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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
che observationes hiervon. Hernach aber, da sie grosse Thaten gethan,
haben sie gebettelt, oder durch Geld erhalten, daß ihr Imperium verlän-
gert worden, dadurch haben sie sich feste gesetzet, und obgleich schöne
Gesetze gegeben worden, wie sie sich verhalten sollten, so haben doch die-
selbigen nichts geholffen. Inventa lege inventa fraus. In einer rechten
Aristocratie leidet man nicht, daß die Nobili dasjenige thun, was den
plebem ihnen conciliiren kan. Daher in Venedig kein Nobili darff ein
Advocat seyn, denn ein Advocat kennet die gantze Stadt, und muß
von allen instruiret seyn, damit seine praxis immer grösser wird. Ein
Nobili kan wohl ein Bischoff, ein Patriarch werden, aber kein praedi-
cant.
Obgleich die praedicanten daselbst grosse Einkünffte haben, es
können solche praedicanten viel effectuiren beym peuple, deßwegen sehen
sie gerne, daß die Clerici ein dissolutes Leben führen, und ist in Venedig
kein Wunder, wenn ein Pfaff aus dem Bordell-Hause kommt, oder
aus einem Keller, und voll ist. Man wird auch nirgends solche scanda-
leuse
Geistlichen finden, als in Venedig sind, sie wollen gerne tumme Cle-
ricos
haben, damit der peuple nicht von ihnen infatuiret werde. In
Nürnberg gilt auch die Geistlichkeit nichts, und promovirt man nur Mit-
tel-Leute, sehen sie, daß einer viel gilt, klopffen sie ihn auf die Finger, sie
haben auch recht, und kan es nicht anders seyn. Der peuple ist allezeit
jaloux, setzet nun der Priester die optimates in contemtum, so ists aus.
In Aristocratien nehmen sie keinen zum General aus ihren Mitteln. In
Venedig, weiß man ein eintzig mahl, daß sie einen Nobili di Venetia ge-
nommen, den Morosini, welcher in Morea commandiret, zu welcher Zeit
sie aber keinen andern bekommen konnten, sonst aber nehmen sie immer
Fremde, einen Printz Maximilian, einen Schulenburg, solchen geben sie
grosse Besoldungen, damit sie sich wohl verhalten, und suchen, die pen-
sion
zu behalten, sie lassen keinen Menschen exstruere munimentum. Die
Venetianer haben schöne Lust-Häuser und Gärten an Po-Fluß, darin-
nen grosse Kostbarkeiten, aber sie dürffen nicht einmahl eine Mauer her-
um führen, der Doge zu Venedig hat auch ein schön Palais, das ist aber
auf allen Seiten frey, denn sie trauen ihm auch nicht. Wer sich
eine Aristocratie will vorstellig machen, muß nur Venedig nehmen, und
Nürnberg, welches in allen Venedig imitiret, wie Amelot auch saget.
Es kan in Venedig kein Donna und kein Nobili ausser seinen Stand hey-
rathen; Kein Nobili kan von einem fremden Fürsten eine Bedienung
haben, denn sie fürchten, es möchte der fremde Fürst alsdenn suchen, sie
übern Hauffen zu werffen. Man erzehlet als was besonders, daß die
Donna von Cornaro, den König in Cypern geheyrathet, durch welche

her-

Cap. V. De prudentia
che obſervationes hiervon. Hernach aber, da ſie groſſe Thaten gethan,
haben ſie gebettelt, oder durch Geld erhalten, daß ihr Imperium verlaͤn-
gert worden, dadurch haben ſie ſich feſte geſetzet, und obgleich ſchoͤne
Geſetze gegeben worden, wie ſie ſich verhalten ſollten, ſo haben doch die-
ſelbigen nichts geholffen. Inventa lege inventa fraus. In einer rechten
Ariſtocratie leidet man nicht, daß die Nobili dasjenige thun, was den
plebem ihnen conciliiren kan. Daher in Venedig kein Nobili darff ein
Advocat ſeyn, denn ein Advocat kennet die gantze Stadt, und muß
von allen inſtruiret ſeyn, damit ſeine praxis immer groͤſſer wird. Ein
Nobili kan wohl ein Biſchoff, ein Patriarch werden, aber kein prædi-
cant.
Obgleich die prædicanten daſelbſt groſſe Einkuͤnffte haben, es
koͤnnen ſolche prædicanten viel effectuiren beym peuple, deßwegen ſehen
ſie gerne, daß die Clerici ein diſſolutes Leben fuͤhren, und iſt in Venedig
kein Wunder, wenn ein Pfaff aus dem Bordell-Hauſe kommt, oder
aus einem Keller, und voll iſt. Man wird auch nirgends ſolche ſcanda-
leuſe
Geiſtlichen finden, als in Venedig ſind, ſie wollen gerne tumme Cle-
ricos
haben, damit der peuple nicht von ihnen infatuiret werde. In
Nuͤrnberg gilt auch die Geiſtlichkeit nichts, und promovirt man nur Mit-
tel-Leute, ſehen ſie, daß einer viel gilt, klopffen ſie ihn auf die Finger, ſie
haben auch recht, und kan es nicht anders ſeyn. Der peuple iſt allezeit
jaloux, ſetzet nun der Prieſter die optimates in contemtum, ſo iſts aus.
In Ariſtocratien nehmen ſie keinen zum General aus ihren Mitteln. In
Venedig, weiß man ein eintzig mahl, daß ſie einen Nobili di Venetia ge-
nommen, den Moroſini, welcher in Morea commandiret, zu welcher Zeit
ſie aber keinen andern bekommen konnten, ſonſt aber nehmen ſie immer
Fremde, einen Printz Maximilian, einen Schulenburg, ſolchen geben ſie
groſſe Beſoldungen, damit ſie ſich wohl verhalten, und ſuchen, die pen-
ſion
zu behalten, ſie laſſen keinen Menſchen exſtruere munimentum. Die
Venetianer haben ſchoͤne Luſt-Haͤuſer und Gaͤrten an Po-Fluß, darin-
nen groſſe Koſtbarkeiten, aber ſie duͤrffen nicht einmahl eine Mauer her-
um fuͤhren, der Doge zu Venedig hat auch ein ſchoͤn Palais, das iſt aber
auf allen Seiten frey, denn ſie trauen ihm auch nicht. Wer ſich
eine Ariſtocratie will vorſtellig machen, muß nur Venedig nehmen, und
Nuͤrnberg, welches in allen Venedig imitiret, wie Amelot auch ſaget.
Es kan in Venedig kein Donna und kein Nobili auſſer ſeinen Stand hey-
rathen; Kein Nobili kan von einem fremden Fuͤrſten eine Bedienung
haben, denn ſie fuͤrchten, es moͤchte der fremde Fuͤrſt alsdenn ſuchen, ſie
uͤbern Hauffen zu werffen. Man erzehlet als was beſonders, daß die
Donna von Cornaro, den Koͤnig in Cypern geheyrathet, durch welche

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[466/0486] Cap. V. De prudentia che obſervationes hiervon. Hernach aber, da ſie groſſe Thaten gethan, haben ſie gebettelt, oder durch Geld erhalten, daß ihr Imperium verlaͤn- gert worden, dadurch haben ſie ſich feſte geſetzet, und obgleich ſchoͤne Geſetze gegeben worden, wie ſie ſich verhalten ſollten, ſo haben doch die- ſelbigen nichts geholffen. Inventa lege inventa fraus. In einer rechten Ariſtocratie leidet man nicht, daß die Nobili dasjenige thun, was den plebem ihnen conciliiren kan. Daher in Venedig kein Nobili darff ein Advocat ſeyn, denn ein Advocat kennet die gantze Stadt, und muß von allen inſtruiret ſeyn, damit ſeine praxis immer groͤſſer wird. Ein Nobili kan wohl ein Biſchoff, ein Patriarch werden, aber kein prædi- cant. Obgleich die prædicanten daſelbſt groſſe Einkuͤnffte haben, es koͤnnen ſolche prædicanten viel effectuiren beym peuple, deßwegen ſehen ſie gerne, daß die Clerici ein diſſolutes Leben fuͤhren, und iſt in Venedig kein Wunder, wenn ein Pfaff aus dem Bordell-Hauſe kommt, oder aus einem Keller, und voll iſt. Man wird auch nirgends ſolche ſcanda- leuſe Geiſtlichen finden, als in Venedig ſind, ſie wollen gerne tumme Cle- ricos haben, damit der peuple nicht von ihnen infatuiret werde. In Nuͤrnberg gilt auch die Geiſtlichkeit nichts, und promovirt man nur Mit- tel-Leute, ſehen ſie, daß einer viel gilt, klopffen ſie ihn auf die Finger, ſie haben auch recht, und kan es nicht anders ſeyn. Der peuple iſt allezeit jaloux, ſetzet nun der Prieſter die optimates in contemtum, ſo iſts aus. In Ariſtocratien nehmen ſie keinen zum General aus ihren Mitteln. In Venedig, weiß man ein eintzig mahl, daß ſie einen Nobili di Venetia ge- nommen, den Moroſini, welcher in Morea commandiret, zu welcher Zeit ſie aber keinen andern bekommen konnten, ſonſt aber nehmen ſie immer Fremde, einen Printz Maximilian, einen Schulenburg, ſolchen geben ſie groſſe Beſoldungen, damit ſie ſich wohl verhalten, und ſuchen, die pen- ſion zu behalten, ſie laſſen keinen Menſchen exſtruere munimentum. Die Venetianer haben ſchoͤne Luſt-Haͤuſer und Gaͤrten an Po-Fluß, darin- nen groſſe Koſtbarkeiten, aber ſie duͤrffen nicht einmahl eine Mauer her- um fuͤhren, der Doge zu Venedig hat auch ein ſchoͤn Palais, das iſt aber auf allen Seiten frey, denn ſie trauen ihm auch nicht. Wer ſich eine Ariſtocratie will vorſtellig machen, muß nur Venedig nehmen, und Nuͤrnberg, welches in allen Venedig imitiret, wie Amelot auch ſaget. Es kan in Venedig kein Donna und kein Nobili auſſer ſeinen Stand hey- rathen; Kein Nobili kan von einem fremden Fuͤrſten eine Bedienung haben, denn ſie fuͤrchten, es moͤchte der fremde Fuͤrſt alsdenn ſuchen, ſie uͤbern Hauffen zu werffen. Man erzehlet als was beſonders, daß die Donna von Cornaro, den Koͤnig in Cypern geheyrathet, durch welche her-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/486>, abgerufen am 24.11.2024.