§. 15. Die grossen Herren scheinen zwar als Privat-Leute alles dasjenige, was sie versprochen, zu halten. Ein homo nobilis, ein prin- ceps muß sich auch in seinen privat-actibus in acht nehmen, daß er nicht erfunden werde, als ob er sein Wort nicht hielte; Aber da man weiß, daß die grossen Herren alles aus Interesse thun, so hat man beständig einen soupcon, daß sie möchten abgehen. Daher fodert man bey foede- ribus munimenta, das sind pignora, obsides, &c. Man wird sehen, daß bey denen meisten Friedens-Schlüssen Garants erwählet werden, die ge- währen sollen den Frieden, ne quis recedat, und den contravenienten zwingen, dabey zu bleiben. So haben wir Garants gehabt bey dem Nimwegischen Frieden. Dergleichen hat man auch bey dem Frieden zu Oliva angenommen. Die Garants nehmen offt ihr officium nicht in acht, bisweilen aber würcken dieselben und läßt man sie nicht gerne fah- ren. Wir haben gesehen, daß die Garants bey dem Olivischen Frieden sich wegen der Thornischen affaire gereget; Sie haben sonst mit Pohlen nichts zu thun, aber in dem Frieden zu Oliva ist versehen, daß die Pro- testanten, welche dazumahl ihr exercitium religionis in Pohlen gehabt, beständig solches behalten sollen. Da nun solches nicht geschehen, da- her regten sich nicht nur diejenigen, welche den Frieden gemacht, sondern auch die Garantie überkommen hatten, als Engeland und die Hollän- der etc. die wurden alle implicirt, ut faciant, daß das foedus inconcussum bleibe. Manchmahl aber bekümmern sich die Garants wenig darum. Also war Carolus II. Garant bey dem Frieden zu Nimwegen, welcher aber Luxembourg von Franckreich ließ wegnehmen, welches die Spa- nier sehr verdrossen. Wenn es also auch gleich superfluum, Garants zu nehmen, superflua tamen non nocent. Man läßt sich auch obsides ge- ben, man läßt sich fidejussores, pignora stellen. So hat sich Fridrich VVilhelm von der Republique Pohlen lassen die Polnische Cron versetzen, mit der condition, wenn sie in gewisser Zeit nicht eingelöset würde, sollte der Chur-Fürst Elbingen statt dessen wegnehmen, donec Poloni satisfa- cerent. Wir bekamen Elbingen, welches wir auch so lange behalten, bis die Pohlen alle Geld-Summen abgetragen. Fridrich VVilhelm hat durch Beyhülffe der Dänen etliche Spanische Schiffe arretiren lassen, davon etliche Subsidien-Gelder vorbehalten worden. Die Königin Eli- sabeth trauete dem König in Franckreich nicht, und ließ sich sideiussores setzen, darzu nahm sie die Kauffleute in Paris, welche in Engeland zu thun hatten. Obrecht hat eine Dissert. welche hernach per modum tra- ctatus heraus kommen und bey seinen übrigen operibus stehet, geschrieben sub tit. Sponsor pacis, worinnen man alles lesen kan, was von der Ga-
rantie
Cap. V. De prudentia
Von Ratifi- cation derer Tractaten.
§. 15. Die groſſen Herren ſcheinen zwar als Privat-Leute alles dasjenige, was ſie verſprochen, zu halten. Ein homo nobilis, ein prin- ceps muß ſich auch in ſeinen privat-actibus in acht nehmen, daß er nicht erfunden werde, als ob er ſein Wort nicht hielte; Aber da man weiß, daß die groſſen Herren alles aus Intereſſe thun, ſo hat man beſtaͤndig einen ſoupçon, daß ſie moͤchten abgehen. Daher fodert man bey fœde- ribus munimenta, das ſind pignora, obſides, &c. Man wird ſehen, daß bey denen meiſten Friedens-Schluͤſſen Garants erwaͤhlet werden, die ge- waͤhren ſollen den Frieden, ne quis recedat, und den contravenienten zwingen, dabey zu bleiben. So haben wir Garants gehabt bey dem Nimwegiſchen Frieden. Dergleichen hat man auch bey dem Frieden zu Oliva angenommen. Die Garants nehmen offt ihr officium nicht in acht, bisweilen aber wuͤrcken dieſelben und laͤßt man ſie nicht gerne fah- ren. Wir haben geſehen, daß die Garants bey dem Oliviſchen Frieden ſich wegen der Thorniſchen affaire gereget; Sie haben ſonſt mit Pohlen nichts zu thun, aber in dem Frieden zu Oliva iſt verſehen, daß die Pro- teſtanten, welche dazumahl ihr exercitium religionis in Pohlen gehabt, beſtaͤndig ſolches behalten ſollen. Da nun ſolches nicht geſchehen, da- her regten ſich nicht nur diejenigen, welche den Frieden gemacht, ſondern auch die Garantie uͤberkommen hatten, als Engeland und die Hollaͤn- der ꝛc. die wurden alle implicirt, ut faciant, daß das foedus inconcuſſum bleibe. Manchmahl aber bekuͤmmern ſich die Garants wenig darum. Alſo war Carolus II. Garant bey dem Frieden zu Nimwegen, welcher aber Luxembourg von Franckreich ließ wegnehmen, welches die Spa- nier ſehr verdroſſen. Wenn es alſo auch gleich ſuperfluum, Garants zu nehmen, ſuperflua tamen non nocent. Man laͤßt ſich auch obſides ge- ben, man laͤßt ſich fidejuſſores, pignora ſtellen. So hat ſich Fridrich VVilhelm von der Republique Pohlen laſſen die Polniſche Cron verſetzen, mit der condition, wenn ſie in gewiſſer Zeit nicht eingeloͤſet wuͤrde, ſollte der Chur-Fuͤrſt Elbingen ſtatt deſſen wegnehmen, donec Poloni ſatisfa- cerent. Wir bekamen Elbingen, welches wir auch ſo lange behalten, bis die Pohlen alle Geld-Summen abgetragen. Fridrich VVilhelm hat durch Beyhuͤlffe der Daͤnen etliche Spaniſche Schiffe arretiren laſſen, davon etliche Subſidien-Gelder vorbehalten worden. Die Koͤnigin Eli- ſabeth trauete dem Koͤnig in Franckreich nicht, und ließ ſich ſideiuſſores ſetzen, darzu nahm ſie die Kauffleute in Paris, welche in Engeland zu thun hatten. Obrecht hat eine Diſſert. welche hernach per modum tra- ctatus heraus kommen und bey ſeinen uͤbrigen operibus ſtehet, geſchrieben ſub tit. Sponſor pacis, worinnen man alles leſen kan, was von der Ga-
rantie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0394"n="374"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/><noteplace="left">Von <hirendition="#aq">Ratifi-<lb/>
cation</hi> derer<lb/><hirendition="#aq">Tractat</hi>en.</note><p>§. 15. Die groſſen Herren ſcheinen zwar als <hirendition="#aq">Privat</hi>-Leute alles<lb/>
dasjenige, was ſie verſprochen, zu halten. Ein <hirendition="#aq">homo nobilis,</hi> ein <hirendition="#aq">prin-<lb/>
ceps</hi> muß ſich auch in ſeinen <hirendition="#aq">privat-actibus</hi> in acht nehmen, daß er nicht<lb/>
erfunden werde, als ob er ſein Wort nicht hielte; Aber da man weiß,<lb/>
daß die groſſen Herren alles aus <hirendition="#aq">Intereſſe</hi> thun, ſo hat man beſtaͤndig<lb/>
einen <hirendition="#aq">ſoupçon,</hi> daß ſie moͤchten abgehen. Daher fodert man bey <hirendition="#aq">fœde-<lb/>
ribus munimenta,</hi> das ſind <hirendition="#aq">pignora, obſides, &c.</hi> Man wird ſehen, daß<lb/>
bey denen meiſten Friedens-Schluͤſſen <hirendition="#aq">Garants</hi> erwaͤhlet werden, die ge-<lb/>
waͤhren ſollen den Frieden, <hirendition="#aq">ne quis recedat,</hi> und den <hirendition="#aq">contravenient</hi>en<lb/>
zwingen, dabey zu bleiben. So haben wir <hirendition="#aq">Garants</hi> gehabt bey dem<lb/>
Nimwegiſchen Frieden. Dergleichen hat man auch bey dem Frieden<lb/>
zu <hirendition="#aq">Oliva</hi> angenommen. Die <hirendition="#aq">Garants</hi> nehmen offt ihr <hirendition="#aq">officium</hi> nicht in<lb/>
acht, bisweilen aber wuͤrcken dieſelben und laͤßt man ſie nicht gerne fah-<lb/>
ren. Wir haben geſehen, daß die <hirendition="#aq">Garants</hi> bey dem Oliviſchen Frieden<lb/>ſich wegen der Thorniſchen <hirendition="#aq">affaire</hi> gereget; Sie haben ſonſt mit Pohlen<lb/>
nichts zu thun, aber in dem Frieden zu <hirendition="#aq">Oliva</hi> iſt verſehen, daß die <hirendition="#aq">Pro-<lb/>
teſtant</hi>en, welche dazumahl ihr <hirendition="#aq">exercitium religionis</hi> in Pohlen gehabt,<lb/>
beſtaͤndig ſolches behalten ſollen. Da nun ſolches nicht geſchehen, da-<lb/>
her regten ſich nicht nur diejenigen, welche den Frieden gemacht, ſondern<lb/>
auch die <hirendition="#aq">Garantie</hi> uͤberkommen hatten, als Engeland und die Hollaͤn-<lb/>
der ꝛc. die wurden alle <hirendition="#aq">implici</hi>rt, <hirendition="#aq">ut faciant,</hi> daß das <hirendition="#aq">foedus inconcuſſum</hi><lb/>
bleibe. Manchmahl aber bekuͤmmern ſich die <hirendition="#aq">Garants</hi> wenig darum.<lb/>
Alſo war <hirendition="#aq">Carolus II. Garant</hi> bey dem Frieden zu Nimwegen, welcher<lb/>
aber <hirendition="#aq">Luxembourg</hi> von Franckreich ließ wegnehmen, welches die Spa-<lb/>
nier ſehr verdroſſen. Wenn es alſo auch gleich <hirendition="#aq">ſuperfluum, Garants</hi> zu<lb/>
nehmen, <hirendition="#aq">ſuperflua tamen non nocent.</hi> Man laͤßt ſich auch <hirendition="#aq">obſides</hi> ge-<lb/>
ben, man laͤßt ſich <hirendition="#aq">fidejuſſores, pignora</hi>ſtellen. So hat ſich <hirendition="#aq">Fridrich<lb/>
VVilhelm</hi> von der <hirendition="#aq">Republique</hi> Pohlen laſſen die Polniſche Cron verſetzen,<lb/>
mit der <hirendition="#aq">condition,</hi> wenn ſie in gewiſſer Zeit nicht eingeloͤſet wuͤrde, ſollte<lb/>
der Chur-Fuͤrſt Elbingen ſtatt deſſen wegnehmen, <hirendition="#aq">donec Poloni ſatisfa-<lb/>
cerent.</hi> Wir bekamen Elbingen, welches wir auch ſo lange behalten,<lb/>
bis die Pohlen alle Geld-Summen abgetragen. <hirendition="#aq">Fridrich VVilhelm</hi> hat<lb/>
durch Beyhuͤlffe der Daͤnen etliche Spaniſche Schiffe <hirendition="#aq">arreti</hi>ren laſſen,<lb/>
davon etliche <hirendition="#aq">Subſidi</hi>en-Gelder vorbehalten worden. Die Koͤnigin <hirendition="#aq">Eli-<lb/>ſabeth</hi> trauete dem Koͤnig in Franckreich nicht, und ließ ſich <hirendition="#aq">ſideiuſſores</hi><lb/>ſetzen, darzu nahm ſie die Kauffleute in Paris, welche in Engeland zu<lb/>
thun hatten. <hirendition="#aq">Obrecht</hi> hat eine <hirendition="#aq">Diſſert.</hi> welche hernach <hirendition="#aq">per modum tra-<lb/>
ctatus</hi> heraus kommen und bey ſeinen uͤbrigen <hirendition="#aq">operibus</hi>ſtehet, geſchrieben<lb/><hirendition="#aq">ſub tit. Sponſor pacis,</hi> worinnen man alles leſen kan, was von der <hirendition="#aq">Ga-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">rantie</hi></fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[374/0394]
Cap. V. De prudentia
§. 15. Die groſſen Herren ſcheinen zwar als Privat-Leute alles
dasjenige, was ſie verſprochen, zu halten. Ein homo nobilis, ein prin-
ceps muß ſich auch in ſeinen privat-actibus in acht nehmen, daß er nicht
erfunden werde, als ob er ſein Wort nicht hielte; Aber da man weiß,
daß die groſſen Herren alles aus Intereſſe thun, ſo hat man beſtaͤndig
einen ſoupçon, daß ſie moͤchten abgehen. Daher fodert man bey fœde-
ribus munimenta, das ſind pignora, obſides, &c. Man wird ſehen, daß
bey denen meiſten Friedens-Schluͤſſen Garants erwaͤhlet werden, die ge-
waͤhren ſollen den Frieden, ne quis recedat, und den contravenienten
zwingen, dabey zu bleiben. So haben wir Garants gehabt bey dem
Nimwegiſchen Frieden. Dergleichen hat man auch bey dem Frieden
zu Oliva angenommen. Die Garants nehmen offt ihr officium nicht in
acht, bisweilen aber wuͤrcken dieſelben und laͤßt man ſie nicht gerne fah-
ren. Wir haben geſehen, daß die Garants bey dem Oliviſchen Frieden
ſich wegen der Thorniſchen affaire gereget; Sie haben ſonſt mit Pohlen
nichts zu thun, aber in dem Frieden zu Oliva iſt verſehen, daß die Pro-
teſtanten, welche dazumahl ihr exercitium religionis in Pohlen gehabt,
beſtaͤndig ſolches behalten ſollen. Da nun ſolches nicht geſchehen, da-
her regten ſich nicht nur diejenigen, welche den Frieden gemacht, ſondern
auch die Garantie uͤberkommen hatten, als Engeland und die Hollaͤn-
der ꝛc. die wurden alle implicirt, ut faciant, daß das foedus inconcuſſum
bleibe. Manchmahl aber bekuͤmmern ſich die Garants wenig darum.
Alſo war Carolus II. Garant bey dem Frieden zu Nimwegen, welcher
aber Luxembourg von Franckreich ließ wegnehmen, welches die Spa-
nier ſehr verdroſſen. Wenn es alſo auch gleich ſuperfluum, Garants zu
nehmen, ſuperflua tamen non nocent. Man laͤßt ſich auch obſides ge-
ben, man laͤßt ſich fidejuſſores, pignora ſtellen. So hat ſich Fridrich
VVilhelm von der Republique Pohlen laſſen die Polniſche Cron verſetzen,
mit der condition, wenn ſie in gewiſſer Zeit nicht eingeloͤſet wuͤrde, ſollte
der Chur-Fuͤrſt Elbingen ſtatt deſſen wegnehmen, donec Poloni ſatisfa-
cerent. Wir bekamen Elbingen, welches wir auch ſo lange behalten,
bis die Pohlen alle Geld-Summen abgetragen. Fridrich VVilhelm hat
durch Beyhuͤlffe der Daͤnen etliche Spaniſche Schiffe arretiren laſſen,
davon etliche Subſidien-Gelder vorbehalten worden. Die Koͤnigin Eli-
ſabeth trauete dem Koͤnig in Franckreich nicht, und ließ ſich ſideiuſſores
ſetzen, darzu nahm ſie die Kauffleute in Paris, welche in Engeland zu
thun hatten. Obrecht hat eine Diſſert. welche hernach per modum tra-
ctatus heraus kommen und bey ſeinen uͤbrigen operibus ſtehet, geſchrieben
ſub tit. Sponſor pacis, worinnen man alles leſen kan, was von der Ga-
rantie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/394>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.