Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. I. De Natura die caussas suche, warum die Republic übern Hauffen gehet. Ich ma-che ein axioma, und sage: Wer hurt, frist etc. kan der bellicosus seyn? Nein. Ich nehme als ein postulatum an: Die neben uns sind, sind unsere Feinde, welches man gar leicht beweisen kan. Denn warum haben wir Vestungen auf denen Gräntzen, warum nehmen wir die Pas- sagiers in arrest, welche keinen Paß haben? Eben darum, weil wir ih- nen nicht trauen. Also kan keine andere conclusion folgen, als diese, luxu perduntur civitates. Wenn einer daran zweiffelt, es ist ihm zu ab- stract, so giebet man ihm Exempel, und sagt: Sic periit Carthago; sic periit Hispania; sic periit Roma; sic periit respublica Iudaeorum. Wenn eine revolution soll werden, so kommt allemahl einer, der vigilant ist, dieser supprimiret erst kleine Staaten, wodurch er sich aggrandiret, die andern Nachbarn aber sind unordentlich, damit wirfft er solche über den Hauffen. Daher findet man, daß bisweilen ein kleines Reich gros- se übern Hauffen geworffen, als wie der Basilowiz in Moscau gethan. Man könnte hier auch ein Exempel geben de vectigalibus imponendis, welches ebenfalls kan demonstriret werden; Dergleichen Exempla aber werden viel in progressu gegeben werden: denn dadurch wird die politi- sche Wissenschafft angenehmer. Obgedachter Silhon erinnert in seinen Ministre d'Etaat gar wohl, daß einige aus dieser Ursachen auf die Mey- nung gefallen, man könne keine demonstrationes in moralibus haben, weil sie gesehen, daß sich viele Sachen in einander verwickeln. Allein man muß einen Punct nach dem andern nehmen, so kan man gar wohl de- monstriren. Er saget auch: Die wenigsten Leute wissen etwas von Regierungs-Sachen, und haben auch gehöret: Mundus regitur opinio- nibus; mundus regitur parva sapientia, deßwegen können sie sich keine demonstrationes concipiren. Aber wenn man alles resolviret, kan man es deutlich zeigen. Gleichwie du eine Gewißheit hast, daß 3. mahl 3. so viel als 9. so hast du eben eine solche Gewißheit, wenn einer sagt: lu- xus &c. und die definition ist dir vorher bekannt. * Dicis: Es ist wohl wahr, daß man in politicis demonstrationes machen kan, aber es kommt doch hernach auf die Application an? Respond. Es ist da eben so, wie in der Ju- * Das hat Lock admirable gewiesen in seinem Buch, de intellectu humano, wel-
ches excellent, und würde solches noch mehr ingrefs gefunden haben, wenn er lauter exempla popularia gegeben. Denn da begreifft man die Sache am Besten. Es wäre zu wünschen, daß einer diß Buch mit solchen Exem- plis illustrirte. Lock hat freylich unterschiedliche Fehler, deßwegen aber kan man ihn nicht gäntzlich verwerffen, an allen ist was auszusetzen, pauci sun- sapientes. Cap. I. De Natura die cauſſas ſuche, warum die Republic uͤbern Hauffen gehet. Ich ma-che ein axioma, und ſage: Wer hurt, friſt ꝛc. kan der bellicoſus ſeyn? Nein. Ich nehme als ein poſtulatum an: Die neben uns ſind, ſind unſere Feinde, welches man gar leicht beweiſen kan. Denn warum haben wir Veſtungen auf denen Graͤntzen, warum nehmen wir die Paſ- ſagiers in arreſt, welche keinen Paß haben? Eben darum, weil wir ih- nen nicht trauen. Alſo kan keine andere concluſion folgen, als dieſe, luxu perduntur civitates. Wenn einer daran zweiffelt, es iſt ihm zu ab- ſtract, ſo giebet man ihm Exempel, und ſagt: Sic periit Carthago; ſic periit Hiſpania; ſic periit Roma; ſic periit respublica Iudæorum. Wenn eine revolution ſoll werden, ſo kommt allemahl einer, der vigilant iſt, dieſer ſupprimiret erſt kleine Staaten, wodurch er ſich aggrandiret, die andern Nachbarn aber ſind unordentlich, damit wirfft er ſolche uͤber den Hauffen. Daher findet man, daß bisweilen ein kleines Reich groſ- ſe uͤbern Hauffen geworffen, als wie der Baſilowiz in Moſcau gethan. Man koͤnnte hier auch ein Exempel geben de vectigalibus imponendis, welches ebenfalls kan demonſtriret werden; Dergleichen Exempla aber werden viel in progreſſu gegeben werden: denn dadurch wird die politi- ſche Wiſſenſchafft angenehmer. Obgedachter Silhon erinnert in ſeinen Miniſtre d’Etaat gar wohl, daß einige aus dieſer Urſachen auf die Mey- nung gefallen, man koͤnne keine demonſtrationes in moralibus haben, weil ſie geſehen, daß ſich viele Sachen in einander verwickeln. Allein man muß einen Punct nach dem andern nehmen, ſo kan man gar wohl de- monſtriren. Er ſaget auch: Die wenigſten Leute wiſſen etwas von Regierungs-Sachen, und haben auch gehoͤret: Mundus regitur opinio- nibus; mundus regitur parva ſapientia, deßwegen koͤnnen ſie ſich keine demonſtrationes concipiren. Aber wenn man alles reſolviret, kan man es deutlich zeigen. Gleichwie du eine Gewißheit haſt, daß 3. mahl 3. ſo viel als 9. ſo haſt du eben eine ſolche Gewißheit, wenn einer ſagt: lu- xus &c. und die definition iſt dir vorher bekannt. * Dicis: Es iſt wohl wahr, daß man in politicis demonſtrationes machen kan, aber es kommt doch hernach auf die Application an? Reſpond. Es iſt da eben ſo, wie in der Ju- * Das hat Lock admirable gewieſen in ſeinem Buch, de intellectu humano, wel-
ches excellent, und wuͤrde ſolches noch mehr ingrefs gefunden haben, wenn er lauter exempla popularia gegeben. Denn da begreifft man die Sache am Beſten. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß einer diß Buch mit ſolchen Exem- plis illuſtrirte. Lock hat freylich unterſchiedliche Fehler, deßwegen aber kan man ihn nicht gaͤntzlich verwerffen, an allen iſt was auszuſetzen, pauci ſun- ſapientes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="26"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Cap.</hi> I. De Natura</hi></fw><lb/> die <hi rendition="#aq">cauſſas</hi> ſuche, warum die Republic uͤbern Hauffen gehet. Ich ma-<lb/> che ein <hi rendition="#aq">axioma,</hi> und ſage: Wer hurt, friſt ꝛc. kan der <hi rendition="#aq">bellicoſus</hi> ſeyn?<lb/> Nein. Ich nehme als ein <hi rendition="#aq">poſtulatum</hi> an: Die neben uns ſind, ſind<lb/> unſere Feinde, welches man gar leicht beweiſen kan. Denn warum<lb/> haben wir Veſtungen auf denen Graͤntzen, warum nehmen wir die <hi rendition="#aq">Paſ-<lb/> ſagiers</hi> in <hi rendition="#aq">arreſt,</hi> welche keinen Paß haben? Eben darum, weil wir ih-<lb/> nen nicht trauen. Alſo kan keine andere <hi rendition="#aq">concluſion</hi> folgen, als dieſe,<lb/><hi rendition="#aq">luxu perduntur civitates.</hi> Wenn einer daran zweiffelt, es iſt ihm zu <hi rendition="#aq">ab-<lb/> ſtract,</hi> ſo giebet man ihm Exempel, und ſagt: <hi rendition="#aq">Sic periit Carthago; ſic<lb/> periit Hiſpania; ſic periit Roma; ſic periit respublica Iudæorum.</hi> Wenn<lb/> eine <hi rendition="#aq">revolution</hi> ſoll werden, ſo kommt allemahl einer, der <hi rendition="#aq">vigilant</hi> iſt,<lb/> dieſer <hi rendition="#aq">ſupprimi</hi>ret erſt kleine Staaten, wodurch er ſich <hi rendition="#aq">aggrandi</hi>ret, die<lb/> andern Nachbarn aber ſind unordentlich, damit wirfft er ſolche uͤber<lb/> den Hauffen. Daher findet man, daß bisweilen ein kleines Reich groſ-<lb/> ſe uͤbern Hauffen geworffen, als wie der <hi rendition="#aq">Baſilowiz</hi> in Moſcau gethan.<lb/> Man koͤnnte hier auch ein Exempel geben <hi rendition="#aq">de vectigalibus imponendis,</hi><lb/> welches ebenfalls kan <hi rendition="#aq">demonſtri</hi>ret werden; Dergleichen <hi rendition="#aq">Exempla</hi> aber<lb/> werden viel <hi rendition="#aq">in progreſſu</hi> gegeben werden: denn dadurch wird die politi-<lb/> ſche Wiſſenſchafft angenehmer. Obgedachter <hi rendition="#aq">Silhon</hi> erinnert in ſeinen<lb/><hi rendition="#aq">Miniſtre d’Etaat</hi> gar wohl, daß einige aus dieſer Urſachen auf die Mey-<lb/> nung gefallen, man koͤnne keine <hi rendition="#aq">demonſtrationes in moralibus</hi> haben, weil<lb/> ſie geſehen, daß ſich viele Sachen in einander verwickeln. Allein man<lb/> muß einen <hi rendition="#aq">Punct</hi> nach dem andern nehmen, ſo kan man gar wohl <hi rendition="#aq">de-<lb/> monſtri</hi>ren. Er ſaget auch: Die wenigſten Leute wiſſen etwas von<lb/> Regierungs-Sachen, und haben auch gehoͤret: <hi rendition="#aq">Mundus regitur opinio-<lb/> nibus; mundus regitur parva ſapientia,</hi> deßwegen koͤnnen ſie ſich keine<lb/><hi rendition="#aq">demonſtrationes concipi</hi>ren. Aber wenn man alles <hi rendition="#aq">reſolvi</hi>ret, kan man<lb/> es deutlich zeigen. Gleichwie du eine Gewißheit haſt, daß 3. mahl 3.<lb/> ſo viel als 9. ſo haſt du eben eine ſolche Gewißheit, wenn einer ſagt: <hi rendition="#aq">lu-<lb/> xus &c.</hi> und die <hi rendition="#aq">definition</hi> iſt dir vorher bekannt. <note place="foot" n="*">Das hat <hi rendition="#aq">Lock admirable</hi> gewieſen in ſeinem Buch, <hi rendition="#aq">de intellectu humano,</hi> wel-<lb/><hi rendition="#et">ches <hi rendition="#aq">excellent,</hi> und wuͤrde ſolches noch mehr <hi rendition="#aq">ingrefs</hi> gefunden haben, wenn<lb/> er lauter <hi rendition="#aq">exempla popularia</hi> gegeben. Denn da begreifft man die Sache<lb/> am Beſten. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß einer diß Buch mit ſolchen <hi rendition="#aq">Exem-<lb/> plis illuſtri</hi>rte. <hi rendition="#aq">Lock</hi> hat freylich unterſchiedliche Fehler, deßwegen aber kan<lb/> man ihn nicht gaͤntzlich verwerffen, an allen iſt was auszuſetzen, <hi rendition="#aq">pauci ſun-<lb/> ſapientes.</hi></hi></note> <hi rendition="#aq">Dicis:</hi> Es iſt wohl<lb/> wahr, daß man <hi rendition="#aq">in politicis demonſtrationes</hi> machen kan, aber es kommt doch<lb/> hernach auf die <hi rendition="#aq">Application</hi> an? <hi rendition="#aq">Reſpond.</hi> Es iſt da eben ſo, wie in der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ju-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0046]
Cap. I. De Natura
die cauſſas ſuche, warum die Republic uͤbern Hauffen gehet. Ich ma-
che ein axioma, und ſage: Wer hurt, friſt ꝛc. kan der bellicoſus ſeyn?
Nein. Ich nehme als ein poſtulatum an: Die neben uns ſind, ſind
unſere Feinde, welches man gar leicht beweiſen kan. Denn warum
haben wir Veſtungen auf denen Graͤntzen, warum nehmen wir die Paſ-
ſagiers in arreſt, welche keinen Paß haben? Eben darum, weil wir ih-
nen nicht trauen. Alſo kan keine andere concluſion folgen, als dieſe,
luxu perduntur civitates. Wenn einer daran zweiffelt, es iſt ihm zu ab-
ſtract, ſo giebet man ihm Exempel, und ſagt: Sic periit Carthago; ſic
periit Hiſpania; ſic periit Roma; ſic periit respublica Iudæorum. Wenn
eine revolution ſoll werden, ſo kommt allemahl einer, der vigilant iſt,
dieſer ſupprimiret erſt kleine Staaten, wodurch er ſich aggrandiret, die
andern Nachbarn aber ſind unordentlich, damit wirfft er ſolche uͤber
den Hauffen. Daher findet man, daß bisweilen ein kleines Reich groſ-
ſe uͤbern Hauffen geworffen, als wie der Baſilowiz in Moſcau gethan.
Man koͤnnte hier auch ein Exempel geben de vectigalibus imponendis,
welches ebenfalls kan demonſtriret werden; Dergleichen Exempla aber
werden viel in progreſſu gegeben werden: denn dadurch wird die politi-
ſche Wiſſenſchafft angenehmer. Obgedachter Silhon erinnert in ſeinen
Miniſtre d’Etaat gar wohl, daß einige aus dieſer Urſachen auf die Mey-
nung gefallen, man koͤnne keine demonſtrationes in moralibus haben, weil
ſie geſehen, daß ſich viele Sachen in einander verwickeln. Allein man
muß einen Punct nach dem andern nehmen, ſo kan man gar wohl de-
monſtriren. Er ſaget auch: Die wenigſten Leute wiſſen etwas von
Regierungs-Sachen, und haben auch gehoͤret: Mundus regitur opinio-
nibus; mundus regitur parva ſapientia, deßwegen koͤnnen ſie ſich keine
demonſtrationes concipiren. Aber wenn man alles reſolviret, kan man
es deutlich zeigen. Gleichwie du eine Gewißheit haſt, daß 3. mahl 3.
ſo viel als 9. ſo haſt du eben eine ſolche Gewißheit, wenn einer ſagt: lu-
xus &c. und die definition iſt dir vorher bekannt. * Dicis: Es iſt wohl
wahr, daß man in politicis demonſtrationes machen kan, aber es kommt doch
hernach auf die Application an? Reſpond. Es iſt da eben ſo, wie in der
Ju-
* Das hat Lock admirable gewieſen in ſeinem Buch, de intellectu humano, wel-
ches excellent, und wuͤrde ſolches noch mehr ingrefs gefunden haben, wenn
er lauter exempla popularia gegeben. Denn da begreifft man die Sache
am Beſten. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß einer diß Buch mit ſolchen Exem-
plis illuſtrirte. Lock hat freylich unterſchiedliche Fehler, deßwegen aber kan
man ihn nicht gaͤntzlich verwerffen, an allen iſt was auszuſetzen, pauci ſun-
ſapientes.
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