Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia dermann siehet, daß, wenn ich hoch stehe, ich mehr avantage habe, als wennich niedrig stehe. Ich kan sehen, wo der Feind herkommet, kan auch besser schiessen. Wenn die Leute den Berg hinauf sollen, macht es ihnen Mühe, sie werden müde. Daher ist es uns Blutsauer worden, da wir den Schellenberg attaquiret. Die Engeländer giengen gleich zu, wurden aber alle niedergeschossen. Hergegen Printz Louis sagte, die Teutschen soll- ten kriechen, da sie auch den Ort einbekommen. Bisweilen ist der Ort so beschaffen, daß die Cavallerie nicht kan gebrauchet werden, als wie in der bataille bey Turin die Frantzosen ihre Cavallerie nicht brauchen konn- ten. Wenn der General Steinbock überleget, wie das Terrain bey Tön- ningen beschaffen, daß er nicht würde gnug zu fressen haben, würde er sich nicht haben lassen einschliessen. Torstensohn war gescheut, Gallasch hatte sie auch in Hollstein eingeschlossen. Torstensohn aber ließ über den Morast fachinen legen, und kam glücklich weg. Man denckt, es sey an dem loco nicht viel gelegen, da doch viele fauten begangen werden, welche die Generals darbey begangen, davon Lipsius viele exempla pro- poniret. Wer viel Cavallerie hat, muß eine plaine haben. Wer viel Infanterie hat, muß sehen, daß er einen Morast auf die Seite kriegt, da- mit auf die Seite niemand beykommen kan. Wie der Tilly sich bey Leipzig retrenchirte, und zog sich aus seinem Lager heraus, so hat Gustav Adolph solches als einen grossen Fehler angesehen. Wäre er im Lager blieben, so hätte ihm Gustav Adolph nichts thun können. Diesen Feh- ler hat nachgehends der VVallenstein ersetzet: Denn dieser kam nur vier und zwantzig Stunden eher, als der König in Schweden, da er gleich retrenchements aufführen lassen, und ist auch der König da geblieben. Es kömmt auch viel darauf an, wer die Sonne im Gesicht hat, oder den Wind. Reinhard hat in seinen notis ad Lipsii Politic. pag. 1699. unterschiedliche exempla hiervon beygebracht. Dieses ist zu mercken, daß, als Gustav Adolph dem Tilly die bataille lieffern wollen, so hat er ihn nicht gleich attaquiret, sondern ist erst herum marchiret, bis er die Son- ne in den Rücken bekommen, alsdenn ist er auf ihn loßgegangen. Ta- citus hat eine artige expression hievon, wenn er sagt: Oculi primum vincunt. Es haben auch die Scriptores, stratagemata, als der Poliaenus, Fronti- nus. Dieses wird mit unter die stratagementa gezehlet, und gehet es auch gar wohl an. Es ist freylich viel daran gelegen, daß man sich nicht bloß giebt, son- dern retrenchements machet. Hierinnen wird der VVallenstein gelobet, und würde er auch die bataille wider Schweden gewonnen haben, aber durch ein accidens verdarb er dieselbe. Die Kayserlichen hatten schon die Hüthe in die Höhe geworffen, daß sie die victorie hätten, VVallenstein wurde auf seinen
Cap. V. De prudentia dermann ſiehet, daß, wenn ich hoch ſtehe, ich mehr avantage habe, als wennich niedrig ſtehe. Ich kan ſehen, wo der Feind herkommet, kan auch beſſer ſchieſſen. Wenn die Leute den Berg hinauf ſollen, macht es ihnen Muͤhe, ſie werden muͤde. Daher iſt es uns Blutſauer worden, da wir den Schellenberg attaquiret. Die Engelaͤnder giengen gleich zu, wurden aber alle niedergeſchoſſen. Hergegen Printz Louis ſagte, die Teutſchen ſoll- ten kriechen, da ſie auch den Ort einbekommen. Bisweilen iſt der Ort ſo beſchaffen, daß die Cavallerie nicht kan gebrauchet werden, als wie in der bataille bey Turin die Frantzoſen ihre Cavallerie nicht brauchen konn- ten. Wenn der General Steinbock uͤberleget, wie das Terrain bey Toͤn- ningen beſchaffen, daß er nicht wuͤrde gnug zu freſſen haben, wuͤrde er ſich nicht haben laſſen einſchlieſſen. Torſtenſohn war geſcheut, Gallaſch hatte ſie auch in Hollſtein eingeſchloſſen. Torſtenſohn aber ließ uͤber den Moraſt fachinen legen, und kam gluͤcklich weg. Man denckt, es ſey an dem loco nicht viel gelegen, da doch viele fauten begangen werden, welche die Generals darbey begangen, davon Lipſius viele exempla pro- poniret. Wer viel Cavallerie hat, muß eine plaine haben. Wer viel Infanterie hat, muß ſehen, daß er einen Moraſt auf die Seite kriegt, da- mit auf die Seite niemand beykommen kan. Wie der Tilly ſich bey Leipzig retrenchirte, und zog ſich aus ſeinem Lager heraus, ſo hat Guſtav Adolph ſolches als einen groſſen Fehler angeſehen. Waͤre er im Lager blieben, ſo haͤtte ihm Guſtav Adolph nichts thun koͤnnen. Dieſen Feh- ler hat nachgehends der VVallenſtein erſetzet: Denn dieſer kam nur vier und zwantzig Stunden eher, als der Koͤnig in Schweden, da er gleich retrenchements auffuͤhren laſſen, und iſt auch der Koͤnig da geblieben. Es koͤmmt auch viel darauf an, wer die Sonne im Geſicht hat, oder den Wind. Reinhard hat in ſeinen notis ad Lipſii Politic. pag. 1699. unterſchiedliche exempla hiervon beygebracht. Dieſes iſt zu mercken, daß, als Guſtav Adolph dem Tilly die bataille lieffern wollen, ſo hat er ihn nicht gleich attaquiret, ſondern iſt erſt herum marchiret, bis er die Son- ne in den Ruͤcken bekommen, alsdenn iſt er auf ihn loßgegangen. Ta- citus hat eine artige expreſſion hievon, wenn er ſagt: Oculi primum vincunt. Es haben auch die Scriptores, ſtratagemata, als der Poliænus, Fronti- nus. Dieſes wird mit unter die ſtratagementa gezehlet, und gehet es auch gar wohl an. Es iſt freylich viel daran gelegen, daß man ſich nicht bloß giebt, ſon- dern retrenchements machet. Hierinnen wird der VVallenſtein gelobet, und wuͤrde er auch die bataille wider Schweden gewonnen haben, aber durch ein accidens verdarb er dieſelbe. Die Kayſerlichen hatten ſchon die Huͤthe in die Hoͤhe geworffen, daß ſie die victorie haͤtten, VVallenſtein wurde auf ſeinen
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ich niedrig ſtehe. Ich kan ſehen, wo der Feind herkommet, kan auch
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Muͤhe, ſie werden muͤde. Daher iſt es uns Blutſauer worden, da wir den
Schellenberg attaquiret. Die Engelaͤnder giengen gleich zu, wurden aber
alle niedergeſchoſſen. Hergegen Printz Louis ſagte, die Teutſchen ſoll-
ten kriechen, da ſie auch den Ort einbekommen. Bisweilen iſt der Ort
ſo beſchaffen, daß die Cavallerie nicht kan gebrauchet werden, als wie in
der bataille bey Turin die Frantzoſen ihre Cavallerie nicht brauchen konn-
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ſich nicht haben laſſen einſchlieſſen. Torſtenſohn war geſcheut, Gallaſch
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an dem loco nicht viel gelegen, da doch viele fauten begangen werden,
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Infanterie hat, muß ſehen, daß er einen Moraſt auf die Seite kriegt, da-
mit auf die Seite niemand beykommen kan. Wie der Tilly ſich bey
Leipzig retrenchirte, und zog ſich aus ſeinem Lager heraus, ſo hat Guſtav
Adolph ſolches als einen groſſen Fehler angeſehen. Waͤre er im Lager
blieben, ſo haͤtte ihm Guſtav Adolph nichts thun koͤnnen. Dieſen Feh-
ler hat nachgehends der VVallenſtein erſetzet: Denn dieſer kam nur vier
und zwantzig Stunden eher, als der Koͤnig in Schweden, da er gleich
retrenchements auffuͤhren laſſen, und iſt auch der Koͤnig da geblieben.
Es koͤmmt auch viel darauf an, wer die Sonne im Geſicht hat, oder
den Wind. Reinhard hat in ſeinen notis ad Lipſii Politic. pag. 1699.
unterſchiedliche exempla hiervon beygebracht. Dieſes iſt zu mercken, daß,
als Guſtav Adolph dem Tilly die bataille lieffern wollen, ſo hat er ihn
nicht gleich attaquiret, ſondern iſt erſt herum marchiret, bis er die Son-
ne in den Ruͤcken bekommen, alsdenn iſt er auf ihn loßgegangen. Ta-
citus hat eine artige expreſſion hievon, wenn er ſagt: Oculi primum
vincunt. Es haben auch die Scriptores, ſtratagemata, als der Poliænus, Fronti-
nus. Dieſes wird mit unter die ſtratagementa gezehlet, und gehet es auch gar
wohl an. Es iſt freylich viel daran gelegen, daß man ſich nicht bloß giebt, ſon-
dern retrenchements machet. Hierinnen wird der VVallenſtein gelobet, und
wuͤrde er auch die bataille wider Schweden gewonnen haben, aber durch ein
accidens verdarb er dieſelbe. Die Kayſerlichen hatten ſchon die Huͤthe in
die Hoͤhe geworffen, daß ſie die victorie haͤtten, VVallenſtein wurde auf
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