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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De variis hominum Statibus.
muti gewesen, da sie sich conjungiret; sie haben ja die Sprache gehabt.
Also ist ein neuer status heraus kommen, nemlich imperantes & parentes.
Und da sie angefangen zu kriegen, sich mit einander zu schlagen, so sind
servi und domini entstanden. Es ist freylich dominium und servitus eine
grosse imperfectio, aber wir können es nicht anders machen. So wenig
die Lahmen ohne Kricken gehen können, so wenig können wir auch dieses
ändern, und so lange wir in dem statu sind, müssen wir suchen solchen
utcunque zu conserviren. Die potenz machet viel aus, daher haben
sie sich suchen zu aggrandiren, und haben sie allerhand Künste, eloquenz
und andere Dinge gebrauchet, noch mehrere auf ihre Seite zu bekommen,
da ist ein Lob worden, wenn einer bravoure, courage hatte, und den
andern konte todt machen. Wie nun civitas entstanden ist, haben nicht
alle können ihre alimenta vom Ackerbau haben, daher haben sie pro ali-
mentis
gedienet, und kan man freylich nicht sagen, daß omnis servitus
ex bellis
entstanden. Die Menschen sind hernach weiter gegangen, als
in Graeciam &c. da ist es eben so gewesen, sie haben sich separiret; aber
wenn die Familien vermehret wurden, und sie wurden vicini, so entstun-
den bella. So kan man sehen, wie in dem orbe habitante nach und
nach immer neue civitates entstanden. Das haben wir ebenfals in
America gefunden, daß wo viele Familien beysammen gewesen, da ha-
ben sie Städte gebauet. Aber auf denen Gebürgen sind viele familiae
segreges,
welche durch heimliche Wege an die Oerter kommen können;
diese rauben aber doch, wenn sie was kriegen können. Wie nun die
civitates grösser worden, auch viele hundert und tausend Menschen bey-
sammen gewesen, so haben daselbst viele andere Stände entstehen müs-
sen. Denn alle konten ohnmöglich vom Ackerbau leben, daher haben
sie sich auf andere Dinge legen müssen. Die Juden hatten wenig ma-
nufactur
en, sondern sie machten sich das nothwendigste selbst; daher als
David ein Schwerd haben wollte, so muste er es von denen Philistern
kauffen. Fleury hat einen Tractat geschrieben, les Moeurs des Israelites,
worinnen er artige Sachen hievon beybringet, es ist auch aus dem Frantzösi-
schen ins Teutsche übersetzet, aber nicht sonderlich. Das gelobte Land war
sehr fruchtbar, und haben sie auch die Felsen angebauet, indem sie Erde
hinauf geschaffet, solche fruchtbar zu machen. Nach der Zeit haben die
Jüden selbst nicht einmahl können alle vom Ackerbau leben, sondern sie
haben sich auch auf Kauffmannschafft und manufacturen gelegt, und
sagt Prideaux in seiner Histoire de Juifs, daß sie mit wollenen Zeugen
von Cameel-Haaren gehandelt. Das macht die multitudo: Denn
je mehr Leute sind, je grösser wird der Mangel; und wenn in zwey

hun-
E 3

De variis hominum Statibus.
muti geweſen, da ſie ſich conjungiret; ſie haben ja die Sprache gehabt.
Alſo iſt ein neuer ſtatus heraus kommen, nemlich imperantes & parentes.
Und da ſie angefangen zu kriegen, ſich mit einander zu ſchlagen, ſo ſind
ſervi und domini entſtanden. Es iſt freylich dominium und ſervitus eine
groſſe imperfectio, aber wir koͤnnen es nicht anders machen. So wenig
die Lahmen ohne Kricken gehen koͤnnen, ſo wenig koͤnnen wir auch dieſes
aͤndern, und ſo lange wir in dem ſtatu ſind, muͤſſen wir ſuchen ſolchen
utcunque zu conſerviren. Die potenz machet viel aus, daher haben
ſie ſich ſuchen zu aggrandiren, und haben ſie allerhand Kuͤnſte, eloquenz
und andere Dinge gebrauchet, noch mehrere auf ihre Seite zu bekommen,
da iſt ein Lob worden, wenn einer bravoure, courage hatte, und den
andern konte todt machen. Wie nun civitas entſtanden iſt, haben nicht
alle koͤnnen ihre alimenta vom Ackerbau haben, daher haben ſie pro ali-
mentis
gedienet, und kan man freylich nicht ſagen, daß omnis ſervitus
ex bellis
entſtanden. Die Menſchen ſind hernach weiter gegangen, als
in Græciam &c. da iſt es eben ſo geweſen, ſie haben ſich ſepariret; aber
wenn die Familien vermehret wurden, und ſie wurden vicini, ſo entſtun-
den bella. So kan man ſehen, wie in dem orbe habitante nach und
nach immer neue civitates entſtanden. Das haben wir ebenfals in
America gefunden, daß wo viele Familien beyſammen geweſen, da ha-
ben ſie Staͤdte gebauet. Aber auf denen Gebuͤrgen ſind viele familiæ
ſegreges,
welche durch heimliche Wege an die Oerter kommen koͤnnen;
dieſe rauben aber doch, wenn ſie was kriegen koͤnnen. Wie nun die
civitates groͤſſer worden, auch viele hundert und tauſend Menſchen bey-
ſammen geweſen, ſo haben daſelbſt viele andere Staͤnde entſtehen muͤſ-
ſen. Denn alle konten ohnmoͤglich vom Ackerbau leben, daher haben
ſie ſich auf andere Dinge legen muͤſſen. Die Juden hatten wenig ma-
nufactur
en, ſondern ſie machten ſich das nothwendigſte ſelbſt; daher als
David ein Schwerd haben wollte, ſo muſte er es von denen Philiſtern
kauffen. Fleury hat einen Tractat geſchrieben, les Moeurs des Israelites,
worinnen er artige Sachen hievon beybringet, es iſt auch aus dem Frantzoͤſi-
ſchen ins Teutſche uͤberſetzet, aber nicht ſonderlich. Das gelobte Land war
ſehr fruchtbar, und haben ſie auch die Felſen angebauet, indem ſie Erde
hinauf geſchaffet, ſolche fruchtbar zu machen. Nach der Zeit haben die
Juͤden ſelbſt nicht einmahl koͤnnen alle vom Ackerbau leben, ſondern ſie
haben ſich auch auf Kauffmannſchafft und manufacturen gelegt, und
ſagt Prideaux in ſeiner Hiſtoire de Juifs, daß ſie mit wollenen Zeugen
von Cameel-Haaren gehandelt. Das macht die multitudo: Denn
je mehr Leute ſind, je groͤſſer wird der Mangel; und wenn in zwey

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E 3
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[37/0057] De variis hominum Statibus. muti geweſen, da ſie ſich conjungiret; ſie haben ja die Sprache gehabt. Alſo iſt ein neuer ſtatus heraus kommen, nemlich imperantes & parentes. Und da ſie angefangen zu kriegen, ſich mit einander zu ſchlagen, ſo ſind ſervi und domini entſtanden. Es iſt freylich dominium und ſervitus eine groſſe imperfectio, aber wir koͤnnen es nicht anders machen. So wenig die Lahmen ohne Kricken gehen koͤnnen, ſo wenig koͤnnen wir auch dieſes aͤndern, und ſo lange wir in dem ſtatu ſind, muͤſſen wir ſuchen ſolchen utcunque zu conſerviren. Die potenz machet viel aus, daher haben ſie ſich ſuchen zu aggrandiren, und haben ſie allerhand Kuͤnſte, eloquenz und andere Dinge gebrauchet, noch mehrere auf ihre Seite zu bekommen, da iſt ein Lob worden, wenn einer bravoure, courage hatte, und den andern konte todt machen. Wie nun civitas entſtanden iſt, haben nicht alle koͤnnen ihre alimenta vom Ackerbau haben, daher haben ſie pro ali- mentis gedienet, und kan man freylich nicht ſagen, daß omnis ſervitus ex bellis entſtanden. Die Menſchen ſind hernach weiter gegangen, als in Græciam &c. da iſt es eben ſo geweſen, ſie haben ſich ſepariret; aber wenn die Familien vermehret wurden, und ſie wurden vicini, ſo entſtun- den bella. So kan man ſehen, wie in dem orbe habitante nach und nach immer neue civitates entſtanden. Das haben wir ebenfals in America gefunden, daß wo viele Familien beyſammen geweſen, da ha- ben ſie Staͤdte gebauet. Aber auf denen Gebuͤrgen ſind viele familiæ ſegreges, welche durch heimliche Wege an die Oerter kommen koͤnnen; dieſe rauben aber doch, wenn ſie was kriegen koͤnnen. Wie nun die civitates groͤſſer worden, auch viele hundert und tauſend Menſchen bey- ſammen geweſen, ſo haben daſelbſt viele andere Staͤnde entſtehen muͤſ- ſen. Denn alle konten ohnmoͤglich vom Ackerbau leben, daher haben ſie ſich auf andere Dinge legen muͤſſen. Die Juden hatten wenig ma- nufacturen, ſondern ſie machten ſich das nothwendigſte ſelbſt; daher als David ein Schwerd haben wollte, ſo muſte er es von denen Philiſtern kauffen. Fleury hat einen Tractat geſchrieben, les Moeurs des Israelites, worinnen er artige Sachen hievon beybringet, es iſt auch aus dem Frantzoͤſi- ſchen ins Teutſche uͤberſetzet, aber nicht ſonderlich. Das gelobte Land war ſehr fruchtbar, und haben ſie auch die Felſen angebauet, indem ſie Erde hinauf geſchaffet, ſolche fruchtbar zu machen. Nach der Zeit haben die Juͤden ſelbſt nicht einmahl koͤnnen alle vom Ackerbau leben, ſondern ſie haben ſich auch auf Kauffmannſchafft und manufacturen gelegt, und ſagt Prideaux in ſeiner Hiſtoire de Juifs, daß ſie mit wollenen Zeugen von Cameel-Haaren gehandelt. Das macht die multitudo: Denn je mehr Leute ſind, je groͤſſer wird der Mangel; und wenn in zwey hun- E 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/57>, abgerufen am 25.11.2024.