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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De variis hominum Statibus.
Da muß man nur suchen, es zu verbessern, damit nur die Menschen er-
halten werden, und nicht gar zu Grunde gehen. Viele Enthusiasten
sind nach Pensylvanien gelauffen, daß sie wollen daselbst segregem vitam
agere,
und ein rechtes frommes Leben führen; aber sie haben gerne wie-
der heraus gewollt: Denn sie haben daselbst müssen wilde Thiere schies-
sen, und Bäume ausrotten. Ja es funden sich daselbst auch schon Un-
ordnungen, daß viele nicht allzu fromm lebten. Titius in seinen Notis
ad Puffendorffium
hat auch gemeynet, die Menschen hätten sollen segre-
ges
bleiben, und hätten sich sollen die Frommen auf GOTT verlassen.
Allein unser HErr GOtt hilfft uns wohl, aber nicht immediate. Wir
bauen Vestungen; haben wir aber keine, und die Feinde kommen, so
machen sie uns zu Sclaven. Da nun aber so viele Menschen beysam-
men waren, so hat ein jeder gedacht, sich zu ernähren: Denn das ist
noch beständig die gröste Sorge, welche wir haben. Da nun aber ei-
ner beständig auf Nahrung gedacht, so hat er seine Kinder nicht können
unterrichten. Es wäre gut, wenn ein jeder Vater seine Kinder unter-
richtet, aber die multitudo operarum hat es verhindert. Ich will ei-
nen casum setzen, daß ein Bauer den Catechismum recht verstünde, und
seine Kinder nebst einer Ausführung könnte unterrichten; so siehet man
doch, daß er nicht Zeit hat, und beständig auf dem Felde arbeiten muß.
Also hat man müssen auf Lehrer bedacht seyn. Sind nun Lehrer da, so
sind auch discentes entstanden. Es ist auch viel Unordnung entstanden;
daher hat man die Lehrer gebraucht, die Leute zu disponiren ratione in-
tellectus & voluntatis,
damit sie sich besser regieren lassen: Denn das
gemeine Volck macht die meiste Unruhe in der Republic. Man hat
ihm müssen eine Religion beybringen, daß sie desto eher pariret. Zu erst
waren keine Doctores, und findet man nicht, daß Abraham einen Hauß-
Praeceptorem gehabt, sondern er hat es selbsten gethan. Es sind zweyer-
ley Doctores enstanden, veri, welche denen Leuten suchten die Wahrheit
beyzubringen, und falsi, welche entweder auf ihr interesse gesehen, oder
auf das interesse derer imperantium; Dadurch ist der Error in die
Welt gekommen. Da wir nun Doctores haben, so kan man leicht be-
greiffen, warum die Theologi, und Philosophi gesagt: wenn wir alle
Menschen ansehen, so könnte man sagen es wären drey Haupt-Stände,
Lehr- Wehr- und Nehr-Stand. Daher kan ich mir nicht einbilden, wenn vie-
le diese 3. Stände railliren. Der Wehr-Stand sind die Imperantes, welche
alle defendiren, der Lehr-Stand sind die Geistlichen; und ohne Lehrer kön-
nen wir nicht seyn. Deßwegen muß ein Imperans wohl acht geben, was er
vor Lehrer hat, ob sie auch geschickt sind, das Amt eines Lehrers zu führen;

was

De variis hominum Statibus.
Da muß man nur ſuchen, es zu verbeſſern, damit nur die Menſchen er-
halten werden, und nicht gar zu Grunde gehen. Viele Enthuſiaſten
ſind nach Penſylvanien gelauffen, daß ſie wollen daſelbſt ſegregem vitam
agere,
und ein rechtes frommes Leben fuͤhren; aber ſie haben gerne wie-
der heraus gewollt: Denn ſie haben daſelbſt muͤſſen wilde Thiere ſchieſ-
ſen, und Baͤume ausrotten. Ja es funden ſich daſelbſt auch ſchon Un-
ordnungen, daß viele nicht allzu fromm lebten. Titius in ſeinen Notis
ad Puffendorffium
hat auch gemeynet, die Menſchen haͤtten ſollen ſegre-
ges
bleiben, und haͤtten ſich ſollen die Frommen auf GOTT verlaſſen.
Allein unſer HErr GOtt hilfft uns wohl, aber nicht immediate. Wir
bauen Veſtungen; haben wir aber keine, und die Feinde kommen, ſo
machen ſie uns zu Sclaven. Da nun aber ſo viele Menſchen beyſam-
men waren, ſo hat ein jeder gedacht, ſich zu ernaͤhren: Denn das iſt
noch beſtaͤndig die groͤſte Sorge, welche wir haben. Da nun aber ei-
ner beſtaͤndig auf Nahrung gedacht, ſo hat er ſeine Kinder nicht koͤnnen
unterrichten. Es waͤre gut, wenn ein jeder Vater ſeine Kinder unter-
richtet, aber die multitudo operarum hat es verhindert. Ich will ei-
nen caſum ſetzen, daß ein Bauer den Catechiſmum recht verſtuͤnde, und
ſeine Kinder nebſt einer Ausfuͤhrung koͤnnte unterrichten; ſo ſiehet man
doch, daß er nicht Zeit hat, und beſtaͤndig auf dem Felde arbeiten muß.
Alſo hat man muͤſſen auf Lehrer bedacht ſeyn. Sind nun Lehrer da, ſo
ſind auch diſcentes entſtanden. Es iſt auch viel Unordnung entſtanden;
daher hat man die Lehrer gebraucht, die Leute zu diſponiren ratione in-
tellectus & voluntatis,
damit ſie ſich beſſer regieren laſſen: Denn das
gemeine Volck macht die meiſte Unruhe in der Republic. Man hat
ihm muͤſſen eine Religion beybringen, daß ſie deſto eher pariret. Zu erſt
waren keine Doctores, und findet man nicht, daß Abraham einen Hauß-
Præceptorem gehabt, ſondern er hat es ſelbſten gethan. Es ſind zweyer-
ley Doctores enſtanden, veri, welche denen Leuten ſuchten die Wahrheit
beyzubringen, und falſi, welche entweder auf ihr intereſſe geſehen, oder
auf das intereſſe derer imperantium; Dadurch iſt der Error in die
Welt gekommen. Da wir nun Doctores haben, ſo kan man leicht be-
greiffen, warum die Theologi, und Philoſophi geſagt: wenn wir alle
Menſchen anſehen, ſo koͤnnte man ſagen es waͤren drey Haupt-Staͤnde,
Lehr- Wehr- und Nehr-Stand. Daher kan ich mir nicht einbilden, wenn vie-
le dieſe 3. Staͤnde railliren. Der Wehr-Stand ſind die Imperantes, welche
alle defendiren, der Lehr-Stand ſind die Geiſtlichen; und ohne Lehrer koͤn-
nen wir nicht ſeyn. Deßwegen muß ein Imperans wohl acht geben, was er
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[39/0059] De variis hominum Statibus. Da muß man nur ſuchen, es zu verbeſſern, damit nur die Menſchen er- halten werden, und nicht gar zu Grunde gehen. Viele Enthuſiaſten ſind nach Penſylvanien gelauffen, daß ſie wollen daſelbſt ſegregem vitam agere, und ein rechtes frommes Leben fuͤhren; aber ſie haben gerne wie- der heraus gewollt: Denn ſie haben daſelbſt muͤſſen wilde Thiere ſchieſ- ſen, und Baͤume ausrotten. Ja es funden ſich daſelbſt auch ſchon Un- ordnungen, daß viele nicht allzu fromm lebten. Titius in ſeinen Notis ad Puffendorffium hat auch gemeynet, die Menſchen haͤtten ſollen ſegre- ges bleiben, und haͤtten ſich ſollen die Frommen auf GOTT verlaſſen. Allein unſer HErr GOtt hilfft uns wohl, aber nicht immediate. Wir bauen Veſtungen; haben wir aber keine, und die Feinde kommen, ſo machen ſie uns zu Sclaven. Da nun aber ſo viele Menſchen beyſam- men waren, ſo hat ein jeder gedacht, ſich zu ernaͤhren: Denn das iſt noch beſtaͤndig die groͤſte Sorge, welche wir haben. Da nun aber ei- ner beſtaͤndig auf Nahrung gedacht, ſo hat er ſeine Kinder nicht koͤnnen unterrichten. Es waͤre gut, wenn ein jeder Vater ſeine Kinder unter- richtet, aber die multitudo operarum hat es verhindert. Ich will ei- nen caſum ſetzen, daß ein Bauer den Catechiſmum recht verſtuͤnde, und ſeine Kinder nebſt einer Ausfuͤhrung koͤnnte unterrichten; ſo ſiehet man doch, daß er nicht Zeit hat, und beſtaͤndig auf dem Felde arbeiten muß. Alſo hat man muͤſſen auf Lehrer bedacht ſeyn. Sind nun Lehrer da, ſo ſind auch diſcentes entſtanden. Es iſt auch viel Unordnung entſtanden; daher hat man die Lehrer gebraucht, die Leute zu diſponiren ratione in- tellectus & voluntatis, damit ſie ſich beſſer regieren laſſen: Denn das gemeine Volck macht die meiſte Unruhe in der Republic. Man hat ihm muͤſſen eine Religion beybringen, daß ſie deſto eher pariret. Zu erſt waren keine Doctores, und findet man nicht, daß Abraham einen Hauß- Præceptorem gehabt, ſondern er hat es ſelbſten gethan. Es ſind zweyer- ley Doctores enſtanden, veri, welche denen Leuten ſuchten die Wahrheit beyzubringen, und falſi, welche entweder auf ihr intereſſe geſehen, oder auf das intereſſe derer imperantium; Dadurch iſt der Error in die Welt gekommen. Da wir nun Doctores haben, ſo kan man leicht be- greiffen, warum die Theologi, und Philoſophi geſagt: wenn wir alle Menſchen anſehen, ſo koͤnnte man ſagen es waͤren drey Haupt-Staͤnde, Lehr- Wehr- und Nehr-Stand. Daher kan ich mir nicht einbilden, wenn vie- le dieſe 3. Staͤnde railliren. Der Wehr-Stand ſind die Imperantes, welche alle defendiren, der Lehr-Stand ſind die Geiſtlichen; und ohne Lehrer koͤn- nen wir nicht ſeyn. Deßwegen muß ein Imperans wohl acht geben, was er vor Lehrer hat, ob ſie auch geſchickt ſind, das Amt eines Lehrers zu fuͤhren; was

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/59>, abgerufen am 25.11.2024.