Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia man suchet sich zu retten und zu conserviren, ne pereat nostra navis Rei-publicae. Es kömmt darauf an, ut potenter defendar, das können auch böse thun. Man nimmt die bösen Buben, und schlägt andere damit todt. Gleichwie unter einer Armee nicht lauter Wiedergebohrne sind, also ists auch bey einer Republique nicht zu hoffen. Hier kan auch ob- serviret werden, daß ich mich darum bekümmere, si alteri immineat pe- riculum, ob er justam causam hat oder nicht. Iacobus I. hat kindisch raisonnirt, da er seinem Schwieger-Sohn, Fridrich V. nicht het wollen beystehen, weil er malam caussam hätte, und sich wider den Kayser auf- gelehnet. O du armer Tropff! mancher denckt, er habe wohl raisonnirt, aber es ist albern. Hier kommts darauf nicht an: An Fridericus, Bo- hemiae Rex, peccaverit? Es ist auch eine quaestio, ob er sich nicht de jure defendiren können, weil ihn doch die Böhmen gewählet. Gesetzt auch, es sey wahr, wie Iacobus raisonnirt, Fridericus habe malam caus- sam, so hätte er ihm nichts desto weniger beystehen können, weil es auf ihn selbst würde losgegangen seyn, wenn Fridericus gäntzlich supprimi- ret worden. Es muß da eine balance unter den Potenzen in Europa gehalten werden, sonst supprimiret einer den andern. Eben so wurde raisonniret bey dem Könige in Pohlen. Die Schweden sagten: Es könte niemand demselben beystehen, weil er den König in Schweden ohne raison attaquirt. Wenn man auch wolte zulassen, daß er es ohne raison ge- than, wiewohl noch alles kan defendiret werden, so kan man deßwegen nicht sagen, daß niemand ihm beystehen solte, und den König in Pohlen lassen zu Grunde gehen. Wir sehen nicht auf justam caussam, sondern was nützlich ist. Wenn einer noch so justam caussam hat, so siehet man doch, daß, wenn er obtiniret, er hernach sucht andere zu supprimi- ren; Wenn er auch gut ist, ist deßwegen sein Successor so? daher ist niemand, der die conduite lacobi I. approbiret, daß er seinen Schwie- ger-Sohn so sterben lassen. Die Raison d'Etat erfordert, andern bey- zustehen, das ist aber nicht Teufels-Werck, sondern ich suche mich da- durch zu conserviren. 2) Quaer. Ob mit Ungläubigen, mit denen Tür- cken und Heyden, ein foedus zu machen? Der Autor sagt: Non facile. Andere meynen, man solle sich auf dem lieben GOtt verlassen. Allein, das ist hier keine Regel, sich auf GOtt zu verlassen. Man siehet frey- lich, daß GOtt in allem regieret, aber nicht immediate. Es ist ein Enthusiasmus, wenn man denckt, er würde eine Legion Engel kommen las- sen, und uns defendiren. Sie raisonniren nach der Jüdischen Republique, da Simson mit des Esels Kinnbacken so viele Leute todt geschlagen, und wir haben doch jetzo eine gantz andere Republic. Es kommt gar nicht drauf
Cap. V. De prudentia man ſuchet ſich zu retten und zu conſerviren, ne pereat noſtra navis Rei-publicæ. Es koͤmmt darauf an, ut potenter defendar, das koͤnnen auch boͤſe thun. Man nimmt die boͤſen Buben, und ſchlaͤgt andere damit todt. Gleichwie unter einer Armee nicht lauter Wiedergebohrne ſind, alſo iſts auch bey einer Republique nicht zu hoffen. Hier kan auch ob- ſerviret werden, daß ich mich darum bekuͤmmere, ſi alteri immineat pe- riculum, ob er juſtam cauſam hat oder nicht. Iacobus I. hat kindiſch raiſonnirt, da er ſeinem Schwieger-Sohn, Fridrich V. nicht het wollen beyſtehen, weil er malam cauſſam haͤtte, und ſich wider den Kayſer auf- gelehnet. O du armer Tropff! mancher denckt, er habe wohl raiſonnirt, aber es iſt albern. Hier kommts darauf nicht an: An Fridericus, Bo- hemiæ Rex, peccaverit? Es iſt auch eine quæſtio, ob er ſich nicht de jure defendiren koͤnnen, weil ihn doch die Boͤhmen gewaͤhlet. Geſetzt auch, es ſey wahr, wie Iacobus raiſonnirt, Fridericus habe malam cauſ- ſam, ſo haͤtte er ihm nichts deſto weniger beyſtehen koͤnnen, weil es auf ihn ſelbſt wuͤrde losgegangen ſeyn, wenn Fridericus gaͤntzlich ſupprimi- ret worden. Es muß da eine balance unter den Potenzen in Europa gehalten werden, ſonſt ſupprimiret einer den andern. Eben ſo wurde raiſonniret bey dem Koͤnige in Pohlen. Die Schweden ſagten: Es koͤnte niemand demſelben beyſtehen, weil er den Koͤnig in Schweden ohne raiſon attaquirt. Wenn man auch wolte zulaſſen, daß er es ohne raiſon ge- than, wiewohl noch alles kan defendiret werden, ſo kan man deßwegen nicht ſagen, daß niemand ihm beyſtehen ſolte, und den Koͤnig in Pohlen laſſen zu Grunde gehen. Wir ſehen nicht auf juſtam cauſſam, ſondern was nuͤtzlich iſt. Wenn einer noch ſo juſtam cauſſam hat, ſo ſiehet man doch, daß, wenn er obtiniret, er hernach ſucht andere zu ſupprimi- ren; Wenn er auch gut iſt, iſt deßwegen ſein Succeſſor ſo? daher iſt niemand, der die conduite lacobi I. approbiret, daß er ſeinen Schwie- ger-Sohn ſo ſterben laſſen. Die Raiſon d’Etat erfordert, andern bey- zuſtehen, das iſt aber nicht Teufels-Werck, ſondern ich ſuche mich da- durch zu conſerviren. 2) Quær. Ob mit Unglaͤubigen, mit denen Tuͤr- cken und Heyden, ein foedus zu machen? Der Autor ſagt: Non facile. Andere meynen, man ſolle ſich auf dem lieben GOtt verlaſſen. Allein, das iſt hier keine Regel, ſich auf GOtt zu verlaſſen. Man ſiehet frey- lich, daß GOtt in allem regieret, aber nicht immediate. Es iſt ein Enthuſiasmus, wenn man denckt, er wuͤrde eine Legion Engel kommen laſ- ſen, und uns defendiren. Sie raiſonniren nach der Juͤdiſchen Republique, da Simſon mit des Eſels Kinnbacken ſo viele Leute todt geſchlagen, und wir haben doch jetzo eine gantz andere Republic. Es kommt gar nicht drauf
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0386" n="366"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> man ſuchet ſich zu retten und zu <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren, <hi rendition="#aq">ne pereat noſtra navis Rei-<lb/> publicæ.</hi> Es koͤmmt darauf an, <hi rendition="#aq">ut potenter defendar,</hi> das koͤnnen auch<lb/> boͤſe thun. Man nimmt die boͤſen Buben, und ſchlaͤgt andere damit<lb/> todt. Gleichwie unter einer Armee nicht lauter Wiedergebohrne ſind,<lb/> alſo iſts auch bey einer <hi rendition="#aq">Republique</hi> nicht zu hoffen. Hier kan auch <hi rendition="#aq">ob-<lb/> ſervi</hi>ret werden, daß ich mich darum bekuͤmmere, <hi rendition="#aq">ſi alteri immineat pe-<lb/> riculum,</hi> ob er <hi rendition="#aq">juſtam cauſam</hi> hat oder nicht. <hi rendition="#aq">Iacobus I.</hi> hat kindiſch<lb/><hi rendition="#aq">raiſonni</hi>rt, da er ſeinem Schwieger-Sohn, <hi rendition="#aq">Fridrich V.</hi> nicht het wollen<lb/> beyſtehen, weil er <hi rendition="#aq">malam cauſſam</hi> haͤtte, und ſich wider den Kayſer auf-<lb/> gelehnet. O du armer Tropff! mancher denckt, er habe wohl <hi rendition="#aq">raiſonni</hi>rt,<lb/> aber es iſt albern. Hier kommts darauf nicht an: <hi rendition="#aq">An Fridericus, Bo-<lb/> hemiæ Rex, peccaverit?</hi> Es iſt auch eine <hi rendition="#aq">quæſtio,</hi> ob er ſich nicht <hi rendition="#aq">de<lb/> jure defendi</hi>ren koͤnnen, weil ihn doch die Boͤhmen gewaͤhlet. Geſetzt<lb/> auch, es ſey wahr, wie <hi rendition="#aq">Iacobus raiſonni</hi>rt, <hi rendition="#aq">Fridericus</hi> habe <hi rendition="#aq">malam cauſ-<lb/> ſam,</hi> ſo haͤtte er ihm nichts deſto weniger beyſtehen koͤnnen, weil es auf<lb/> ihn ſelbſt wuͤrde losgegangen ſeyn, wenn <hi rendition="#aq">Fridericus</hi> gaͤntzlich <hi rendition="#aq">ſupprimi</hi>-<lb/> ret worden. Es muß da eine <hi rendition="#aq">balance</hi> unter den <hi rendition="#aq">Potenz</hi>en in Europa<lb/> gehalten werden, ſonſt <hi rendition="#aq">ſupprimi</hi>ret einer den andern. Eben ſo wurde<lb/><hi rendition="#aq">raiſonn</hi>iret bey dem Koͤnige in Pohlen. Die Schweden ſagten: Es koͤnte<lb/> niemand demſelben beyſtehen, weil er den Koͤnig in Schweden ohne <hi rendition="#aq">raiſon<lb/> attaqui</hi>rt. Wenn man auch wolte zulaſſen, daß er es ohne <hi rendition="#aq">raiſon</hi> ge-<lb/> than, wiewohl noch alles kan <hi rendition="#aq">defendi</hi>ret werden, ſo kan man deßwegen<lb/> nicht ſagen, daß niemand ihm beyſtehen ſolte, und den Koͤnig in Pohlen<lb/> laſſen zu Grunde gehen. Wir ſehen nicht auf <hi rendition="#aq">juſtam cauſſam,</hi> ſondern<lb/> was nuͤtzlich iſt. Wenn einer noch ſo <hi rendition="#aq">juſtam cauſſam</hi> hat, ſo ſiehet<lb/> man doch, daß, wenn er <hi rendition="#aq">obtini</hi>ret, er hernach ſucht andere zu <hi rendition="#aq">ſupprimi</hi>-<lb/> ren; Wenn er auch gut iſt, iſt deßwegen ſein <hi rendition="#aq">Succeſſor</hi> ſo? daher iſt<lb/> niemand, der die <hi rendition="#aq">conduite lacobi I. approbi</hi>ret, daß er ſeinen Schwie-<lb/> ger-Sohn ſo ſterben laſſen. Die <hi rendition="#aq">Raiſon d’Etat</hi> erfordert, andern bey-<lb/> zuſtehen, das iſt aber nicht Teufels-Werck, ſondern ich ſuche mich da-<lb/> durch zu <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren. 2) <hi rendition="#aq">Quær.</hi> Ob mit Unglaͤubigen, mit denen Tuͤr-<lb/> cken und Heyden, ein <hi rendition="#aq">foedus</hi> zu machen? Der <hi rendition="#aq">Autor</hi> ſagt: <hi rendition="#aq">Non facile.</hi><lb/> Andere meynen, man ſolle ſich auf dem lieben GOtt verlaſſen. Allein,<lb/> das iſt hier keine Regel, ſich auf GOtt zu verlaſſen. Man ſiehet frey-<lb/> lich, daß GOtt in allem regieret, aber nicht <hi rendition="#aq">immediate.</hi> Es iſt ein<lb/><hi rendition="#aq">Enthuſiasmus,</hi> wenn man denckt, er wuͤrde eine <hi rendition="#aq">Legion</hi> Engel kommen laſ-<lb/> ſen, und uns <hi rendition="#aq">defendi</hi>ren. Sie <hi rendition="#aq">raiſonni</hi>ren nach der Juͤdiſchen <hi rendition="#aq">Republique,</hi><lb/> da Simſon mit des Eſels Kinnbacken ſo viele Leute todt geſchlagen, und<lb/> wir haben doch jetzo eine gantz andere <hi rendition="#aq">Republic.</hi> Es kommt gar nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">drauf</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [366/0386]
Cap. V. De prudentia
man ſuchet ſich zu retten und zu conſerviren, ne pereat noſtra navis Rei-
publicæ. Es koͤmmt darauf an, ut potenter defendar, das koͤnnen auch
boͤſe thun. Man nimmt die boͤſen Buben, und ſchlaͤgt andere damit
todt. Gleichwie unter einer Armee nicht lauter Wiedergebohrne ſind,
alſo iſts auch bey einer Republique nicht zu hoffen. Hier kan auch ob-
ſerviret werden, daß ich mich darum bekuͤmmere, ſi alteri immineat pe-
riculum, ob er juſtam cauſam hat oder nicht. Iacobus I. hat kindiſch
raiſonnirt, da er ſeinem Schwieger-Sohn, Fridrich V. nicht het wollen
beyſtehen, weil er malam cauſſam haͤtte, und ſich wider den Kayſer auf-
gelehnet. O du armer Tropff! mancher denckt, er habe wohl raiſonnirt,
aber es iſt albern. Hier kommts darauf nicht an: An Fridericus, Bo-
hemiæ Rex, peccaverit? Es iſt auch eine quæſtio, ob er ſich nicht de
jure defendiren koͤnnen, weil ihn doch die Boͤhmen gewaͤhlet. Geſetzt
auch, es ſey wahr, wie Iacobus raiſonnirt, Fridericus habe malam cauſ-
ſam, ſo haͤtte er ihm nichts deſto weniger beyſtehen koͤnnen, weil es auf
ihn ſelbſt wuͤrde losgegangen ſeyn, wenn Fridericus gaͤntzlich ſupprimi-
ret worden. Es muß da eine balance unter den Potenzen in Europa
gehalten werden, ſonſt ſupprimiret einer den andern. Eben ſo wurde
raiſonniret bey dem Koͤnige in Pohlen. Die Schweden ſagten: Es koͤnte
niemand demſelben beyſtehen, weil er den Koͤnig in Schweden ohne raiſon
attaquirt. Wenn man auch wolte zulaſſen, daß er es ohne raiſon ge-
than, wiewohl noch alles kan defendiret werden, ſo kan man deßwegen
nicht ſagen, daß niemand ihm beyſtehen ſolte, und den Koͤnig in Pohlen
laſſen zu Grunde gehen. Wir ſehen nicht auf juſtam cauſſam, ſondern
was nuͤtzlich iſt. Wenn einer noch ſo juſtam cauſſam hat, ſo ſiehet
man doch, daß, wenn er obtiniret, er hernach ſucht andere zu ſupprimi-
ren; Wenn er auch gut iſt, iſt deßwegen ſein Succeſſor ſo? daher iſt
niemand, der die conduite lacobi I. approbiret, daß er ſeinen Schwie-
ger-Sohn ſo ſterben laſſen. Die Raiſon d’Etat erfordert, andern bey-
zuſtehen, das iſt aber nicht Teufels-Werck, ſondern ich ſuche mich da-
durch zu conſerviren. 2) Quær. Ob mit Unglaͤubigen, mit denen Tuͤr-
cken und Heyden, ein foedus zu machen? Der Autor ſagt: Non facile.
Andere meynen, man ſolle ſich auf dem lieben GOtt verlaſſen. Allein,
das iſt hier keine Regel, ſich auf GOtt zu verlaſſen. Man ſiehet frey-
lich, daß GOtt in allem regieret, aber nicht immediate. Es iſt ein
Enthuſiasmus, wenn man denckt, er wuͤrde eine Legion Engel kommen laſ-
ſen, und uns defendiren. Sie raiſonniren nach der Juͤdiſchen Republique,
da Simſon mit des Eſels Kinnbacken ſo viele Leute todt geſchlagen, und
wir haben doch jetzo eine gantz andere Republic. Es kommt gar nicht
drauf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |