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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. II.
der Vornehmste. In denen Städten aber, waren nur gemeine Leu-
te. Die vornehmsten Leute bey denen Römern haben auch von dem
Land-Leben geschrieben, als wie der Cato einen Tractat geschrieben, de
Re Rustica.
Sie haben sich recht darauf geleget: Denn es mag ein
Land so fruchtbar seyn, als es will, so kan es doch durch die Cultur noch
fruchtbarer gemachet werden. Bey necessariis finden also die Menschen
etwas zu thun, aber nicht alle, denn alle Menschen können nicht Acker-
bau treiben, sonderlich in Städten, deswegen sind sie auf opificia ge-
fallen, und zwar erst auf solche, welche die necessarias artes promoviren,
und utiliores machen. Die opificia sind nicht auf einmahl entstanden,
sondern nach und nach; viele sind auch wieder abkommen, wenn man
andere erdacht, welche commoder gewesen. Es sind auch opificia, wel-
che was criminelles bey sich haben, da man die Leute strafft, deswegen
subsistiret hier der Autor, und untersucht, was man eigentlich erwehlen
solle. Wenn einer durch seine opificia denen Leuten commodite verur-
sachet, daß sie in ihrer Arbeit etwas soulagiret werden, so ist solches
recht gut. Doch kan die decisio nicht plene hieraus erfolgen: Es sollte
einer bloß opificia necessaria und utilia ergreiffen. Denn dantur etiam
opificia jucunda.
Viele Leute meynen, man sollte gar keine jucunda er-
greiffen; aber sie sind Enthusiasten: denn man kan sie nicht entbehren.
Gewiß ist es, daß man necessaria und utilia haben müsse, aber die ju-
cunda
sind auch nicht verbothen. Der Mensch mag seyn, wie er will,
so muß er zwar eine inclinationem haben, ad laborandum; aber er muß
doch auch eine recreation, ein soulagement haben, er kan nicht immer
arbeiten, und wird man keine nation finden, so gar auch nicht bey de-
nen Juden, welche gemeynet, man solle beständig arbeiten. Also kan
man auch wohl drauf dencken, wie man könne jucundus seyn. Es heißt
hier interpone tuis interdum gaudia curis &c. deswegen sind viele artes
ad jucunditatem
erfunden worden. Dahin gehöret die Music, die Poe-
sie &c.
Die Music ist natura imitatrix, und die Poesie ist eine Music,
sie hat ein mensur, cadence. Es ist kein Volck, welches nicht auf die
Music gefallen, die Juden selbst haben in ihrem Tempel Music gehabt;
nur daß dieselbe anders beschaffen gewesen, als unsere. Man kan also
die artes oblectantes ohnmöglich in totum verwerffen. Daher wird man
leicht sehen, daß die Enthusiasten einen wunderlichen afflatum und zelum
haben, welche das alles verwerffen. Wenn man solchen folgen wollte,
so müste man wieder in deserta gehen. Ich habe allezeit gelacht über
diejenigen, welche gemeynet, man sollte so leben, wie die Alten. Wir
würden greuliche Thoren seyn, wenn wir wollten in die Wildniß gehen,

und

Cap. II.
der Vornehmſte. In denen Staͤdten aber, waren nur gemeine Leu-
te. Die vornehmſten Leute bey denen Roͤmern haben auch von dem
Land-Leben geſchrieben, als wie der Cato einen Tractat geſchrieben, de
Re Ruſtica.
Sie haben ſich recht darauf geleget: Denn es mag ein
Land ſo fruchtbar ſeyn, als es will, ſo kan es doch durch die Cultur noch
fruchtbarer gemachet werden. Bey neceſſariis finden alſo die Menſchen
etwas zu thun, aber nicht alle, denn alle Menſchen koͤnnen nicht Acker-
bau treiben, ſonderlich in Staͤdten, deswegen ſind ſie auf opificia ge-
fallen, und zwar erſt auf ſolche, welche die neceſſarias artes promoviren,
und utiliores machen. Die opificia ſind nicht auf einmahl entſtanden,
ſondern nach und nach; viele ſind auch wieder abkommen, wenn man
andere erdacht, welche commoder geweſen. Es ſind auch opificia, wel-
che was criminelles bey ſich haben, da man die Leute ſtrafft, deswegen
ſubſiſtiret hier der Autor, und unterſucht, was man eigentlich erwehlen
ſolle. Wenn einer durch ſeine opificia denen Leuten commodité verur-
ſachet, daß ſie in ihrer Arbeit etwas ſoulagiret werden, ſo iſt ſolches
recht gut. Doch kan die deciſio nicht plene hieraus erfolgen: Es ſollte
einer bloß opificia neceſſaria und utilia ergreiffen. Denn dantur etiam
opificia jucunda.
Viele Leute meynen, man ſollte gar keine jucunda er-
greiffen; aber ſie ſind Enthuſiaſten: denn man kan ſie nicht entbehren.
Gewiß iſt es, daß man neceſſaria und utilia haben muͤſſe, aber die ju-
cunda
ſind auch nicht verbothen. Der Menſch mag ſeyn, wie er will,
ſo muß er zwar eine inclinationem haben, ad laborandum; aber er muß
doch auch eine recreation, ein ſoulagement haben, er kan nicht immer
arbeiten, und wird man keine nation finden, ſo gar auch nicht bey de-
nen Juden, welche gemeynet, man ſolle beſtaͤndig arbeiten. Alſo kan
man auch wohl drauf dencken, wie man koͤnne jucundus ſeyn. Es heißt
hier interpone tuis interdum gaudia curis &c. deswegen ſind viele artes
ad jucunditatem
erfunden worden. Dahin gehoͤret die Muſic, die Poë-
ſie &c.
Die Muſic iſt natura imitatrix, und die Poëſie iſt eine Muſic,
ſie hat ein menſur, cadence. Es iſt kein Volck, welches nicht auf die
Muſic gefallen, die Juden ſelbſt haben in ihrem Tempel Muſic gehabt;
nur daß dieſelbe anders beſchaffen geweſen, als unſere. Man kan alſo
die artes oblectantes ohnmoͤglich in totum verwerffen. Daher wird man
leicht ſehen, daß die Enthuſiaſten einen wunderlichen afflatum und zelum
haben, welche das alles verwerffen. Wenn man ſolchen folgen wollte,
ſo muͤſte man wieder in deſerta gehen. Ich habe allezeit gelacht uͤber
diejenigen, welche gemeynet, man ſollte ſo leben, wie die Alten. Wir
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und
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[42/0062] Cap. II. der Vornehmſte. In denen Staͤdten aber, waren nur gemeine Leu- te. Die vornehmſten Leute bey denen Roͤmern haben auch von dem Land-Leben geſchrieben, als wie der Cato einen Tractat geſchrieben, de Re Ruſtica. Sie haben ſich recht darauf geleget: Denn es mag ein Land ſo fruchtbar ſeyn, als es will, ſo kan es doch durch die Cultur noch fruchtbarer gemachet werden. Bey neceſſariis finden alſo die Menſchen etwas zu thun, aber nicht alle, denn alle Menſchen koͤnnen nicht Acker- bau treiben, ſonderlich in Staͤdten, deswegen ſind ſie auf opificia ge- fallen, und zwar erſt auf ſolche, welche die neceſſarias artes promoviren, und utiliores machen. Die opificia ſind nicht auf einmahl entſtanden, ſondern nach und nach; viele ſind auch wieder abkommen, wenn man andere erdacht, welche commoder geweſen. Es ſind auch opificia, wel- che was criminelles bey ſich haben, da man die Leute ſtrafft, deswegen ſubſiſtiret hier der Autor, und unterſucht, was man eigentlich erwehlen ſolle. Wenn einer durch ſeine opificia denen Leuten commodité verur- ſachet, daß ſie in ihrer Arbeit etwas ſoulagiret werden, ſo iſt ſolches recht gut. Doch kan die deciſio nicht plene hieraus erfolgen: Es ſollte einer bloß opificia neceſſaria und utilia ergreiffen. Denn dantur etiam opificia jucunda. Viele Leute meynen, man ſollte gar keine jucunda er- greiffen; aber ſie ſind Enthuſiaſten: denn man kan ſie nicht entbehren. Gewiß iſt es, daß man neceſſaria und utilia haben muͤſſe, aber die ju- cunda ſind auch nicht verbothen. Der Menſch mag ſeyn, wie er will, ſo muß er zwar eine inclinationem haben, ad laborandum; aber er muß doch auch eine recreation, ein ſoulagement haben, er kan nicht immer arbeiten, und wird man keine nation finden, ſo gar auch nicht bey de- nen Juden, welche gemeynet, man ſolle beſtaͤndig arbeiten. Alſo kan man auch wohl drauf dencken, wie man koͤnne jucundus ſeyn. Es heißt hier interpone tuis interdum gaudia curis &c. deswegen ſind viele artes ad jucunditatem erfunden worden. Dahin gehoͤret die Muſic, die Poë- ſie &c. Die Muſic iſt natura imitatrix, und die Poëſie iſt eine Muſic, ſie hat ein menſur, cadence. Es iſt kein Volck, welches nicht auf die Muſic gefallen, die Juden ſelbſt haben in ihrem Tempel Muſic gehabt; nur daß dieſelbe anders beſchaffen geweſen, als unſere. Man kan alſo die artes oblectantes ohnmoͤglich in totum verwerffen. Daher wird man leicht ſehen, daß die Enthuſiaſten einen wunderlichen afflatum und zelum haben, welche das alles verwerffen. Wenn man ſolchen folgen wollte, ſo muͤſte man wieder in deſerta gehen. Ich habe allezeit gelacht uͤber diejenigen, welche gemeynet, man ſollte ſo leben, wie die Alten. Wir wuͤrden greuliche Thoren ſeyn, wenn wir wollten in die Wildniß gehen, und

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/62>, abgerufen am 25.11.2024.