Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

Bild:
<< vorherige Seite

status circa bellum & pacem.
uns erst Constantinopel wegnehmen, so wird sich hernach das andere
alles geben; welches auch geschehen. Es hat sich niemand gegen ihn
nachgehends mehr gewehret, als der Scanderbec in Albanien. Maho-
meths II.
Leben ist in Engeland heraus kommen. Carl Gustav gieng
vor Coppenhagen, das übrige würde er hernach weggenommen haben,
wenn er erst Coppenhagen gehabt. Man thut wohl, daß man auf
den Haupt-Ort los gehet, und sich nicht mit kleinen Städten aufhält,
die Zeit vergehet bey denen kleinen Städten, die Armee wird ruiniret,
und doch haben die conqueten, so man machet, keinen Einfluß ad sum-
mam verum.
Wie Philippus II. in Spanien die Schlacht bey Sanct
Quintin
gewonnen hatte, und Carolus V. der schon im Closter war, sol-
ches hörete, fragte er gleich: Ob sein Sohn nicht nach Paris gangen
wäre? Da er hörete, daß sein Sohn mit der Belagerung vor Sanct
Quintin
sich aufhielte, war er so böse, daß er wieder aus dem Closter
heraus gehen wollte, sich a la tete der Armee setzen, und nach Paris ge-
hen. Indeß er aber Sanct Quintin belagerte, recolligirten sich die Fran-
tzosen wieder. Carolus V. hat es vorher besser gemacht, der auch schon
einmahl an der Marne gewesen, und nach Paris gangen wäre, wenn
nicht die Engeländer es verhindert hätten, welche nicht haben wollten,
daß er so groß werden sollte. Die Engeländer machten es recht, wel-
che auch auf Paris loßgiengen, und wie sie Paris weg hatten, fiel ihnen alles
zu, so gar, daß Carolus VII. nichts mehr gehabt als Bourges. Hier ha-
ben viele grosse Capitains und Generals angestossen. An dem Gallasch
hat man getadelt, daß er immer eine kleine Stadt nach der andern
weggenommen, und sich damit aufgehalten; Es ist auch nicht zu rathen,
daß einer beständig Partheyen ausschickt, die machen keine decisive ba-
taille,
und wird doch viel Volck dadurch verderbt.

§. 25. Quaer. Ob man es solle auf eine decisive bataille lassenVon Schlach-
ten;

ankommen? Respond. Ich bin der Meynung, daß es bisweilen noth-
wendig, bisweilen aber auch schädlich. Man darff sich nur des Fabii
exempel
vorstellen, von welchen der alte Poet Ennius saget, unus homo
nobis cunctando restituit rem.
Der Czaar hat eine grosse Klugheit
hierinne bewiesen, daß, wie der König in Schweden nach Moscau gieng,
so hätte der Czaar immer können batailliren, aber er hat es nicht ge-
than, sondern er marchirte voraus, versengete und verbrannte alles, da-
mit die Schweden keine subsistence hätten. Wie er nun sahe, daß die
Schweden lache waren, so gieng er auf sie loß. Hätte er gleich ge-
schlagen, da die Schweden noch munter waren, würde es übel abge-
lauffen seyn, und der König in Schweden vielleicht seine intention er-

halten
G g g 3

ſtatus circa bellum & pacem.
uns erſt Conſtantinopel wegnehmen, ſo wird ſich hernach das andere
alles geben; welches auch geſchehen. Es hat ſich niemand gegen ihn
nachgehends mehr gewehret, als der Scanderbec in Albanien. Maho-
meths II.
Leben iſt in Engeland heraus kommen. Carl Guſtav gieng
vor Coppenhagen, das uͤbrige wuͤrde er hernach weggenommen haben,
wenn er erſt Coppenhagen gehabt. Man thut wohl, daß man auf
den Haupt-Ort los gehet, und ſich nicht mit kleinen Staͤdten aufhaͤlt,
die Zeit vergehet bey denen kleinen Staͤdten, die Armee wird ruiniret,
und doch haben die conqueten, ſo man machet, keinen Einfluß ad ſum-
mam verum.
Wie Philippus II. in Spanien die Schlacht bey Sanct
Quintin
gewonnen hatte, und Carolus V. der ſchon im Cloſter war, ſol-
ches hoͤrete, fragte er gleich: Ob ſein Sohn nicht nach Paris gangen
waͤre? Da er hoͤrete, daß ſein Sohn mit der Belagerung vor Sanct
Quintin
ſich aufhielte, war er ſo boͤſe, daß er wieder aus dem Cloſter
heraus gehen wollte, ſich a la tête der Armee ſetzen, und nach Paris ge-
hen. Indeß er aber Sanct Quintin belagerte, recolligirten ſich die Fran-
tzoſen wieder. Carolus V. hat es vorher beſſer gemacht, der auch ſchon
einmahl an der Marne geweſen, und nach Paris gangen waͤre, wenn
nicht die Engelaͤnder es verhindert haͤtten, welche nicht haben wollten,
daß er ſo groß werden ſollte. Die Engelaͤnder machten es recht, wel-
che auch auf Paris loßgiengen, und wie ſie Paris weg hatten, fiel ihnen alles
zu, ſo gar, daß Carolus VII. nichts mehr gehabt als Bourges. Hier ha-
ben viele groſſe Capitains und Generals angeſtoſſen. An dem Gallaſch
hat man getadelt, daß er immer eine kleine Stadt nach der andern
weggenommen, und ſich damit aufgehalten; Es iſt auch nicht zu rathen,
daß einer beſtaͤndig Partheyen ausſchickt, die machen keine deciſive ba-
taille,
und wird doch viel Volck dadurch verderbt.

§. 25. Quær. Ob man es ſolle auf eine deciſive bataille laſſenVon Schlach-
ten;

ankommen? Reſpond. Ich bin der Meynung, daß es bisweilen noth-
wendig, bisweilen aber auch ſchaͤdlich. Man darff ſich nur des Fabii
exempel
vorſtellen, von welchen der alte Poêt Ennius ſaget, unus homo
nobis cunctando reſtituit rem.
Der Czaar hat eine groſſe Klugheit
hierinne bewieſen, daß, wie der Koͤnig in Schweden nach Moſcau gieng,
ſo haͤtte der Czaar immer koͤnnen batailliren, aber er hat es nicht ge-
than, ſondern er marchirte voraus, verſengete und verbrannte alles, da-
mit die Schweden keine ſubſiſtence haͤtten. Wie er nun ſahe, daß die
Schweden lache waren, ſo gieng er auf ſie loß. Haͤtte er gleich ge-
ſchlagen, da die Schweden noch munter waren, wuͤrde es uͤbel abge-
lauffen ſeyn, und der Koͤnig in Schweden vielleicht ſeine intention er-

halten
G g g 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0441" n="421"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">&#x017F;tatus circa bellum &amp; pacem.</hi></fw><lb/>
uns er&#x017F;t Con&#x017F;tantinopel wegnehmen, &#x017F;o wird &#x017F;ich hernach das andere<lb/>
alles geben; welches auch ge&#x017F;chehen. Es hat &#x017F;ich niemand gegen ihn<lb/>
nachgehends mehr gewehret, als der <hi rendition="#aq">Scanderbec</hi> in Albanien. <hi rendition="#aq">Maho-<lb/>
meths II.</hi> Leben i&#x017F;t in Engeland heraus kommen. <hi rendition="#aq">Carl Gu&#x017F;tav</hi> gieng<lb/>
vor Coppenhagen, das u&#x0364;brige wu&#x0364;rde er hernach weggenommen haben,<lb/>
wenn er er&#x017F;t Coppenhagen gehabt. Man thut wohl, daß man auf<lb/>
den Haupt-Ort los gehet, und &#x017F;ich nicht mit kleinen Sta&#x0364;dten aufha&#x0364;lt,<lb/>
die Zeit vergehet bey denen kleinen Sta&#x0364;dten, die Armee wird <hi rendition="#aq">ruini</hi>ret,<lb/>
und doch haben die <hi rendition="#aq">conquet</hi>en, &#x017F;o man machet, keinen Einfluß <hi rendition="#aq">ad &#x017F;um-<lb/>
mam verum.</hi> Wie <hi rendition="#aq">Philippus II.</hi> in Spanien die Schlacht bey <hi rendition="#aq">Sanct<lb/>
Quintin</hi> gewonnen hatte, und <hi rendition="#aq">Carolus V.</hi> der &#x017F;chon im Clo&#x017F;ter war, &#x017F;ol-<lb/>
ches ho&#x0364;rete, fragte er gleich: Ob &#x017F;ein Sohn nicht nach Paris gangen<lb/>
wa&#x0364;re? Da er ho&#x0364;rete, daß &#x017F;ein Sohn mit der Belagerung vor <hi rendition="#aq">Sanct<lb/>
Quintin</hi> &#x017F;ich aufhielte, war er &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e, daß er wieder aus dem Clo&#x017F;ter<lb/>
heraus gehen wollte, &#x017F;ich <hi rendition="#aq">a la tête</hi> der Armee &#x017F;etzen, und nach Paris ge-<lb/>
hen. Indeß er aber <hi rendition="#aq">Sanct Quintin</hi> belagerte, <hi rendition="#aq">recolligi</hi>rten &#x017F;ich die Fran-<lb/>
tzo&#x017F;en wieder. <hi rendition="#aq">Carolus V.</hi> hat es vorher be&#x017F;&#x017F;er gemacht, der auch &#x017F;chon<lb/>
einmahl an der <hi rendition="#aq">Marne</hi> gewe&#x017F;en, und nach Paris gangen wa&#x0364;re, wenn<lb/>
nicht die Engela&#x0364;nder es verhindert ha&#x0364;tten, welche nicht haben wollten,<lb/>
daß er &#x017F;o groß werden &#x017F;ollte. Die Engela&#x0364;nder machten es recht, wel-<lb/>
che auch auf Paris loßgiengen, und wie &#x017F;ie Paris weg hatten, fiel ihnen alles<lb/>
zu, &#x017F;o gar, daß <hi rendition="#aq">Carolus VII.</hi> nichts mehr gehabt als <hi rendition="#aq">Bourges.</hi> Hier ha-<lb/>
ben viele gro&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">Capitains</hi> und Generals ange&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en. An dem <hi rendition="#aq">Galla&#x017F;ch</hi><lb/>
hat man getadelt, daß er immer eine kleine Stadt nach der andern<lb/>
weggenommen, und &#x017F;ich damit aufgehalten; Es i&#x017F;t auch nicht zu rathen,<lb/>
daß einer be&#x017F;ta&#x0364;ndig Partheyen aus&#x017F;chickt, die machen keine <hi rendition="#aq">deci&#x017F;ive ba-<lb/>
taille,</hi> und wird doch viel Volck dadurch verderbt.</p><lb/>
            <p>§. 25. <hi rendition="#aq">Quær.</hi> Ob man es &#x017F;olle auf eine <hi rendition="#aq">deci&#x017F;ive bataille</hi> la&#x017F;&#x017F;en<note place="right">Von Schlach-<lb/>
ten;</note><lb/>
ankommen? <hi rendition="#aq">Re&#x017F;pond.</hi> Ich bin der Meynung, daß es bisweilen noth-<lb/>
wendig, bisweilen aber auch &#x017F;cha&#x0364;dlich. Man darff &#x017F;ich nur des <hi rendition="#aq">Fabii<lb/>
exempel</hi> vor&#x017F;tellen, von welchen der alte <hi rendition="#aq">Poêt Ennius</hi> &#x017F;aget, <hi rendition="#aq">unus homo<lb/>
nobis cunctando re&#x017F;tituit rem.</hi> Der Czaar hat eine gro&#x017F;&#x017F;e Klugheit<lb/>
hierinne bewie&#x017F;en, daß, wie der Ko&#x0364;nig in Schweden nach Mo&#x017F;cau gieng,<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;tte der Czaar immer ko&#x0364;nnen <hi rendition="#aq">batailli</hi>ren, aber er hat es nicht ge-<lb/>
than, &#x017F;ondern er <hi rendition="#aq">marchi</hi>rte voraus, ver&#x017F;engete und verbrannte alles, da-<lb/>
mit die Schweden keine <hi rendition="#aq">&#x017F;ub&#x017F;i&#x017F;tence</hi> ha&#x0364;tten. Wie er nun &#x017F;ahe, daß die<lb/>
Schweden <hi rendition="#aq">lache</hi> waren, &#x017F;o gieng er auf &#x017F;ie loß. Ha&#x0364;tte er gleich ge-<lb/>
&#x017F;chlagen, da die Schweden noch munter waren, wu&#x0364;rde es u&#x0364;bel abge-<lb/>
lauffen &#x017F;eyn, und der Ko&#x0364;nig in Schweden vielleicht &#x017F;eine <hi rendition="#aq">intention</hi> er-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g g 3</fw><fw place="bottom" type="catch">halten</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0441] ſtatus circa bellum & pacem. uns erſt Conſtantinopel wegnehmen, ſo wird ſich hernach das andere alles geben; welches auch geſchehen. Es hat ſich niemand gegen ihn nachgehends mehr gewehret, als der Scanderbec in Albanien. Maho- meths II. Leben iſt in Engeland heraus kommen. Carl Guſtav gieng vor Coppenhagen, das uͤbrige wuͤrde er hernach weggenommen haben, wenn er erſt Coppenhagen gehabt. Man thut wohl, daß man auf den Haupt-Ort los gehet, und ſich nicht mit kleinen Staͤdten aufhaͤlt, die Zeit vergehet bey denen kleinen Staͤdten, die Armee wird ruiniret, und doch haben die conqueten, ſo man machet, keinen Einfluß ad ſum- mam verum. Wie Philippus II. in Spanien die Schlacht bey Sanct Quintin gewonnen hatte, und Carolus V. der ſchon im Cloſter war, ſol- ches hoͤrete, fragte er gleich: Ob ſein Sohn nicht nach Paris gangen waͤre? Da er hoͤrete, daß ſein Sohn mit der Belagerung vor Sanct Quintin ſich aufhielte, war er ſo boͤſe, daß er wieder aus dem Cloſter heraus gehen wollte, ſich a la tête der Armee ſetzen, und nach Paris ge- hen. Indeß er aber Sanct Quintin belagerte, recolligirten ſich die Fran- tzoſen wieder. Carolus V. hat es vorher beſſer gemacht, der auch ſchon einmahl an der Marne geweſen, und nach Paris gangen waͤre, wenn nicht die Engelaͤnder es verhindert haͤtten, welche nicht haben wollten, daß er ſo groß werden ſollte. Die Engelaͤnder machten es recht, wel- che auch auf Paris loßgiengen, und wie ſie Paris weg hatten, fiel ihnen alles zu, ſo gar, daß Carolus VII. nichts mehr gehabt als Bourges. Hier ha- ben viele groſſe Capitains und Generals angeſtoſſen. An dem Gallaſch hat man getadelt, daß er immer eine kleine Stadt nach der andern weggenommen, und ſich damit aufgehalten; Es iſt auch nicht zu rathen, daß einer beſtaͤndig Partheyen ausſchickt, die machen keine deciſive ba- taille, und wird doch viel Volck dadurch verderbt. §. 25. Quær. Ob man es ſolle auf eine deciſive bataille laſſen ankommen? Reſpond. Ich bin der Meynung, daß es bisweilen noth- wendig, bisweilen aber auch ſchaͤdlich. Man darff ſich nur des Fabii exempel vorſtellen, von welchen der alte Poêt Ennius ſaget, unus homo nobis cunctando reſtituit rem. Der Czaar hat eine groſſe Klugheit hierinne bewieſen, daß, wie der Koͤnig in Schweden nach Moſcau gieng, ſo haͤtte der Czaar immer koͤnnen batailliren, aber er hat es nicht ge- than, ſondern er marchirte voraus, verſengete und verbrannte alles, da- mit die Schweden keine ſubſiſtence haͤtten. Wie er nun ſahe, daß die Schweden lache waren, ſo gieng er auf ſie loß. Haͤtte er gleich ge- ſchlagen, da die Schweden noch munter waren, wuͤrde es uͤbel abge- lauffen ſeyn, und der Koͤnig in Schweden vielleicht ſeine intention er- halten Von Schlach- ten; G g g 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/441
Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/441>, abgerufen am 20.05.2024.