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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
gesehen, daß in der Republic eine grosse confusion, deßwegen hat er
scharffe Leges gegeben. Der Lex Cornelia de Sicariis kömmt von ihm
her. Da Augusti Tochter, Julia, credenzet, und sein Hauß dadurch be-
schimpfft worden, hat er unter die Crimina Majestatis gesetzt, wenn einer
sich an Domo Augustae vergreiffen würde, ja, wenn einer nur davon wüste,
und zeigte es nicht an, das sollte als ein Crimen Majestatis angesehen
werden. Drum meynen einige, der Ovidius sey deßwegen relegirt wor-
den, weil er um die Amours der Juliae gewust, und solches nicht angezeigt
habe. Wiewohl Masson in Vita ejus meynet, es sey in facto nicht wahr.
Amelot in seinem Tiberio hat eben über dieses factum eine reflexion
gemacht, und gewiesen, daß alle Kupplers als Rei Crim. laesae Majestatis
angesehen worden. Eigentlich ists kein Crimen status, aber der Prin-
ceps
sagt: Ego in contemtum adducor. Sylla hat nicht einmahl pro-
scriptorum filiis
wollen pardon geben, weil ihre Väter ein Crimen per-
duellionis
begangen. Der Autor meynet, es gehöre dieses ad flagitia
dominationis,
allein, so weit kömmt es ex Jure dominationis, wenn die
Güter confisciret werden, und denen Kindern nichts gegeben wird. Puf-
fendorf defendi
ret auch, quod fieri possit jure: Denn was denen Eltern
gehöret, haben sie verwürckt, und müssen es die Kinder entbehren. Müs-
sen doch die Kinder eben nicht reich seyn, es giebt viel Arme in der Welt,
die Kinder werden hierdurch nicht gestrafft, sondern der Vater, der ist Ur-
sach, daß die Kinder nichts kriegen, quia tali crimine se conspurcavit. So
weit gehet es alle an, man läst sie vivere in paupertate: Denn ob zwar
keine necessaria consequentia, daß der Sohn sich wird rächen, weil der
Vater zu Grunde gangen, so ists doch probable, warum soll eben der
Herr diese Leute groß machen? Vielmehr kan er sie klein machen, ne
nocere possint.
Man wird fast kein Exempel finden, da die Kinder sich
nicht haben suchen zu rächen. Olden Barenfeld hatte einen Sohn, Stauf-
fenberg
genannt, der hat den Moritz wollen ums Leben bringen, er hat
auch sterben müssen. Aber die Kinder todt zu machen, ist hart. In
der That sind des Ragoczi Kinder sehr gelinde tractiret worden, indem
der Kayser ihnen noch Güter gegeben in Neapolis, ob sie gleich die Gü-
ter in Ungarn verlohren haben. Bisweilen heyrathet ein Princeps eine
Person, welche er secundum Legem stricte sic dictam nicht heyrathenkan;
das kömmt auf flagitia dominationis hinaus, wenn er incestuosas nuptias
celebri
ret. Vor diesem hat man bey denen Römern fratris filiam nicht
können heyrathen, Claudius aber heyrathete des Germanici, seines Bru-
ders, Tochter, die Agrippinam, und da er die Patres gefragt: ob es an-
gienge? haben sie gesagt: Ja; sonst aber war horridum insuetum matri-

monium

Cap. V. De prudentia
geſehen, daß in der Republic eine groſſe confuſion, deßwegen hat er
ſcharffe Leges gegeben. Der Lex Cornelia de Sicariis koͤmmt von ihm
her. Da Auguſti Tochter, Julia, credenzet, und ſein Hauß dadurch be-
ſchimpfft worden, hat er unter die Crimina Majeſtatis geſetzt, wenn einer
ſich an Domo Auguſtæ vergreiffen wuͤrde, ja, wenn einer nur davon wuͤſte,
und zeigte es nicht an, das ſollte als ein Crimen Majeſtatis angeſehen
werden. Drum meynen einige, der Ovidius ſey deßwegen relegirt wor-
den, weil er um die Amours der Juliæ gewuſt, und ſolches nicht angezeigt
habe. Wiewohl Maſſon in Vita ejus meynet, es ſey in facto nicht wahr.
Amelot in ſeinem Tiberio hat eben uͤber dieſes factum eine reflexion
gemacht, und gewieſen, daß alle Kupplers als Rei Crim. læſæ Majeſtatis
angeſehen worden. Eigentlich iſts kein Crimen ſtatus, aber der Prin-
ceps
ſagt: Ego in contemtum adducor. Sylla hat nicht einmahl pro-
ſcriptorum filiis
wollen pardon geben, weil ihre Vaͤter ein Crimen per-
duellionis
begangen. Der Autor meynet, es gehoͤre dieſes ad flagitia
dominationis,
allein, ſo weit koͤmmt es ex Jure dominationis, wenn die
Guͤter confiſciret werden, und denen Kindern nichts gegeben wird. Puf-
fendorf defendi
ret auch, quod fieri poſſit jure: Denn was denen Eltern
gehoͤret, haben ſie verwuͤrckt, und muͤſſen es die Kinder entbehren. Muͤſ-
ſen doch die Kinder eben nicht reich ſeyn, es giebt viel Arme in der Welt,
die Kinder werden hierdurch nicht geſtrafft, ſondern der Vater, der iſt Ur-
ſach, daß die Kinder nichts kriegen, quia tali crimine ſe conſpurcavit. So
weit gehet es alle an, man laͤſt ſie vivere in paupertate: Denn ob zwar
keine neceſſaria conſequentia, daß der Sohn ſich wird raͤchen, weil der
Vater zu Grunde gangen, ſo iſts doch probable, warum ſoll eben der
Herr dieſe Leute groß machen? Vielmehr kan er ſie klein machen, ne
nocere poſſint.
Man wird faſt kein Exempel finden, da die Kinder ſich
nicht haben ſuchen zu raͤchen. Olden Barenfeld hatte einen Sohn, Stauf-
fenberg
genannt, der hat den Moritz wollen ums Leben bringen, er hat
auch ſterben muͤſſen. Aber die Kinder todt zu machen, iſt hart. In
der That ſind des Ragoczi Kinder ſehr gelinde tractiret worden, indem
der Kayſer ihnen noch Guͤter gegeben in Neapolis, ob ſie gleich die Guͤ-
ter in Ungarn verlohren haben. Bisweilen heyrathet ein Princeps eine
Perſon, welche er ſecundum Legem ſtricte ſic dictam nicht heyrathenkan;
das koͤmmt auf flagitia dominationis hinaus, wenn er inceſtuoſas nuptias
celebri
ret. Vor dieſem hat man bey denen Roͤmern fratris filiam nicht
koͤnnen heyrathen, Claudius aber heyrathete des Germanici, ſeines Bru-
ders, Tochter, die Agrippinam, und da er die Patres gefragt: ob es an-
gienge? haben ſie geſagt: Ja; ſonſt aber war horridum inſuetum matri-

monium
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[458/0478] Cap. V. De prudentia geſehen, daß in der Republic eine groſſe confuſion, deßwegen hat er ſcharffe Leges gegeben. Der Lex Cornelia de Sicariis koͤmmt von ihm her. Da Auguſti Tochter, Julia, credenzet, und ſein Hauß dadurch be- ſchimpfft worden, hat er unter die Crimina Majeſtatis geſetzt, wenn einer ſich an Domo Auguſtæ vergreiffen wuͤrde, ja, wenn einer nur davon wuͤſte, und zeigte es nicht an, das ſollte als ein Crimen Majeſtatis angeſehen werden. Drum meynen einige, der Ovidius ſey deßwegen relegirt wor- den, weil er um die Amours der Juliæ gewuſt, und ſolches nicht angezeigt habe. Wiewohl Maſſon in Vita ejus meynet, es ſey in facto nicht wahr. Amelot in ſeinem Tiberio hat eben uͤber dieſes factum eine reflexion gemacht, und gewieſen, daß alle Kupplers als Rei Crim. læſæ Majeſtatis angeſehen worden. Eigentlich iſts kein Crimen ſtatus, aber der Prin- ceps ſagt: Ego in contemtum adducor. Sylla hat nicht einmahl pro- ſcriptorum filiis wollen pardon geben, weil ihre Vaͤter ein Crimen per- duellionis begangen. Der Autor meynet, es gehoͤre dieſes ad flagitia dominationis, allein, ſo weit koͤmmt es ex Jure dominationis, wenn die Guͤter confiſciret werden, und denen Kindern nichts gegeben wird. Puf- fendorf defendiret auch, quod fieri poſſit jure: Denn was denen Eltern gehoͤret, haben ſie verwuͤrckt, und muͤſſen es die Kinder entbehren. Muͤſ- ſen doch die Kinder eben nicht reich ſeyn, es giebt viel Arme in der Welt, die Kinder werden hierdurch nicht geſtrafft, ſondern der Vater, der iſt Ur- ſach, daß die Kinder nichts kriegen, quia tali crimine ſe conſpurcavit. So weit gehet es alle an, man laͤſt ſie vivere in paupertate: Denn ob zwar keine neceſſaria conſequentia, daß der Sohn ſich wird raͤchen, weil der Vater zu Grunde gangen, ſo iſts doch probable, warum ſoll eben der Herr dieſe Leute groß machen? Vielmehr kan er ſie klein machen, ne nocere poſſint. Man wird faſt kein Exempel finden, da die Kinder ſich nicht haben ſuchen zu raͤchen. Olden Barenfeld hatte einen Sohn, Stauf- fenberg genannt, der hat den Moritz wollen ums Leben bringen, er hat auch ſterben muͤſſen. Aber die Kinder todt zu machen, iſt hart. In der That ſind des Ragoczi Kinder ſehr gelinde tractiret worden, indem der Kayſer ihnen noch Guͤter gegeben in Neapolis, ob ſie gleich die Guͤ- ter in Ungarn verlohren haben. Bisweilen heyrathet ein Princeps eine Perſon, welche er ſecundum Legem ſtricte ſic dictam nicht heyrathenkan; das koͤmmt auf flagitia dominationis hinaus, wenn er inceſtuoſas nuptias celebriret. Vor dieſem hat man bey denen Roͤmern fratris filiam nicht koͤnnen heyrathen, Claudius aber heyrathete des Germanici, ſeines Bru- ders, Tochter, die Agrippinam, und da er die Patres gefragt: ob es an- gienge? haben ſie geſagt: Ja; ſonſt aber war horridum inſuetum matri- monium

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/478>, abgerufen am 24.11.2024.