Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. II. Sprache genommen, und solche anglisiret, holländisiret; nicht anders,als wie wir offt Lateinische Wörter in unserer Sprache nehmen, wenn wir eine Sache in der Teutschen Sprache nicht gut können vorstellen. Status a stando venit. Qui stat, locum occupat; er muß einen Raum einnehmen, und also, wenn ich das Wort etymologice considerire, so supponiret ein jeder Status locum. Dieser Locus ist vel physicus, vel moralis. Auf solche Art kan ich von allen rebus sublunaribus sagen, quod occupent certum locum, sie mögen seyn animatae, oder inanima- tae, Statum naturalem quendam habent. Daher hat Puffendorff in seinem Iure Nat. & Gent. Cap. I. woselbst er von denen entibus moralibus han- delt, gewiesen, daß auch in der Moral und Juristerey ein Locus vor- komme. Was man sonst in denen praedicamentis von denen rebus cor- poralibus vorbringet, das hat Puffendorff auch de moralibus gewiesen. Deßwegen muß man Anfangs Achtung geben, auf Locum physicum; das ist aber noch nichts moralisches. Unter denen rebus animatis sind animalia, worunter auch der Mensch mit ist. Res animatae werden sie eben genennet, weil in denen rebus ein vita ist, agunt, operantur, agit, aber wie? Animalia agunt, an cum ratione, cum fine? haben sie einen scopum? Nein, weil sie also keine Vernunfft haben, agunt ex instinctu naturali, und ihre actiones gehen nicht weiter, als es ihnen die Natur vorschreibet. Agunt quidem secundum finem Dei, aber sie sind vor sich, nullum finem habent praefixum, der instinctus naturalis mag auch her- kommen, wo er her will; und sehen wir freylich, daß er ex sapientia di- vina kommt. Der Mensch aber hat einen finem, und wird derselbe eben durch seinen finem, durch seine entia intentionalia von denen brutis un- terschieden, sive solus sit, sive inter plures agat. Es ist wahr, wenn der Mensch alleine ist, so scheinet es, wie Mr. Crusoe saget, (aus welchem Buch ich viel profitiret, vieles hat mir auch darinnen mißfallen) daß der Mensch vieles thue, was sonst die Thiere thun. Denn er muß es- sen und trincken; er will auch solche esculenta und potulenta eligiren, welche ihm nicht schädlich seyn; er will auch sine dolore seyn, so viel als möglich ist. Weil er will essen und trincken, so muß er arbeiten, und wenn er auch nur Wurtzeln isset, so muß er sich doch solche zusammen lesen. Ist er gleich auf einer Insul alleine, so sind doch varia incommo- da vorhanden, es sind viele Thiere da, venenatae bestiae. Wir haben veränderte Jahrs-Zeiten, Herbst, Winter, Frühling, Sommer. Da muß er sich vor der Hitze und Kälte verwahren, alias perit, er muß sich kleiden. Hieraus siehet man, daß wenn der Mensch alleine wäre, der- selbe fast nichts anders thun würde, als die Thiere. Ich sage aber: fast.
Cap. II. Sprache genommen, und ſolche angliſiret, hollaͤndiſiret; nicht anders,als wie wir offt Lateiniſche Woͤrter in unſerer Sprache nehmen, wenn wir eine Sache in der Teutſchen Sprache nicht gut koͤnnen vorſtellen. Status a ſtando venit. Qui ſtat, locum occupat; er muß einen Raum einnehmen, und alſo, wenn ich das Wort etymologice conſiderire, ſo ſupponiret ein jeder Status locum. Dieſer Locus iſt vel phyſicus, vel moralis. Auf ſolche Art kan ich von allen rebus ſublunaribus ſagen, quod occupent certum locum, ſie moͤgen ſeyn animatæ, oder inanima- tæ, Statum naturalem quendam habent. Daher hat Puffendorff in ſeinem Iure Nat. & Gent. Cap. I. woſelbſt er von denen entibus moralibus han- delt, gewieſen, daß auch in der Moral und Juriſterey ein Locus vor- komme. Was man ſonſt in denen prædicamentis von denen rebus cor- poralibus vorbringet, das hat Puffendorff auch de moralibus gewieſen. Deßwegen muß man Anfangs Achtung geben, auf Locum phyſicum; das iſt aber noch nichts moraliſches. Unter denen rebus animatis ſind animalia, worunter auch der Menſch mit iſt. Res animatæ werden ſie eben genennet, weil in denen rebus ein vita iſt, agunt, operantur, agit, aber wie? Animalia agunt, an cum ratione, cum fine? haben ſie einen ſcopum? Nein, weil ſie alſo keine Vernunfft haben, agunt ex inſtinctu naturali, und ihre actiones gehen nicht weiter, als es ihnen die Natur vorſchreibet. Agunt quidem ſecundum finem Dei, aber ſie ſind vor ſich, nullum finem habent præfixum, der inſtinctus naturalis mag auch her- kommen, wo er her will; und ſehen wir freylich, daß er ex ſapientia di- vina kommt. Der Menſch aber hat einen finem, und wird derſelbe eben durch ſeinen finem, durch ſeine entia intentionalia von denen brutis un- terſchieden, ſive ſolus ſit, ſive inter plures agat. Es iſt wahr, wenn der Menſch alleine iſt, ſo ſcheinet es, wie Mr. Cruſoe ſaget, (aus welchem Buch ich viel profitiret, vieles hat mir auch darinnen mißfallen) daß der Menſch vieles thue, was ſonſt die Thiere thun. Denn er muß eſ- ſen und trincken; er will auch ſolche eſculenta und potulenta eligiren, welche ihm nicht ſchaͤdlich ſeyn; er will auch ſine dolore ſeyn, ſo viel als moͤglich iſt. Weil er will eſſen und trincken, ſo muß er arbeiten, und wenn er auch nur Wurtzeln iſſet, ſo muß er ſich doch ſolche zuſammen leſen. Iſt er gleich auf einer Inſul alleine, ſo ſind doch varia incommo- da vorhanden, es ſind viele Thiere da, venenatæ beſtiæ. Wir haben veraͤnderte Jahrs-Zeiten, Herbſt, Winter, Fruͤhling, Sommer. Da muß er ſich vor der Hitze und Kaͤlte verwahren, alias perit, er muß ſich kleiden. Hieraus ſiehet man, daß wenn der Menſch alleine waͤre, der- ſelbe faſt nichts anders thun wuͤrde, als die Thiere. Ich ſage aber: faſt.
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Cap. II.
Sprache genommen, und ſolche angliſiret, hollaͤndiſiret; nicht anders,
als wie wir offt Lateiniſche Woͤrter in unſerer Sprache nehmen, wenn
wir eine Sache in der Teutſchen Sprache nicht gut koͤnnen vorſtellen.
Status a ſtando venit. Qui ſtat, locum occupat; er muß einen Raum
einnehmen, und alſo, wenn ich das Wort etymologice conſiderire, ſo
ſupponiret ein jeder Status locum. Dieſer Locus iſt vel phyſicus, vel
moralis. Auf ſolche Art kan ich von allen rebus ſublunaribus ſagen,
quod occupent certum locum, ſie moͤgen ſeyn animatæ, oder inanima-
tæ, Statum naturalem quendam habent. Daher hat Puffendorff in ſeinem
Iure Nat. & Gent. Cap. I. woſelbſt er von denen entibus moralibus han-
delt, gewieſen, daß auch in der Moral und Juriſterey ein Locus vor-
komme. Was man ſonſt in denen prædicamentis von denen rebus cor-
poralibus vorbringet, das hat Puffendorff auch de moralibus gewieſen.
Deßwegen muß man Anfangs Achtung geben, auf Locum phyſicum;
das iſt aber noch nichts moraliſches. Unter denen rebus animatis ſind
animalia, worunter auch der Menſch mit iſt. Res animatæ werden ſie
eben genennet, weil in denen rebus ein vita iſt, agunt, operantur, agit,
aber wie? Animalia agunt, an cum ratione, cum fine? haben ſie einen
ſcopum? Nein, weil ſie alſo keine Vernunfft haben, agunt ex inſtinctu
naturali, und ihre actiones gehen nicht weiter, als es ihnen die Natur
vorſchreibet. Agunt quidem ſecundum finem Dei, aber ſie ſind vor ſich,
nullum finem habent præfixum, der inſtinctus naturalis mag auch her-
kommen, wo er her will; und ſehen wir freylich, daß er ex ſapientia di-
vina kommt. Der Menſch aber hat einen finem, und wird derſelbe eben
durch ſeinen finem, durch ſeine entia intentionalia von denen brutis un-
terſchieden, ſive ſolus ſit, ſive inter plures agat. Es iſt wahr, wenn der
Menſch alleine iſt, ſo ſcheinet es, wie Mr. Cruſoe ſaget, (aus welchem
Buch ich viel profitiret, vieles hat mir auch darinnen mißfallen) daß
der Menſch vieles thue, was ſonſt die Thiere thun. Denn er muß eſ-
ſen und trincken; er will auch ſolche eſculenta und potulenta eligiren,
welche ihm nicht ſchaͤdlich ſeyn; er will auch ſine dolore ſeyn, ſo viel als
moͤglich iſt. Weil er will eſſen und trincken, ſo muß er arbeiten, und
wenn er auch nur Wurtzeln iſſet, ſo muß er ſich doch ſolche zuſammen
leſen. Iſt er gleich auf einer Inſul alleine, ſo ſind doch varia incommo-
da vorhanden, es ſind viele Thiere da, venenatæ beſtiæ. Wir haben
veraͤnderte Jahrs-Zeiten, Herbſt, Winter, Fruͤhling, Sommer. Da
muß er ſich vor der Hitze und Kaͤlte verwahren, alias perit, er muß ſich
kleiden. Hieraus ſiehet man, daß wenn der Menſch alleine waͤre, der-
ſelbe faſt nichts anders thun wuͤrde, als die Thiere. Ich ſage aber:
faſt.
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