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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa bellum & pacem.
wäre leicht, daß einer könte übermannet werden, und könte er deßwegen
doch noch Thaten thun. Aber der Soldat ist kein Philosophe, er hat
närrische Dinge im Kopffe, und denckt, das meiste käme auf das Glück
an; der General müsse glücklich seyn; daher muß ich mich hier accom-
modi
ren. Man kan nicht leugnen, daß der Villeroy ein gescheuter Ge-
neral
gewesen. Wie er aber gefangen wurde in Italien, und der Kö-
nig in Franckreich etliche bataillen nach einander verlohr, so hat der Kö-
nig alle Officiers changiret, damit die Leute Hertz bekämen wieder zu
fechten. Wir werden von Ingend auf so erzogen, daß wir dencken, das
Glück sey was positives, drum mahlen wir es auch, und setzen unsere
abstractiones hin als entia vera, wie Clericus in arte Critica gewiesen.
Vieles kömmt an auf providentiam divinam, aber nicht alles. Wir
können sehen, daß unser HErr GOtt solche fauten geschehen lässet,
e. g. Wir sehen alles, wie der Czaar gewachsen und sich aggrandiret,
wir wissen alle fauten, welche der König in Schweden hierbey begangen.
En general kan man sagen, daß etwas auf providentiam divinam an-
kommt, aber das ist causa admodum remota, auch keine causa necessi-
tans,
sondern es kömmt alles ex arbitrio. Nachdem nun einer ein ar-
bitrium rationabile
oder irrationabile hat, nachdem gehen auch seine Sa-
chen von statten. Wollte einer sagen, daß GOtt allenthalben singula-
riter concurri
re, so müsten lauter miracula geschehen, da fällt einer zu-
letzt in Enthusiasmum. Beym Mose sehe ich wohl, was da passiret,
da waren miracula, aber das alte Testament können wir nicht applici-
ren auf unsere Welt. Das negire ich nicht, daß bisweilen ein accidens
kommen könne, welches machet, daß alles krebsgängig wird. Deßwe-
gen muß ein General einen magnum animi ambitum haben, damit er kan
accidentia prospicere, so viel ihm möglich ist. Der Mensch hat freylich
keinen infinitum intellectum, daß er alles kan voraus sehen.

§. 20. 21. Es ist nichts disputablers, als dergleichen Sachen, vonVon Vestun-
gen und
Schantzen.

welchen wir in der Politic handeln, und gehöret gewiß ein grosses iu-
dicium
darzu; Wir handeln hier von Sachen, welche diversas relatio-
nes
haben. Mancher will keine Festung; mancher will Festungen haben,
mancher will viele, mancher wenig haben. Hier wird supponiret, daß
einer weiß, was eine Festung ist, welches anderwärts gewiesen wird.
Und wenn gleich ein Jurist kein grosser Mathematicus seyn will, so muß
er doch die terminos verstehen lernen, was ein Hornwerck, ein halber
Mond etc. da muß einer mathematica collegia hören, wer aber gar nichts
weiß, kan des P. Daniels Buch de la Milice de France lesen, worinn er
admirable gewiesen, wie die fortifications nach und nach unter denen

Köni-

ſtatus circa bellum & pacem.
waͤre leicht, daß einer koͤnte uͤbermannet werden, und koͤnte er deßwegen
doch noch Thaten thun. Aber der Soldat iſt kein Philoſophe, er hat
naͤrriſche Dinge im Kopffe, und denckt, das meiſte kaͤme auf das Gluͤck
an; der General muͤſſe gluͤcklich ſeyn; daher muß ich mich hier accom-
modi
ren. Man kan nicht leugnen, daß der Villeroy ein geſcheuter Ge-
neral
geweſen. Wie er aber gefangen wurde in Italien, und der Koͤ-
nig in Franckreich etliche bataillen nach einander verlohr, ſo hat der Koͤ-
nig alle Officiers changiret, damit die Leute Hertz bekaͤmen wieder zu
fechten. Wir werden von Ingend auf ſo erzogen, daß wir dencken, das
Gluͤck ſey was poſitives, drum mahlen wir es auch, und ſetzen unſere
abſtractiones hin als entia vera, wie Clericus in arte Critica gewieſen.
Vieles koͤmmt an auf providentiam divinam, aber nicht alles. Wir
koͤnnen ſehen, daß unſer HErr GOtt ſolche fauten geſchehen laͤſſet,
e. g. Wir ſehen alles, wie der Czaar gewachſen und ſich aggrandiret,
wir wiſſen alle fauten, welche der Koͤnig in Schweden hierbey begangen.
En general kan man ſagen, daß etwas auf providentiam divinam an-
kommt, aber das iſt cauſa admodum remota, auch keine cauſa neceſſi-
tans,
ſondern es koͤmmt alles ex arbitrio. Nachdem nun einer ein ar-
bitrium rationabile
oder irrationabile hat, nachdem gehen auch ſeine Sa-
chen von ſtatten. Wollte einer ſagen, daß GOtt allenthalben ſingula-
riter concurri
re, ſo muͤſten lauter miracula geſchehen, da faͤllt einer zu-
letzt in Enthuſiasmum. Beym Moſe ſehe ich wohl, was da paſſiret,
da waren miracula, aber das alte Teſtament koͤnnen wir nicht applici-
ren auf unſere Welt. Das negire ich nicht, daß bisweilen ein accidens
kommen koͤnne, welches machet, daß alles krebsgaͤngig wird. Deßwe-
gen muß ein General einen magnum animi ambitum haben, damit er kan
accidentia proſpicere, ſo viel ihm moͤglich iſt. Der Menſch hat freylich
keinen infinitum intellectum, daß er alles kan voraus ſehen.

§. 20. 21. Es iſt nichts diſputablers, als dergleichen Sachen, vonVon Veſtun-
gen und
Schantzen.

welchen wir in der Politic handeln, und gehoͤret gewiß ein groſſes iu-
dicium
darzu; Wir handeln hier von Sachen, welche diverſas relatio-
nes
haben. Mancher will keine Feſtung; mancher will Feſtungen haben,
mancher will viele, mancher wenig haben. Hier wird ſupponiret, daß
einer weiß, was eine Feſtung iſt, welches anderwaͤrts gewieſen wird.
Und wenn gleich ein Juriſt kein groſſer Mathematicus ſeyn will, ſo muß
er doch die terminos verſtehen lernen, was ein Hornwerck, ein halber
Mond ꝛc. da muß einer mathematica collegia hoͤren, wer aber gar nichts
weiß, kan des P. Daniels Buch de la Milice de France leſen, worinn er
admirable gewieſen, wie die fortifications nach und nach unter denen

Koͤni-
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[415/0435] ſtatus circa bellum & pacem. waͤre leicht, daß einer koͤnte uͤbermannet werden, und koͤnte er deßwegen doch noch Thaten thun. Aber der Soldat iſt kein Philoſophe, er hat naͤrriſche Dinge im Kopffe, und denckt, das meiſte kaͤme auf das Gluͤck an; der General muͤſſe gluͤcklich ſeyn; daher muß ich mich hier accom- modiren. Man kan nicht leugnen, daß der Villeroy ein geſcheuter Ge- neral geweſen. Wie er aber gefangen wurde in Italien, und der Koͤ- nig in Franckreich etliche bataillen nach einander verlohr, ſo hat der Koͤ- nig alle Officiers changiret, damit die Leute Hertz bekaͤmen wieder zu fechten. Wir werden von Ingend auf ſo erzogen, daß wir dencken, das Gluͤck ſey was poſitives, drum mahlen wir es auch, und ſetzen unſere abſtractiones hin als entia vera, wie Clericus in arte Critica gewieſen. Vieles koͤmmt an auf providentiam divinam, aber nicht alles. Wir koͤnnen ſehen, daß unſer HErr GOtt ſolche fauten geſchehen laͤſſet, e. g. Wir ſehen alles, wie der Czaar gewachſen und ſich aggrandiret, wir wiſſen alle fauten, welche der Koͤnig in Schweden hierbey begangen. En general kan man ſagen, daß etwas auf providentiam divinam an- kommt, aber das iſt cauſa admodum remota, auch keine cauſa neceſſi- tans, ſondern es koͤmmt alles ex arbitrio. Nachdem nun einer ein ar- bitrium rationabile oder irrationabile hat, nachdem gehen auch ſeine Sa- chen von ſtatten. Wollte einer ſagen, daß GOtt allenthalben ſingula- riter concurrire, ſo muͤſten lauter miracula geſchehen, da faͤllt einer zu- letzt in Enthuſiasmum. Beym Moſe ſehe ich wohl, was da paſſiret, da waren miracula, aber das alte Teſtament koͤnnen wir nicht applici- ren auf unſere Welt. Das negire ich nicht, daß bisweilen ein accidens kommen koͤnne, welches machet, daß alles krebsgaͤngig wird. Deßwe- gen muß ein General einen magnum animi ambitum haben, damit er kan accidentia proſpicere, ſo viel ihm moͤglich iſt. Der Menſch hat freylich keinen infinitum intellectum, daß er alles kan voraus ſehen. §. 20. 21. Es iſt nichts diſputablers, als dergleichen Sachen, von welchen wir in der Politic handeln, und gehoͤret gewiß ein groſſes iu- dicium darzu; Wir handeln hier von Sachen, welche diverſas relatio- nes haben. Mancher will keine Feſtung; mancher will Feſtungen haben, mancher will viele, mancher wenig haben. Hier wird ſupponiret, daß einer weiß, was eine Feſtung iſt, welches anderwaͤrts gewieſen wird. Und wenn gleich ein Juriſt kein groſſer Mathematicus ſeyn will, ſo muß er doch die terminos verſtehen lernen, was ein Hornwerck, ein halber Mond ꝛc. da muß einer mathematica collegia hoͤren, wer aber gar nichts weiß, kan des P. Daniels Buch de la Milice de France leſen, worinn er admirable gewieſen, wie die fortifications nach und nach unter denen Koͤni- Von Veſtun- gen und Schantzen.

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/435>, abgerufen am 24.11.2024.