Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. nicht einmahl Cantzlist werden, weil sie gemeynet, er habe was Schul-mäßiges an sich. Hernach kam er nach Wolffenbüttel, woselbst er auch nicht employiret wurde, von dar gieng er nach Hannover, da nah- men sie ihn an. Er war ein gescheuter gelehrter Mann, der endlich Premier-Ministre worden. Hätte Hugo es recht überlegt so wäre er nicht nach Wolffenbüttel und Weimar gegangen. Es ist gut, wer an Hof gehen will, daß er exercitia lernet, tantzen, reiten, fechten, das macht den Leib habile. Mancher Mensch ist von Natur pesant, hat dicke Füsse, wenn er aber auf den Tantz-Boden kommt, gehet alles weg. Der ist sehr glücklich, dem gesagt wird, was er vor Defauts an sich habe; das muß keiner übel nehmen, es mit anhören und thun, als wenn er es nicht höret, indessen aber sich doch darnach richten. bey Hofe. §. 12. 13. Alle Leute haben nicht einerley Leichtigkeit bey Hofe zu macht,
Cap. V. nicht einmahl Cantzliſt werden, weil ſie gemeynet, er habe was Schul-maͤßiges an ſich. Hernach kam er nach Wolffenbuͤttel, woſelbſt er auch nicht employiret wurde, von dar gieng er nach Hannover, da nah- men ſie ihn an. Er war ein geſcheuter gelehrter Mann, der endlich Premier-Miniſtre worden. Haͤtte Hugo es recht uͤberlegt ſo waͤre er nicht nach Wolffenbuͤttel und Weimar gegangen. Es iſt gut, wer an Hof gehen will, daß er exercitia lernet, tantzen, reiten, fechten, das macht den Leib habile. Mancher Menſch iſt von Natur peſant, hat dicke Fuͤſſe, wenn er aber auf den Tantz-Boden kommt, gehet alles weg. Der iſt ſehr gluͤcklich, dem geſagt wird, was er vor Defauts an ſich habe; das muß keiner uͤbel nehmen, es mit anhoͤren und thun, als wenn er es nicht hoͤret, indeſſen aber ſich doch darnach richten. bey Hofe. §. 12. 13. Alle Leute haben nicht einerley Leichtigkeit bey Hofe zu macht,
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Cap. V.
nicht einmahl Cantzliſt werden, weil ſie gemeynet, er habe was Schul-
maͤßiges an ſich. Hernach kam er nach Wolffenbuͤttel, woſelbſt er
auch nicht employiret wurde, von dar gieng er nach Hannover, da nah-
men ſie ihn an. Er war ein geſcheuter gelehrter Mann, der endlich
Premier-Miniſtre worden. Haͤtte Hugo es recht uͤberlegt ſo waͤre er nicht
nach Wolffenbuͤttel und Weimar gegangen. Es iſt gut, wer an Hof
gehen will, daß er exercitia lernet, tantzen, reiten, fechten, das macht den
Leib habile. Mancher Menſch iſt von Natur peſant, hat dicke Fuͤſſe,
wenn er aber auf den Tantz-Boden kommt, gehet alles weg. Der iſt
ſehr gluͤcklich, dem geſagt wird, was er vor Defauts an ſich habe; das
muß keiner uͤbel nehmen, es mit anhoͤren und thun, als wenn er es nicht
hoͤret, indeſſen aber ſich doch darnach richten.
§. 12. 13. Alle Leute haben nicht einerley Leichtigkeit bey Hofe zu
avanciren. Die natalium ſplendorem haben, avanciren leichter, als an-
dere, welche dergleichen nicht haben: Denn wer von extraction iſt, hat
Freunde bey Hofe, die koͤnnen ihn produciren, und wenn man auch von
manchen nur den Nahmen hoͤret, ſo hat man ſchon eine gute opinion
von ihm. Wer iſt der Kerl? Er heiſt Hans Panſch, das iſt ein no-
men obſcurum. Es iſt nicht ohnmoͤglich, daß ein ſolcher avanciren kan,
wenn er eclatante Thaten thut; aber es kan nicht ein jeder gleich an-
kommen. Es iſt wahr, wenn einer von keiner extraction iſt, und avan-
ciren will, ſo muß er vielleicht noch drey mahl mehr Meriten haben, als
ein anderer, der von extraction iſt. Wir reden hier gantz menſchlich und
wiſſen wohl daß ohne die Providenz GOttes nichts geſchiehet; Wir ſe-
hen aber hier wie es zugehet. Es kommt auch viel auf die Zeit an;
An und vor ſich thut die Zeit nichts, aber es geſchiehet alles in der Zeit.
Manchmahl machet einer ſein fortune wenn die tempora ſo beſchaffen,
daß ſie nicht difficilia; Offt ſind die tempora difficillima, und es kommt
doch einer an, da er an dieſem oder jenem recommendiret wird. Drum
ſagt Amelot in dem l’ homme de Cour p. 20. in manchem ſeculo waͤre
dieſer gar nicht geſtiegen. Mancher machet ſeine fortune nicht, weil un-
gluͤckliche Zeiten ſind. Offt ſind Herrn welche eine inclination zu die-
ſem oder jenem haben, dadurch einer ſein Gluͤck machen kan. Man-
cher kommt durch die Mahlerey empor, weil der Herr ein Liehhaber da-
von; Mancher durch die Jaͤgerey. e. g. Beym jetzigen Koͤnige haben
faſt alle keine fortune gemacht, welche bey dem vorigen in grace geſtan-
den. Es kan alſo keiner ſagen: Ich will meine fortune ſo und ſo ma-
chen. Sind die Herren Liebhabere von Studiis, ſo machen die Studiren-
den ihre fortune. Beym Hertzog Anton Ulrich hat einer ſein fortun ge-
macht,
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