aq">ſtudi</hi>ren, und nicht Bau-<lb/> ren bleiben; Man muß ſie nicht allein laſſen <hi rendition="#aq">participi</hi>ren in <hi rendition="#aq">judiciis,</hi> ſon-<lb/> dern auch ſonſt <hi rendition="#aq">ad dignitates</hi> laſſen, und wo eine <hi rendition="#aq">Ariſtocratie</hi> iſt, da die<lb/> Kauffleute ausgeſchloſſen ſind, wie in Venedig, da <hi rendition="#aq">diſtingui</hi>rt man ſie<lb/> doch vom <hi rendition="#aq">populo.</hi> In meinem Vaterlande, obgleich daſelbſt kein Kauff-<lb/> mann in Rath koͤmmt, ſo habe ich doch einen gekennet, der geſcheut war,<lb/> dieſen hat man allezeit dazu genommen, wenn <hi rendition="#aq">deputations</hi> geweſen, und<lb/> ihm viele Ehre wiederfahren laſſen. Ein Kauffmann iſt auch gerne mit<lb/> einer <hi rendition="#aq">mediocr</hi>en <hi rendition="#aq">dignit</hi>aͤt zufrieden. An vielen Orten hat man auch Leu-<lb/> te geſetzet, welche ſie im Schreiben und Rechnen <hi rendition="#aq">inſtrui</hi>ren muͤſſen, und<lb/> ſchreibet niemand ſchoͤner, als die Kauffleute.</p><lb/> <note place="left">Von denen<lb/> Waaren, ſo<lb/> zum <hi rendition="#aq">commer-<lb/> cio</hi> erfordert<lb/> werden.</note> <p>§. 7-16. Es iſt nicht genug, daß man einheimiſche Waaren<lb/> hat, man muß auch fremde Waaren haben. Unſer <hi rendition="#aq">Autor</hi> ſagt, man<lb/> ſolle die beſten Waaren erwehlen, welches man aber nicht ſo genau <hi rendition="#aq">de-<lb/> termini</hi>ren kan. Denn, wenn man ſo <hi rendition="#aq">conſideri</hi>ret, was Holland in<lb/> die Hoͤhe gebracht, ſo iſt es nichts anders als der Fiſchfang, wovon ſich<lb/> ſo viele tauſend Leute ernehret. Denen Hollaͤndern koͤnnte man keinen<lb/> groͤſſern <hi rendition="#aq">tort</hi> thun, als wenn man ihnen den Herings-Fang naͤhme,<lb/> welcher ihnen uͤber acht Millionen Thaler eintraͤgt. Wenn die Teutſchen,<lb/> Franzoſen, Spanier ꝛc. ſagten, ſie wollten keine Heringe mehr von de-<lb/> nen Hollaͤndern nehmen, wuͤrden die Hollaͤnder groſſen Schaden haben.<lb/> Aus Teutſchland koͤmmt allein eine Million vor Heringe nach Holland;<lb/> An andern Orten, wo alles Catholiſch iſt, wird noch mehr verthan,<lb/> weil ſie etliche Tage in der Woche kein Fleiſch eſſen duͤrffen, und die<lb/> Heringe wohlfeil haben koͤnnen. Vor dieſem konnten ſie von Heringen<lb/> nicht viel <hi rendition="#aq">profiti</hi>ren, weil man ſie alle muſte friſch eſſen, ſeit dem man<lb/> aber dieſelben kan einpoͤckeln, iſt der <hi rendition="#aq">profit</hi> ſehr groß, weil ſie allenthal-<lb/> ben koͤnnen hingefuͤhret werden; Die Schweden verkauffen Steine,<lb/> welche nach Holland gebracht werden, da werden die ſchoͤnen Saͤulen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">daraus</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0346]
Cap. V. De prudentia
deyhen laſſen. Diejenigen handeln abſurd, welche die Kauffleute verun-
ehren. Einen Kauffmann halte ich hoͤher, als viertzig bis funffzig extra-
Raͤthe, Bier-Raͤthe ꝛc. Dieſe muͤſſen alle ex publico ernaͤhret werden;
Hergegen ein Kauffmann ernaͤhret ſich ſelbſt, und ſo viele andere Leute
daneben. Man ſiehet ja, was in Engeland und Holland vor eine Men-
ge Leute von der Kauffmannſchafft ernaͤhret werden. Davenat hat aus-
gerechnet, daß ſeit dem Buͤrgerlichen Kriege, ſeit dem Cromwell todt,
uͤber drey hundert tauſend Menſchen in Londen vermehret worden. Wenn
man in commercirenden Staͤdten die Kauffleute erhoͤhet, ſo bleiben ſie
Kauffleute, da hergegen, wenn man ſie verachtet, ſuchen ſie groͤſſer zu
werden, als wie die Bauer-Jungen alle wollen ſtudiren, und nicht Bau-
ren bleiben; Man muß ſie nicht allein laſſen participiren in judiciis, ſon-
dern auch ſonſt ad dignitates laſſen, und wo eine Ariſtocratie iſt, da die
Kauffleute ausgeſchloſſen ſind, wie in Venedig, da diſtinguirt man ſie
doch vom populo. In meinem Vaterlande, obgleich daſelbſt kein Kauff-
mann in Rath koͤmmt, ſo habe ich doch einen gekennet, der geſcheut war,
dieſen hat man allezeit dazu genommen, wenn deputations geweſen, und
ihm viele Ehre wiederfahren laſſen. Ein Kauffmann iſt auch gerne mit
einer mediocren dignitaͤt zufrieden. An vielen Orten hat man auch Leu-
te geſetzet, welche ſie im Schreiben und Rechnen inſtruiren muͤſſen, und
ſchreibet niemand ſchoͤner, als die Kauffleute.
§. 7-16. Es iſt nicht genug, daß man einheimiſche Waaren
hat, man muß auch fremde Waaren haben. Unſer Autor ſagt, man
ſolle die beſten Waaren erwehlen, welches man aber nicht ſo genau de-
terminiren kan. Denn, wenn man ſo conſideriret, was Holland in
die Hoͤhe gebracht, ſo iſt es nichts anders als der Fiſchfang, wovon ſich
ſo viele tauſend Leute ernehret. Denen Hollaͤndern koͤnnte man keinen
groͤſſern tort thun, als wenn man ihnen den Herings-Fang naͤhme,
welcher ihnen uͤber acht Millionen Thaler eintraͤgt. Wenn die Teutſchen,
Franzoſen, Spanier ꝛc. ſagten, ſie wollten keine Heringe mehr von de-
nen Hollaͤndern nehmen, wuͤrden die Hollaͤnder groſſen Schaden haben.
Aus Teutſchland koͤmmt allein eine Million vor Heringe nach Holland;
An andern Orten, wo alles Catholiſch iſt, wird noch mehr verthan,
weil ſie etliche Tage in der Woche kein Fleiſch eſſen duͤrffen, und die
Heringe wohlfeil haben koͤnnen. Vor dieſem konnten ſie von Heringen
nicht viel profitiren, weil man ſie alle muſte friſch eſſen, ſeit dem man
aber dieſelben kan einpoͤckeln, iſt der profit ſehr groß, weil ſie allenthal-
ben koͤnnen hingefuͤhret werden; Die Schweden verkauffen Steine,
welche nach Holland gebracht werden, da werden die ſchoͤnen Saͤulen
daraus
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |