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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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De variis hominum Statibus.
wäre ein Tumult entstanden, da er aber gewiß wuste, daß des Emanuels
Vater Georg des Hochverraths schuldig war, so konte er gar wohl so ver-
fahren. Hätte der Kayser Leopold dem Lobcowiz gefolgt, und dem Car-
dinal von Fürstenberg lassen den Kopff abreissen, so würde er sehr wohl
gethan haben; Da er es aber nicht gleich thate, so kamen hernach aller-
hand intercessiones, daß es unterblieb. Und dieser Cardinal hat hernach
dem Kayser grossen Tort gethan, indem er an dem Pfältzischen Kriege Ur-
sach gewesen. So hat man auch dem Kayser verdacht, daß er den Ra-
gozky
so lange sitzen lassen, da doch so viele documenta da waren, daß
er wider ihn conspiriret, da er ihn aber lange sitzen lassen, so ist er endlich
echappiret, und hat dem Kayser viele Ungelegenheiten gemacht. Es ist
wahr, was Richelieu in seinem Testam. Polit. sagt: die Leute verstünden
es nicht, man müste allerdings in solchen Fällen so verfahren. Er ver-
gleicht die seditiones mit einer Mine, welche erst verborgen ist, aber wenn
sie ausbricht, so thut sie grossen Schaden; also meynet er, müste man su-
chen, die molimina bald aus dem Wege zu räumen. Weil Gabriel Nau-
daeus
nur auf Exempla gegangen, und über dieselben raisonniret, so hat
Puffendorff in seiner Praefation ad Jus Nat. & Gent. gemeynet, es meri-
ti
rte, daß einer die Materie noch einmahl ausführete, und alles auf
principia reducirte. Doch ist das Buch des Naudaei sehr beliebt gewe-
sen: denn es ist plaisant zu lesen. Bisweilen aber rechnet er etwas zu
denen Staats-Streichen, welches andere ad Pseudo-Politicam referiren,
e. g. er rechnet dahin die unter Carolo IX. angerichtete Parisische Blut-
Hochzeit, da so viele Huguenotten massacriret worden, und der König
Heinrich von Navarra selbst in Lebens-Gefahr gewesen, welches doch alle
vor eine grausame That angesehen; wiewohl doch auch M. Ant. Muretus
sich unterstanden, solche vor dem Pabst zu defendiren. In denen mei-
sten aber hat der Naudaeus doch recht, als wie bey dem gegebenen Exem-
pel vom crimine perduellionis: denn der hostis reipublicae muß sterben,
und kommt es nur darauf an, ob er en ceremonie, oder in der Geschwin-
digkeit solle sterben. Thue ich es nicht, so lauffe ich Gefahr. Es kan
freylich manchmahls kommen, daß einer auf diese Art unschuldiger Weise
ums Leben kommt, aber davon reden wir nicht. Wir supponiren hier
einen solchen casum, da der Princeps documenta vor sich hat, daß er das
crimen begangen, da ist es kein medium inhonestum, weil er ohne dem
sterben muß. Es kan der Herr im Cabinet certissimas probationes ha-
ben, die aber andern nicht bekannt sind; daher raisonniret einer dieses,
der andere jenes, aber man thut am besten, wenn man in solchen Fällen
sein judicium suspendiret. Man disputirt auch, ob eine alliance mit

dem

De variis hominum Statibus.
waͤre ein Tumult entſtanden, da er aber gewiß wuſte, daß des Emanuels
Vater Georg des Hochverraths ſchuldig war, ſo konte er gar wohl ſo ver-
fahren. Haͤtte der Kayſer Leopold dem Lobcowiz gefolgt, und dem Car-
dinal von Fuͤrſtenberg laſſen den Kopff abreiſſen, ſo wuͤrde er ſehr wohl
gethan haben; Da er es aber nicht gleich thate, ſo kamen hernach aller-
hand interceſſiones, daß es unterblieb. Und dieſer Cardinal hat hernach
dem Kayſer groſſen Tort gethan, indem er an dem Pfaͤltziſchen Kriege Ur-
ſach geweſen. So hat man auch dem Kayſer verdacht, daß er den Ra-
gozky
ſo lange ſitzen laſſen, da doch ſo viele documenta da waren, daß
er wider ihn conſpiriret, da er ihn aber lange ſitzen laſſen, ſo iſt er endlich
echappiret, und hat dem Kayſer viele Ungelegenheiten gemacht. Es iſt
wahr, was Richelieu in ſeinem Teſtam. Polit. ſagt: die Leute verſtuͤnden
es nicht, man muͤſte allerdings in ſolchen Faͤllen ſo verfahren. Er ver-
gleicht die ſeditiones mit einer Mine, welche erſt verborgen iſt, aber wenn
ſie ausbricht, ſo thut ſie groſſen Schaden; alſo meynet er, muͤſte man ſu-
chen, die molimina bald aus dem Wege zu raͤumen. Weil Gabriel Nau-
dæus
nur auf Exempla gegangen, und uͤber dieſelben raiſonniret, ſo hat
Puffendorff in ſeiner Præfation ad Jus Nat. & Gent. gemeynet, es meri-
ti
rte, daß einer die Materie noch einmahl ausfuͤhrete, und alles auf
principia reducirte. Doch iſt das Buch des Naudæi ſehr beliebt gewe-
ſen: denn es iſt plaiſant zu leſen. Bisweilen aber rechnet er etwas zu
denen Staats-Streichen, welches andere ad Pſeudo-Politicam referiren,
e. g. er rechnet dahin die unter Carolo IX. angerichtete Pariſiſche Blut-
Hochzeit, da ſo viele Huguenotten maſſacriret worden, und der Koͤnig
Heinrich von Navarra ſelbſt in Lebens-Gefahr geweſen, welches doch alle
vor eine grauſame That angeſehen; wiewohl doch auch M. Ant. Muretus
ſich unterſtanden, ſolche vor dem Pabſt zu defendiren. In denen mei-
ſten aber hat der Naudæus doch recht, als wie bey dem gegebenen Exem-
pel vom crimine perduellionis: denn der hoſtis reipublicæ muß ſterben,
und kommt es nur darauf an, ob er en ceremonie, oder in der Geſchwin-
digkeit ſolle ſterben. Thue ich es nicht, ſo lauffe ich Gefahr. Es kan
freylich manchmahls kommen, daß einer auf dieſe Art unſchuldiger Weiſe
ums Leben kommt, aber davon reden wir nicht. Wir ſupponiren hier
einen ſolchen caſum, da der Princeps documenta vor ſich hat, daß er das
crimen begangen, da iſt es kein medium inhoneſtum, weil er ohne dem
ſterben muß. Es kan der Herr im Cabinet certiſſimas probationes ha-
ben, die aber andern nicht bekannt ſind; daher raiſonniret einer dieſes,
der andere jenes, aber man thut am beſten, wenn man in ſolchen Faͤllen
ſein judicium ſuspendiret. Man disputirt auch, ob eine alliance mit

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[55/0075] De variis hominum Statibus. waͤre ein Tumult entſtanden, da er aber gewiß wuſte, daß des Emanuels Vater Georg des Hochverraths ſchuldig war, ſo konte er gar wohl ſo ver- fahren. Haͤtte der Kayſer Leopold dem Lobcowiz gefolgt, und dem Car- dinal von Fuͤrſtenberg laſſen den Kopff abreiſſen, ſo wuͤrde er ſehr wohl gethan haben; Da er es aber nicht gleich thate, ſo kamen hernach aller- hand interceſſiones, daß es unterblieb. Und dieſer Cardinal hat hernach dem Kayſer groſſen Tort gethan, indem er an dem Pfaͤltziſchen Kriege Ur- ſach geweſen. So hat man auch dem Kayſer verdacht, daß er den Ra- gozky ſo lange ſitzen laſſen, da doch ſo viele documenta da waren, daß er wider ihn conſpiriret, da er ihn aber lange ſitzen laſſen, ſo iſt er endlich echappiret, und hat dem Kayſer viele Ungelegenheiten gemacht. Es iſt wahr, was Richelieu in ſeinem Teſtam. Polit. ſagt: die Leute verſtuͤnden es nicht, man muͤſte allerdings in ſolchen Faͤllen ſo verfahren. Er ver- gleicht die ſeditiones mit einer Mine, welche erſt verborgen iſt, aber wenn ſie ausbricht, ſo thut ſie groſſen Schaden; alſo meynet er, muͤſte man ſu- chen, die molimina bald aus dem Wege zu raͤumen. Weil Gabriel Nau- dæus nur auf Exempla gegangen, und uͤber dieſelben raiſonniret, ſo hat Puffendorff in ſeiner Præfation ad Jus Nat. & Gent. gemeynet, es meri- tirte, daß einer die Materie noch einmahl ausfuͤhrete, und alles auf principia reducirte. Doch iſt das Buch des Naudæi ſehr beliebt gewe- ſen: denn es iſt plaiſant zu leſen. Bisweilen aber rechnet er etwas zu denen Staats-Streichen, welches andere ad Pſeudo-Politicam referiren, e. g. er rechnet dahin die unter Carolo IX. angerichtete Pariſiſche Blut- Hochzeit, da ſo viele Huguenotten maſſacriret worden, und der Koͤnig Heinrich von Navarra ſelbſt in Lebens-Gefahr geweſen, welches doch alle vor eine grauſame That angeſehen; wiewohl doch auch M. Ant. Muretus ſich unterſtanden, ſolche vor dem Pabſt zu defendiren. In denen mei- ſten aber hat der Naudæus doch recht, als wie bey dem gegebenen Exem- pel vom crimine perduellionis: denn der hoſtis reipublicæ muß ſterben, und kommt es nur darauf an, ob er en ceremonie, oder in der Geſchwin- digkeit ſolle ſterben. Thue ich es nicht, ſo lauffe ich Gefahr. Es kan freylich manchmahls kommen, daß einer auf dieſe Art unſchuldiger Weiſe ums Leben kommt, aber davon reden wir nicht. Wir ſupponiren hier einen ſolchen caſum, da der Princeps documenta vor ſich hat, daß er das crimen begangen, da iſt es kein medium inhoneſtum, weil er ohne dem ſterben muß. Es kan der Herr im Cabinet certiſſimas probationes ha- ben, die aber andern nicht bekannt ſind; daher raiſonniret einer dieſes, der andere jenes, aber man thut am beſten, wenn man in ſolchen Faͤllen ſein judicium ſuspendiret. Man disputirt auch, ob eine alliance mit dem

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/75>, abgerufen am 26.11.2024.