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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa bellum & pacem.
nae darunter verstanden werden. Ich habe sein Leben a part beschrieben.
Er hat die Theologie wohl verstanden, sonderlich aber war er in Staats-
Sachen, hauptsächlich was die interessen der Potenzen in Europa betraff,
wohl erfahren. Ohne interesse muß kein Krieg geführet werden; An-
derwärts ist auch das Exempel Caroli Audacis angeführet worden, wel-
cher ohne raison mit denen Schweitzern Krieg angefangen, vindictae
gratia
muß man keinen Krieg anfangen. Wenn die Pohlen satisfaction
thun werden, wird niemand mit ihnen Krieg anfangen, aber das Rauhe
muß man ihnen doch weisen. Bisweilen hat man raison, Frieden dem
Kriege vorzuziehen, weil der Krieg so viel incommoditäten hat. Offt
sind in einem Lande viel gefährliche conjuncturen, da muß man viel ver-
tragen, und sich nicht vollends ruiniren. Ein singularis homo, wenn
der sucht alles zu rächen, und sagt: Er wolle lieber zu Grunde gehen,
als dieses oder jenes eingehen, so thut er nicht wohl. Salus Graeciae ist
nicht daran gelegen. Hergegen wann ein Fürst so redet, der ist entwe-
der nicht gescheut, oder redet es in iracundia. Pfanner erzehlet in seiner
Historia Pacis VVestphal. daß, wie Friedrich VVilhelm gesehen, man
würde ihm Pommern wegnehmen und Schweden geben, so habe er ge-
sagt: Er rede nicht als ein Churfürst sondern als ein erzürneter Solda-
te. Sie haben recht geredet, hernach hat er sich auch begriffen: Denn
wenn ein grosser Herr kein Land mehr hat, so ist er auch kein grosser Herr
mehr. Carolus VII. wie er nichts als Bourges mehr hatte, so hat er
auf seinen Degen geklopfft und gesagt: Wenn er auch nichts mehr hät-
te, wolte er sein Leib und Leben daran wagen, aber nachgehends hat er
andere Gedancken bekommen, vid Bayle Dict. Hist. Crit. sub voc. Char-
les VII.
wie der König in Schweden bey Pultava geschlagen worden,
war ich eben in Berlin, da wurde gleich eine reflexion gemacht, daß der
König in Schweden zu einem von unsern ministris gesagt, er wolte sich
lieber lassen tod schlagen als weichen, und ist doch gewichen. Ein gros-
ser Herr kam nicht opmaitre seyn wie der König in Pohlen bey Nan-
stadt den Frieden mit den Schweden gemacht, der ihm so praejudicir-
lich gewesen, so hat auch ein gewisser Printz gesagt: Er wolte sich lie-
ber auf eine Pulver-Tonne setzen und in die Lufft sprengen lassen als ei-
nen solchen Frieden eingehen; Aber es konte da nicht anders seyn. Es
kan sich ja changiren, da kan man alles retabliren. Der Kayser gab
viel nach, wie die Schweden in Sachsen gestanden. Philippus IV. ver-
trug auch viel und wolt nicht mit dem Cromwell brechen, weil er nicht
im Stande war. Der König in Franckreich, wenn er nicht durch seine
Intriquen können die alliancen brechen, so hat er gesagt: Hier sind die

Prae-
G g g 2

ſtatus circa bellum & pacem.
darunter verſtanden werden. Ich habe ſein Leben a part beſchrieben.
Er hat die Theologie wohl verſtanden, ſonderlich aber war er in Staats-
Sachen, hauptſaͤchlich was die intereſſen der Potenzen in Europa betraff,
wohl erfahren. Ohne intereſſe muß kein Krieg gefuͤhret werden; An-
derwaͤrts iſt auch das Exempel Caroli Audacis angefuͤhret worden, wel-
cher ohne raiſon mit denen Schweitzern Krieg angefangen, vindictæ
gratia
muß man keinen Krieg anfangen. Wenn die Pohlen ſatisfaction
thun werden, wird niemand mit ihnen Krieg anfangen, aber das Rauhe
muß man ihnen doch weiſen. Bisweilen hat man raiſon, Frieden dem
Kriege vorzuziehen, weil der Krieg ſo viel incommoditaͤten hat. Offt
ſind in einem Lande viel gefaͤhrliche conjuncturen, da muß man viel ver-
tragen, und ſich nicht vollends ruiniren. Ein ſingularis homo, wenn
der ſucht alles zu raͤchen, und ſagt: Er wolle lieber zu Grunde gehen,
als dieſes oder jenes eingehen, ſo thut er nicht wohl. Salus Græciæ iſt
nicht daran gelegen. Hergegen wann ein Fuͤrſt ſo redet, der iſt entwe-
der nicht geſcheut, oder redet es in iracundia. Pfanner erzehlet in ſeiner
Hiſtoria Pacis VVeſtphal. daß, wie Friedrich VVilhelm geſehen, man
wuͤrde ihm Pommern wegnehmen und Schweden geben, ſo habe er ge-
ſagt: Er rede nicht als ein Churfuͤrſt ſondern als ein erzuͤrneter Solda-
te. Sie haben recht geredet, hernach hat er ſich auch begriffen: Denn
wenn ein groſſer Herr kein Land mehr hat, ſo iſt er auch kein groſſer Herr
mehr. Carolus VII. wie er nichts als Bourges mehr hatte, ſo hat er
auf ſeinen Degen geklopfft und geſagt: Wenn er auch nichts mehr haͤt-
te, wolte er ſein Leib und Leben daran wagen, aber nachgehends hat er
andere Gedancken bekommen, vid Bayle Dict. Hiſt. Crit. ſub voc. Char-
les VII.
wie der Koͤnig in Schweden bey Pultava geſchlagen worden,
war ich eben in Berlin, da wurde gleich eine reflexion gemacht, daß der
Koͤnig in Schweden zu einem von unſern miniſtris geſagt, er wolte ſich
lieber laſſen tod ſchlagen als weichen, und iſt doch gewichen. Ein groſ-
ſer Herr kam nicht opmaitre ſeyn wie der Koͤnig in Pohlen bey Nan-
ſtadt den Frieden mit den Schweden gemacht, der ihm ſo præjudicir-
lich geweſen, ſo hat auch ein gewiſſer Printz geſagt: Er wolte ſich lie-
ber auf eine Pulver-Tonne ſetzen und in die Lufft ſprengen laſſen als ei-
nen ſolchen Frieden eingehen; Aber es konte da nicht anders ſeyn. Es
kan ſich ja changiren, da kan man alles retabliren. Der Kayſer gab
viel nach, wie die Schweden in Sachſen geſtanden. Philippus IV. ver-
trug auch viel und wolt nicht mit dem Cromwell brechen, weil er nicht
im Stande war. Der Koͤnig in Franckreich, wenn er nicht durch ſeine
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[419/0439] ſtatus circa bellum & pacem. næ darunter verſtanden werden. Ich habe ſein Leben a part beſchrieben. Er hat die Theologie wohl verſtanden, ſonderlich aber war er in Staats- Sachen, hauptſaͤchlich was die intereſſen der Potenzen in Europa betraff, wohl erfahren. Ohne intereſſe muß kein Krieg gefuͤhret werden; An- derwaͤrts iſt auch das Exempel Caroli Audacis angefuͤhret worden, wel- cher ohne raiſon mit denen Schweitzern Krieg angefangen, vindictæ gratia muß man keinen Krieg anfangen. Wenn die Pohlen ſatisfaction thun werden, wird niemand mit ihnen Krieg anfangen, aber das Rauhe muß man ihnen doch weiſen. Bisweilen hat man raiſon, Frieden dem Kriege vorzuziehen, weil der Krieg ſo viel incommoditaͤten hat. Offt ſind in einem Lande viel gefaͤhrliche conjuncturen, da muß man viel ver- tragen, und ſich nicht vollends ruiniren. Ein ſingularis homo, wenn der ſucht alles zu raͤchen, und ſagt: Er wolle lieber zu Grunde gehen, als dieſes oder jenes eingehen, ſo thut er nicht wohl. Salus Græciæ iſt nicht daran gelegen. Hergegen wann ein Fuͤrſt ſo redet, der iſt entwe- der nicht geſcheut, oder redet es in iracundia. Pfanner erzehlet in ſeiner Hiſtoria Pacis VVeſtphal. daß, wie Friedrich VVilhelm geſehen, man wuͤrde ihm Pommern wegnehmen und Schweden geben, ſo habe er ge- ſagt: Er rede nicht als ein Churfuͤrſt ſondern als ein erzuͤrneter Solda- te. Sie haben recht geredet, hernach hat er ſich auch begriffen: Denn wenn ein groſſer Herr kein Land mehr hat, ſo iſt er auch kein groſſer Herr mehr. Carolus VII. wie er nichts als Bourges mehr hatte, ſo hat er auf ſeinen Degen geklopfft und geſagt: Wenn er auch nichts mehr haͤt- te, wolte er ſein Leib und Leben daran wagen, aber nachgehends hat er andere Gedancken bekommen, vid Bayle Dict. Hiſt. Crit. ſub voc. Char- les VII. wie der Koͤnig in Schweden bey Pultava geſchlagen worden, war ich eben in Berlin, da wurde gleich eine reflexion gemacht, daß der Koͤnig in Schweden zu einem von unſern miniſtris geſagt, er wolte ſich lieber laſſen tod ſchlagen als weichen, und iſt doch gewichen. Ein groſ- ſer Herr kam nicht opmaitre ſeyn wie der Koͤnig in Pohlen bey Nan- ſtadt den Frieden mit den Schweden gemacht, der ihm ſo præjudicir- lich geweſen, ſo hat auch ein gewiſſer Printz geſagt: Er wolte ſich lie- ber auf eine Pulver-Tonne ſetzen und in die Lufft ſprengen laſſen als ei- nen ſolchen Frieden eingehen; Aber es konte da nicht anders ſeyn. Es kan ſich ja changiren, da kan man alles retabliren. Der Kayſer gab viel nach, wie die Schweden in Sachſen geſtanden. Philippus IV. ver- trug auch viel und wolt nicht mit dem Cromwell brechen, weil er nicht im Stande war. Der Koͤnig in Franckreich, wenn er nicht durch ſeine Intriquen koͤnnen die alliancen brechen, ſo hat er geſagt: Hier ſind die Præ- G g g 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/439>, abgerufen am 24.11.2024.