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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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statum civitatis Aristocraticae & Democraticae &c.
stocratia. Sonst kan man sich in Venedig wacker lustig machen, aber
in puniendis criminibus status, sind sie acerbissimi. In mancher Reichs-
Stadt darff auch niemand etwas reden, es wird alles erfahren, und
wenn etwas erfahren wird, so hat einer Verdrießlichkeiten. Ich weiß,
daß ein Bürger nur gesagt: Es wären die Anlagen zu groß, der wurde
gleich ins Gefängnis gesetzet. Einige rechnen auch hieher die admissio-
nem lupanariam,
und die usuras iniquas. Damit, sagt unser Autor,
hat er nichts zu thun. Diejenigen aber, so die Lupanaria defendiren,
sagen: Optimatum interest ne senatorum filiae prostituantur. In Vene-
dig und anderwärts ists auch ein groß crimen, wenn einer ein Patricium
stupri
rt. Nun, sagen sie, wollen wir haben, daß die Donna solle frey
bleiben von allen attentatis libidinosis, so müssen wir ihnen andere ge-
ben, damit sie ihre libidinem stillen können, und also lupanaria anlegen.
Nun wird wohl keiner seyn, der eine kleine teinture in der Christlichen
Religion hat, welcher die Lupanaria approbiren wird; Aber ein jeder
begreifft, daß es in tanta morum corruptione es nicht so weit wird ge-
bracht werden, daß keine Hure in der Republic seyn sollte, wie die res-
publica judaica.
Es ist zu wünschen; Man findet es aber nicht. In
grossen Städten findet man auch grosse Sünder, und kan es nicht ad
summos opices
gebracht werden. St. Didier referirt in seinen Descriptio-
ne Reipubl. Ven.
daß kurtz vor seiner Zeit alle Huren aus Venedig ge-
jagt worden. Aber es wäre ein ander Ubel entstanden, daß keine Don-
na
fast befreyet gewesen, attaquirt zu werden von amoureusen Leuten,
und daß sie so gar Gewalt wollen brauchen; Daher auch diejenigen
Herren, welche erst so sever gewesen, die Huren zurück geruffen, und sie
lassen passiren. Hertius hat gemeynet, St. Didier habe gescheut von die-
ser materie raisonniret. Er sagt: In abstracto könne man trefflich rai-
sonni
ren, daß keine Huren sollten gedultet werden; Weil aber so viele
Persohnen da, so viel ungezogene Leute, die hazardiren etwas, sie sind
nicht wiedergebohren, sondern geile Böcke, deßwegen, meynte er, gienge
es hier nicht anders an, als ex duobus malis minimum esse tolerandum,
und wären diejenigen in der Republic viel klüger gewesen, welche ge-
meynet, man solle die Huren toleriren, als die andern, welche sie alle
weggejagt. In Venedig fragen auch so gar die Eltern nicht darnach,
wenn ihre Kinder maitressen halten, wenn sie nur ihre Familie conservi-
ren. Die Donna aber werden sehr eingezogen gehalten, damit der
peuple nichts scandaleuses von ihnen reden könne; Daher ist auch nicht
möglich, daß eine Donna eine verdächtige conversation haben kan, es
müsse denn etwa in einem Closter geschehen, da sie ihre Anverwandten

besu-

ſtatum civitatis Ariſtocraticæ & Democraticæ &c.
ſtocratia. Sonſt kan man ſich in Venedig wacker luſtig machen, aber
in puniendis criminibus ſtatus, ſind ſie acerbiſſimi. In mancher Reichs-
Stadt darff auch niemand etwas reden, es wird alles erfahren, und
wenn etwas erfahren wird, ſo hat einer Verdrießlichkeiten. Ich weiß,
daß ein Buͤrger nur geſagt: Es waͤren die Anlagen zu groß, der wurde
gleich ins Gefaͤngnis geſetzet. Einige rechnen auch hieher die admiſſio-
nem lupanariam,
und die uſuras iniquas. Damit, ſagt unſer Autor,
hat er nichts zu thun. Diejenigen aber, ſo die Lupanaria defendiren,
ſagen: Optimatum intereſt ne ſenatorum filiæ proſtituantur. In Vene-
dig und anderwaͤrts iſts auch ein groß crimen, wenn einer ein Patricium
ſtupri
rt. Nun, ſagen ſie, wollen wir haben, daß die Donna ſolle frey
bleiben von allen attentatis libidinoſis, ſo muͤſſen wir ihnen andere ge-
ben, damit ſie ihre libidinem ſtillen koͤnnen, und alſo lupanaria anlegen.
Nun wird wohl keiner ſeyn, der eine kleine teinture in der Chriſtlichen
Religion hat, welcher die Lupanaria approbiren wird; Aber ein jeder
begreifft, daß es in tanta morum corruptione es nicht ſo weit wird ge-
bracht werden, daß keine Hure in der Republic ſeyn ſollte, wie die res-
publica judaica.
Es iſt zu wuͤnſchen; Man findet es aber nicht. In
groſſen Staͤdten findet man auch groſſe Suͤnder, und kan es nicht ad
ſummos opices
gebracht werden. St. Didier referirt in ſeinen Deſcriptio-
ne Reipubl. Ven.
daß kurtz vor ſeiner Zeit alle Huren aus Venedig ge-
jagt worden. Aber es waͤre ein ander Ubel entſtanden, daß keine Don-
na
faſt befreyet geweſen, attaquirt zu werden von amoureuſen Leuten,
und daß ſie ſo gar Gewalt wollen brauchen; Daher auch diejenigen
Herren, welche erſt ſo ſever geweſen, die Huren zuruͤck geruffen, und ſie
laſſen paſſiren. Hertius hat gemeynet, St. Didier habe geſcheut von die-
ſer materie raiſonniret. Er ſagt: In abſtracto koͤnne man trefflich rai-
ſonni
ren, daß keine Huren ſollten gedultet werden; Weil aber ſo viele
Perſohnen da, ſo viel ungezogene Leute, die hazardiren etwas, ſie ſind
nicht wiedergebohren, ſondern geile Boͤcke, deßwegen, meynte er, gienge
es hier nicht anders an, als ex duobus malis minimum eſſe tolerandum,
und waͤren diejenigen in der Republic viel kluͤger geweſen, welche ge-
meynet, man ſolle die Huren toleriren, als die andern, welche ſie alle
weggejagt. In Venedig fragen auch ſo gar die Eltern nicht darnach,
wenn ihre Kinder maitreſſen halten, wenn ſie nur ihre Familie conſervi-
ren. Die Donna aber werden ſehr eingezogen gehalten, damit der
peuple nichts ſcandaleuſes von ihnen reden koͤnne; Daher iſt auch nicht
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[471/0491] ſtatum civitatis Ariſtocraticæ & Democraticæ &c. ſtocratia. Sonſt kan man ſich in Venedig wacker luſtig machen, aber in puniendis criminibus ſtatus, ſind ſie acerbiſſimi. In mancher Reichs- Stadt darff auch niemand etwas reden, es wird alles erfahren, und wenn etwas erfahren wird, ſo hat einer Verdrießlichkeiten. Ich weiß, daß ein Buͤrger nur geſagt: Es waͤren die Anlagen zu groß, der wurde gleich ins Gefaͤngnis geſetzet. Einige rechnen auch hieher die admiſſio- nem lupanariam, und die uſuras iniquas. Damit, ſagt unſer Autor, hat er nichts zu thun. Diejenigen aber, ſo die Lupanaria defendiren, ſagen: Optimatum intereſt ne ſenatorum filiæ proſtituantur. In Vene- dig und anderwaͤrts iſts auch ein groß crimen, wenn einer ein Patricium ſtuprirt. Nun, ſagen ſie, wollen wir haben, daß die Donna ſolle frey bleiben von allen attentatis libidinoſis, ſo muͤſſen wir ihnen andere ge- ben, damit ſie ihre libidinem ſtillen koͤnnen, und alſo lupanaria anlegen. Nun wird wohl keiner ſeyn, der eine kleine teinture in der Chriſtlichen Religion hat, welcher die Lupanaria approbiren wird; Aber ein jeder begreifft, daß es in tanta morum corruptione es nicht ſo weit wird ge- bracht werden, daß keine Hure in der Republic ſeyn ſollte, wie die res- publica judaica. Es iſt zu wuͤnſchen; Man findet es aber nicht. In groſſen Staͤdten findet man auch groſſe Suͤnder, und kan es nicht ad ſummos opices gebracht werden. St. Didier referirt in ſeinen Deſcriptio- ne Reipubl. Ven. daß kurtz vor ſeiner Zeit alle Huren aus Venedig ge- jagt worden. Aber es waͤre ein ander Ubel entſtanden, daß keine Don- na faſt befreyet geweſen, attaquirt zu werden von amoureuſen Leuten, und daß ſie ſo gar Gewalt wollen brauchen; Daher auch diejenigen Herren, welche erſt ſo ſever geweſen, die Huren zuruͤck geruffen, und ſie laſſen paſſiren. Hertius hat gemeynet, St. Didier habe geſcheut von die- ſer materie raiſonniret. Er ſagt: In abſtracto koͤnne man trefflich rai- ſonniren, daß keine Huren ſollten gedultet werden; Weil aber ſo viele Perſohnen da, ſo viel ungezogene Leute, die hazardiren etwas, ſie ſind nicht wiedergebohren, ſondern geile Boͤcke, deßwegen, meynte er, gienge es hier nicht anders an, als ex duobus malis minimum eſſe tolerandum, und waͤren diejenigen in der Republic viel kluͤger geweſen, welche ge- meynet, man ſolle die Huren toleriren, als die andern, welche ſie alle weggejagt. In Venedig fragen auch ſo gar die Eltern nicht darnach, wenn ihre Kinder maitreſſen halten, wenn ſie nur ihre Familie conſervi- ren. Die Donna aber werden ſehr eingezogen gehalten, damit der peuple nichts ſcandaleuſes von ihnen reden koͤnne; Daher iſt auch nicht moͤglich, daß eine Donna eine verdaͤchtige converſation haben kan, es muͤſſe denn etwa in einem Cloſter geſchehen, da ſie ihre Anverwandten beſu-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/491>, abgerufen am 24.11.2024.