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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
wohl zwantzig mahl zum Marchal de France gemacht zu werden. Die
Frantzosen haben unter dem Ludovico XIV. auf hundert Städte und
Festungen weggenommen, und viele in einer solchen Geschwindigkeit,
daß man sich es kaum concipiren kan, wobey der Vauban viel con-
tribui
ret.

Wie viel auf
sein Glück an-
komme?

§. 19. Die politischen Scribenten, sonderlich Lipsius sagen, ein
Dux müsse felix seyn; Sie haben beym Cicerone in orat. pro Lege Man.
gelesen, daß, als man disputiret, cui sit deferenda summa verum? ille
pro Pompejo stetit.
Bey welcher Gelegenheit er die Qualitäten eines
Generals durch gegangen, und solche nachgehends auf den Pompejum
applici
ret. Er hat nichts vergessen was zu einem braven General ge-
höret. Der Pompejus ist auch ein grosser General gewesen, ob er gleich
durch das artificium Caesaris übern Hauffen geworffen worden. Unter
andern requiriret auch Cicero felicitatem. Unser Autor saget: Felicita-
tem nemo sibi dare potest.
Da hat er recht. Fortuna felicitas ist nichts,
wer sich solche in Kopf setzet, hat eine abstraction, welches Clerc in sei-
nem Tractat du Bonheur & du Malheur dans les Lotteries gewiesen.
Weisheit ist das beste. Allein ein anderer kan auch weise und tapfer
seyn, da kan bisweilen im moment ein Unglück kommen, das man sich
nicht versiehet. Posthaec occasio calva. Das Glück ist revera nichts
anders, als eine Weisheit, daß ich meine Sache wohl überlege, und
bald suche in execution zu bringen. Indeß kan offt einer Qualitäten
haben, als wie der Printz Philipp von Sultzbach ein guter General ge-
wesen, aber es kan seyn, daß er das tempo versehen, oder mit andern
wackern Leuten zu thun gehabt, die ihm den Circul verrückt, daß er ge-
schlagen worden, da hat es gleich geheissen: Er sey ein unglücklicher
Mann. Man kan nicht sagen, dieser ist felix, der andere infelix, wenn
gleich einmahl das tempo versehen worden, so wird es deßwegen nicht
allezeit geschehen; Deßwegen paßt der Autor auf dieses requisitum nicht
viel. In abstracto ist felicitas, fortuna nichts, sondern eine chimaere.
Ob nun gleich dieses alles wahr ist, so muß man doch keinen General
schicken, der unglücklich gewesen, er mag Schuld daran seyn oder nicht:
Nicht, als wenn ich glaubte: Quod huic non adsistat fortuna, son-
dern weil er verursachet, daß die Leute kein Hertz haben zu fechten.
Wie Cromwell bey der Schottischen Armee zum Protector ausgeruffen
wurde, so sagten alle: Wenn der Monck es wäre, so wäre es besser,
denn sie hätten von dem Cromwell keine Thaten gesehen. Wenn sich
gleich einer retirirt en bon ordre, so haben die Soldaten doch kein Ver-
trauen zu ihm. Wären die Soldaten Philosophen, so dächten sie, es

wäre

Cap. V. De prudentia
wohl zwantzig mahl zum Marchal de France gemacht zu werden. Die
Frantzoſen haben unter dem Ludovico XIV. auf hundert Staͤdte und
Feſtungen weggenommen, und viele in einer ſolchen Geſchwindigkeit,
daß man ſich es kaum concipiren kan, wobey der Vauban viel con-
tribui
ret.

Wie viel auf
ſein Gluͤck an-
komme?

§. 19. Die politiſchen Scribenten, ſonderlich Lipſius ſagen, ein
Dux muͤſſe felix ſeyn; Sie haben beym Cicerone in orat. pro Lege Man.
geleſen, daß, als man diſputiret, cui ſit deferenda ſumma verum? ille
pro Pompejo ſtetit.
Bey welcher Gelegenheit er die Qualitaͤten eines
Generals durch gegangen, und ſolche nachgehends auf den Pompejum
applici
ret. Er hat nichts vergeſſen was zu einem braven General ge-
hoͤret. Der Pompejus iſt auch ein groſſer General geweſen, ob er gleich
durch das artificium Cæſaris uͤbern Hauffen geworffen worden. Unter
andern requiriret auch Cicero felicitatem. Unſer Autor ſaget: Felicita-
tem nemo ſibi dare poteſt.
Da hat er recht. Fortuna felicitas iſt nichts,
wer ſich ſolche in Kopf ſetzet, hat eine abſtraction, welches Clerc in ſei-
nem Tractat du Bonheur & du Malheur dans les Lotteries gewieſen.
Weisheit iſt das beſte. Allein ein anderer kan auch weiſe und tapfer
ſeyn, da kan bisweilen im moment ein Ungluͤck kommen, das man ſich
nicht verſiehet. Poſthæc occaſio calva. Das Gluͤck iſt revera nichts
anders, als eine Weisheit, daß ich meine Sache wohl uͤberlege, und
bald ſuche in execution zu bringen. Indeß kan offt einer Qualitaͤten
haben, als wie der Printz Philipp von Sultzbach ein guter General ge-
weſen, aber es kan ſeyn, daß er das tempo verſehen, oder mit andern
wackern Leuten zu thun gehabt, die ihm den Circul verruͤckt, daß er ge-
ſchlagen worden, da hat es gleich geheiſſen: Er ſey ein ungluͤcklicher
Mann. Man kan nicht ſagen, dieſer iſt felix, der andere infelix, wenn
gleich einmahl das tempo verſehen worden, ſo wird es deßwegen nicht
allezeit geſchehen; Deßwegen paßt der Autor auf dieſes requiſitum nicht
viel. In abſtracto iſt felicitas, fortuna nichts, ſondern eine chimære.
Ob nun gleich dieſes alles wahr iſt, ſo muß man doch keinen General
ſchicken, der ungluͤcklich geweſen, er mag Schuld daran ſeyn oder nicht:
Nicht, als wenn ich glaubte: Quod huic non adſiſtat fortuna, ſon-
dern weil er verurſachet, daß die Leute kein Hertz haben zu fechten.
Wie Cromwell bey der Schottiſchen Armee zum Protector ausgeruffen
wurde, ſo ſagten alle: Wenn der Monck es waͤre, ſo waͤre es beſſer,
denn ſie haͤtten von dem Cromwell keine Thaten geſehen. Wenn ſich
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[414/0434] Cap. V. De prudentia wohl zwantzig mahl zum Marchal de France gemacht zu werden. Die Frantzoſen haben unter dem Ludovico XIV. auf hundert Staͤdte und Feſtungen weggenommen, und viele in einer ſolchen Geſchwindigkeit, daß man ſich es kaum concipiren kan, wobey der Vauban viel con- tribuiret. §. 19. Die politiſchen Scribenten, ſonderlich Lipſius ſagen, ein Dux muͤſſe felix ſeyn; Sie haben beym Cicerone in orat. pro Lege Man. geleſen, daß, als man diſputiret, cui ſit deferenda ſumma verum? ille pro Pompejo ſtetit. Bey welcher Gelegenheit er die Qualitaͤten eines Generals durch gegangen, und ſolche nachgehends auf den Pompejum appliciret. Er hat nichts vergeſſen was zu einem braven General ge- hoͤret. Der Pompejus iſt auch ein groſſer General geweſen, ob er gleich durch das artificium Cæſaris uͤbern Hauffen geworffen worden. Unter andern requiriret auch Cicero felicitatem. Unſer Autor ſaget: Felicita- tem nemo ſibi dare poteſt. Da hat er recht. Fortuna felicitas iſt nichts, wer ſich ſolche in Kopf ſetzet, hat eine abſtraction, welches Clerc in ſei- nem Tractat du Bonheur & du Malheur dans les Lotteries gewieſen. Weisheit iſt das beſte. Allein ein anderer kan auch weiſe und tapfer ſeyn, da kan bisweilen im moment ein Ungluͤck kommen, das man ſich nicht verſiehet. Poſthæc occaſio calva. Das Gluͤck iſt revera nichts anders, als eine Weisheit, daß ich meine Sache wohl uͤberlege, und bald ſuche in execution zu bringen. Indeß kan offt einer Qualitaͤten haben, als wie der Printz Philipp von Sultzbach ein guter General ge- weſen, aber es kan ſeyn, daß er das tempo verſehen, oder mit andern wackern Leuten zu thun gehabt, die ihm den Circul verruͤckt, daß er ge- ſchlagen worden, da hat es gleich geheiſſen: Er ſey ein ungluͤcklicher Mann. Man kan nicht ſagen, dieſer iſt felix, der andere infelix, wenn gleich einmahl das tempo verſehen worden, ſo wird es deßwegen nicht allezeit geſchehen; Deßwegen paßt der Autor auf dieſes requiſitum nicht viel. In abſtracto iſt felicitas, fortuna nichts, ſondern eine chimære. Ob nun gleich dieſes alles wahr iſt, ſo muß man doch keinen General ſchicken, der ungluͤcklich geweſen, er mag Schuld daran ſeyn oder nicht: Nicht, als wenn ich glaubte: Quod huic non adſiſtat fortuna, ſon- dern weil er verurſachet, daß die Leute kein Hertz haben zu fechten. Wie Cromwell bey der Schottiſchen Armee zum Protector ausgeruffen wurde, ſo ſagten alle: Wenn der Monck es waͤre, ſo waͤre es beſſer, denn ſie haͤtten von dem Cromwell keine Thaten geſehen. Wenn ſich gleich einer retirirt en bon ordre, ſo haben die Soldaten doch kein Ver- trauen zu ihm. Waͤren die Soldaten Philoſophen, ſo daͤchten ſie, es waͤre

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/434>, abgerufen am 24.11.2024.