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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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besuchen. Amelot, welcher den Etat von Venedig beschrieben, und Am-
bassadeur
in Venedig gewesen, hat auch gern wollen amour machen, aber
nicht können ankommen; Daher haben ihn die Venetianer öffentlich Schuld
gegeben, er habe deßwegen so schimpflich von ihrer Republic geschrieben.
Indessen obgleich die Nobili di Venetia die scandala zu removiren suchen,
bey ihren Familien, so geschichts doch nicht bey dem Pack, und ist da
eine grosse confusion; deßwegen halten sich die Fremden gerne da auf.
Es ist freylich kein vitium frequentius, als libido, und wenn man dieses
ändern wollte, müste educatio severissima, seyn. Wo will man diese al-
lenthalben zuwege bringen? Per leges kan diese confusion nicht aufgeho-
ben werden, bey denen Römern waren severissimae Leges de Stupris, die
aber doch nichts geholffen; daher haben sie ebenfalls Lupanaria gedul-
tet, und war schlimm, daß die vornehmsten Leute Lupanaria gehalten,
und einen quaestum gezogen. Aber wenn man sie nur toleriret, das ge-
het wohl an, es ist eben wie mit den Trunckenbolden, die kan man nicht
alle aus der Stadt jagen. In Engeland ist ein miserabler Zustand hier-
innen, da könnte es noch eher geändert werden, wenn da ein König ist,
und hat man auch deßwegen Vorschläge gethan. Etliche recommendi-
ren auch die usuras iniquas. Die Herren Patres in Rom habens so ge-
macht, den plebem dadurch enerviret, und wenn sie nicht bezahlen kön-
nen, zu Knechten gemachet, aber von einander haben sie dieselben nicht
geschnitten, wie man einen Regen-Wurm von einander schneidet. Was
gescheute Leute sind, die toleriren usuras iniquas nicht in Aristocratia. In
Venedig gehet man denen immodicis usuris gnug entgegen, und dencken
immer darauf, wie die Bürger commode leben können. Die inven-
tion
mit den Leih-Häusern, welche sie in Nürnberg haben, ist von de-
nen Venetianern genommen, und werden solche in Venedig Montes pie-
tatis
genennet. Wenn in unsern Landen ein Handwercks-Mann will
Geld haben, muß er erst caution machen, hernach muß er grosse usuras
geben, da ist er ruiniret. Hergegen beym Leih-Hause ists so: Wer
Gold, Silber oder andere Sachen hat, zu versetzen, und will Geld ha-
ben, der giebt sie ins Leih-Hauß, da geben sie ihm so und so viel dar-
auf, ein klein wenig unter dem Werth; Denn sie sagen, wenn es etwa
sollte verkauffet werden, so gehet etwas auf die auction. Wenn sie sa-
gen, auf diese oder jene Zeit wollen sie es bezahlen, und sie kommen nicht,
so werden sie erinnert, können sie es nicht einlösen, so wird es verauctio-
ni
ret. Sie können aber selbst nicht darauf biethen, der Uberschuß aber
wird ihnen hernach gegeben. Die Aristi müssen zwar dahin dencken,
daß sie auf den plebem acht geben, aber auch demselben Privilegia geben,

damit

Cap. V. De prudentia
beſuchen. Amelot, welcher den Etat von Venedig beſchrieben, und Am-
baſſadeur
in Venedig geweſen, hat auch gern wollen amour machen, aber
nicht koͤnnen ankommen; Daher haben ihn die Venetianer oͤffentlich Schuld
gegeben, er habe deßwegen ſo ſchimpflich von ihrer Republic geſchrieben.
Indeſſen obgleich die Nobili di Venetia die ſcandala zu removiren ſuchen,
bey ihren Familien, ſo geſchichts doch nicht bey dem Pack, und iſt da
eine groſſe confuſion; deßwegen halten ſich die Fremden gerne da auf.
Es iſt freylich kein vitium frequentius, als libido, und wenn man dieſes
aͤndern wollte, muͤſte educatio ſeveriſſima, ſeyn. Wo will man dieſe al-
lenthalben zuwege bringen? Per leges kan dieſe confuſion nicht aufgeho-
ben werden, bey denen Roͤmern waren ſeveriſſimæ Leges de Stupris, die
aber doch nichts geholffen; daher haben ſie ebenfalls Lupanaria gedul-
tet, und war ſchlimm, daß die vornehmſten Leute Lupanaria gehalten,
und einen quæſtum gezogen. Aber wenn man ſie nur toleriret, das ge-
het wohl an, es iſt eben wie mit den Trunckenbolden, die kan man nicht
alle aus der Stadt jagen. In Engeland iſt ein miſerabler Zuſtand hier-
innen, da koͤnnte es noch eher geaͤndert werden, wenn da ein Koͤnig iſt,
und hat man auch deßwegen Vorſchlaͤge gethan. Etliche recommendi-
ren auch die uſuras iniquas. Die Herren Patres in Rom habens ſo ge-
macht, den plebem dadurch enerviret, und wenn ſie nicht bezahlen koͤn-
nen, zu Knechten gemachet, aber von einander haben ſie dieſelben nicht
geſchnitten, wie man einen Regen-Wurm von einander ſchneidet. Was
geſcheute Leute ſind, die toleriren uſuras iniquas nicht in Ariſtocratia. In
Venedig gehet man denen immodicis uſuris gnug entgegen, und dencken
immer darauf, wie die Buͤrger commode leben koͤnnen. Die inven-
tion
mit den Leih-Haͤuſern, welche ſie in Nuͤrnberg haben, iſt von de-
nen Venetianern genommen, und werden ſolche in Venedig Montes pie-
tatis
genennet. Wenn in unſern Landen ein Handwercks-Mann will
Geld haben, muß er erſt caution machen, hernach muß er groſſe uſuras
geben, da iſt er ruiniret. Hergegen beym Leih-Hauſe iſts ſo: Wer
Gold, Silber oder andere Sachen hat, zu verſetzen, und will Geld ha-
ben, der giebt ſie ins Leih-Hauß, da geben ſie ihm ſo und ſo viel dar-
auf, ein klein wenig unter dem Werth; Denn ſie ſagen, wenn es etwa
ſollte verkauffet werden, ſo gehet etwas auf die auction. Wenn ſie ſa-
gen, auf dieſe oder jene Zeit wollen ſie es bezahlen, und ſie kommen nicht,
ſo werden ſie erinnert, koͤnnen ſie es nicht einloͤſen, ſo wird es verauctio-
ni
ret. Sie koͤnnen aber ſelbſt nicht darauf biethen, der Uberſchuß aber
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daß ſie auf den plebem acht geben, aber auch demſelben Privilegia geben,

damit
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[472/0492] Cap. V. De prudentia beſuchen. Amelot, welcher den Etat von Venedig beſchrieben, und Am- baſſadeur in Venedig geweſen, hat auch gern wollen amour machen, aber nicht koͤnnen ankommen; Daher haben ihn die Venetianer oͤffentlich Schuld gegeben, er habe deßwegen ſo ſchimpflich von ihrer Republic geſchrieben. Indeſſen obgleich die Nobili di Venetia die ſcandala zu removiren ſuchen, bey ihren Familien, ſo geſchichts doch nicht bey dem Pack, und iſt da eine groſſe confuſion; deßwegen halten ſich die Fremden gerne da auf. Es iſt freylich kein vitium frequentius, als libido, und wenn man dieſes aͤndern wollte, muͤſte educatio ſeveriſſima, ſeyn. Wo will man dieſe al- lenthalben zuwege bringen? Per leges kan dieſe confuſion nicht aufgeho- ben werden, bey denen Roͤmern waren ſeveriſſimæ Leges de Stupris, die aber doch nichts geholffen; daher haben ſie ebenfalls Lupanaria gedul- tet, und war ſchlimm, daß die vornehmſten Leute Lupanaria gehalten, und einen quæſtum gezogen. Aber wenn man ſie nur toleriret, das ge- het wohl an, es iſt eben wie mit den Trunckenbolden, die kan man nicht alle aus der Stadt jagen. In Engeland iſt ein miſerabler Zuſtand hier- innen, da koͤnnte es noch eher geaͤndert werden, wenn da ein Koͤnig iſt, und hat man auch deßwegen Vorſchlaͤge gethan. Etliche recommendi- ren auch die uſuras iniquas. Die Herren Patres in Rom habens ſo ge- macht, den plebem dadurch enerviret, und wenn ſie nicht bezahlen koͤn- nen, zu Knechten gemachet, aber von einander haben ſie dieſelben nicht geſchnitten, wie man einen Regen-Wurm von einander ſchneidet. Was geſcheute Leute ſind, die toleriren uſuras iniquas nicht in Ariſtocratia. In Venedig gehet man denen immodicis uſuris gnug entgegen, und dencken immer darauf, wie die Buͤrger commode leben koͤnnen. Die inven- tion mit den Leih-Haͤuſern, welche ſie in Nuͤrnberg haben, iſt von de- nen Venetianern genommen, und werden ſolche in Venedig Montes pie- tatis genennet. Wenn in unſern Landen ein Handwercks-Mann will Geld haben, muß er erſt caution machen, hernach muß er groſſe uſuras geben, da iſt er ruiniret. Hergegen beym Leih-Hauſe iſts ſo: Wer Gold, Silber oder andere Sachen hat, zu verſetzen, und will Geld ha- ben, der giebt ſie ins Leih-Hauß, da geben ſie ihm ſo und ſo viel dar- auf, ein klein wenig unter dem Werth; Denn ſie ſagen, wenn es etwa ſollte verkauffet werden, ſo gehet etwas auf die auction. Wenn ſie ſa- gen, auf dieſe oder jene Zeit wollen ſie es bezahlen, und ſie kommen nicht, ſo werden ſie erinnert, koͤnnen ſie es nicht einloͤſen, ſo wird es verauctio- niret. Sie koͤnnen aber ſelbſt nicht darauf biethen, der Uberſchuß aber wird ihnen hernach gegeben. Die Ariſti muͤſſen zwar dahin dencken, daß ſie auf den plebem acht geben, aber auch demſelben Privilegia geben, damit

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/492>, abgerufen am 24.11.2024.