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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. III. De Incommodis,
Auferziehung, keine Tugend, keine Religion, so ist es nichts. Hiob war
ein frommer Mann, wurde aber von der Frau geplagt. Socrates hatte
auch eine Frau, welche ihm manche materiam mordacem auf den Kopff
gegossen. Wiewohl ein Magister in Leipzig die Xantippe defendiren wol-
len, daß sie nicht so arg gewesen, als man sie sonst beschreibet. Die Tu-
gend alleine macht, daß wir unser devoir in acht nehmen, und wenn du
gleich tugendhafft bist, der andere aber ist es nicht, so ist es auch nichts.
Es ist manchmahl ein Ehe-Gatte so schlimm nicht, aber er hat eine gantz
andere Meynung, als der andere, ein gantz ander Temperament, da schi-
cken sie sich auch nicht zusammen. Die Germana de Foix, welche den
Ferdinandum Catholicum heyrathete, war gantz anders, als er. Ferdi-
nandus
war ein Melancholicus, sie aber tantzte und sprang immer, wenn
er mit ihr von Staats-Sachen reden wollte, so sprang sie herum, und
konnt ihn nicht leiden. Daher wenn man dir Sache in abstracto an-
siehet, so wäre gut, daß man allezeit sähe, ob auch conjunctio animorum
da, ob sie solche temperamenta haben, die bey einander stehen können.
Sind sie einander contrair, und sie kommen doch zusammen, so entste-
het nichts als Haß und Feindschafft. Wir heyrathen aber mehren-
theils par hazard: Denn wir haben keine conversation; und wenn wir
erst wollen mit einander conversiren, so bekämen diejenigen, mit welchen
wir conversirten eine blame. Das macht unsere verderbte Lebens-Art.
Die grossen Herren lassen es vollends auf Portraits ankommen; da ge-
schiehet es denn, daß die Ehe selten gut ausschlägt. Daher findet man
von Henrico VIII. König in Engeland, daß er seinem Gesandten lassen
den Kopff abschlagen, weil er ihm ein Portrait geschickt, welches hernach
gar nicht mit dem Original überein kommen. Wenn man auch gleich
conversirt, so kan es doch nicht durch eine eintzige conversation gesche-
hen: Denn die Leute zwingen sich, und hernach, wenn sie zusammen kom-
men, so zeigen sich erst die Laster. Hergegen wenn man eine Zeitlang
mit einander umgehet, da kan man erst sehen, was an einem zu thun:
Denn die simulation kan nicht beständig dauren; Da läßt man die Af-
fecten blicken, und kan einer leicht sehen, was er vor einen Engel bekom-
men wird. Herr Thomasius hat eine Dissertation gehalten vom Ja-Wort,
worinnen er unschuldiger Weise gesagt, es wäre gut, daß man vorher
mit einander conversirte, damit man eines jeden inclination sehen könn-
te, und hat er eben die Gedancken, welche hier proponiret werden, da hat
man in Wittenberg eine Dissertation dargegen gehalten, und gemeynet, was
das wäre, wenn man da wollte conversiren, man brächte eine in bla-
me,
das wäre also was inpracticables, Furettiere, der das vortreffliche

Di-

Cap. III. De Incommodis,
Auferziehung, keine Tugend, keine Religion, ſo iſt es nichts. Hiob war
ein frommer Mann, wurde aber von der Frau geplagt. Socrates hatte
auch eine Frau, welche ihm manche materiam mordacem auf den Kopff
gegoſſen. Wiewohl ein Magiſter in Leipzig die Xantippe defendiren wol-
len, daß ſie nicht ſo arg geweſen, als man ſie ſonſt beſchreibet. Die Tu-
gend alleine macht, daß wir unſer devoir in acht nehmen, und wenn du
gleich tugendhafft biſt, der andere aber iſt es nicht, ſo iſt es auch nichts.
Es iſt manchmahl ein Ehe-Gatte ſo ſchlimm nicht, aber er hat eine gantz
andere Meynung, als der andere, ein gantz ander Temperament, da ſchi-
cken ſie ſich auch nicht zuſammen. Die Germana de Foix, welche den
Ferdinandum Catholicum heyrathete, war gantz anders, als er. Ferdi-
nandus
war ein Melancholicus, ſie aber tantzte und ſprang immer, wenn
er mit ihr von Staats-Sachen reden wollte, ſo ſprang ſie herum, und
konnt ihn nicht leiden. Daher wenn man dir Sache in abſtracto an-
ſiehet, ſo waͤre gut, daß man allezeit ſaͤhe, ob auch conjunctio animorum
da, ob ſie ſolche temperamenta haben, die bey einander ſtehen koͤnnen.
Sind ſie einander contrair, und ſie kommen doch zuſammen, ſo entſte-
het nichts als Haß und Feindſchafft. Wir heyrathen aber mehren-
theils par hazard: Denn wir haben keine converſation; und wenn wir
erſt wollen mit einander converſiren, ſo bekaͤmen diejenigen, mit welchen
wir converſirten eine blame. Das macht unſere verderbte Lebens-Art.
Die groſſen Herren laſſen es vollends auf Portraits ankommen; da ge-
ſchiehet es denn, daß die Ehe ſelten gut ausſchlaͤgt. Daher findet man
von Henrico VIII. Koͤnig in Engeland, daß er ſeinem Geſandten laſſen
den Kopff abſchlagen, weil er ihm ein Portrait geſchickt, welches hernach
gar nicht mit dem Original uͤberein kommen. Wenn man auch gleich
converſirt, ſo kan es doch nicht durch eine eintzige converſation geſche-
hen: Denn die Leute zwingen ſich, und hernach, wenn ſie zuſammen kom-
men, ſo zeigen ſich erſt die Laſter. Hergegen wenn man eine Zeitlang
mit einander umgehet, da kan man erſt ſehen, was an einem zu thun:
Denn die ſimulation kan nicht beſtaͤndig dauren; Da laͤßt man die Af-
fecten blicken, und kan einer leicht ſehen, was er vor einen Engel bekom-
men wird. Herr Thomaſius hat eine Diſſertation gehalten vom Ja-Wort,
worinnen er unſchuldiger Weiſe geſagt, es waͤre gut, daß man vorher
mit einander converſirte, damit man eines jeden inclination ſehen koͤnn-
te, und hat er eben die Gedancken, welche hier proponiret werden, da hat
man in Wittenberg eine Diſſertation dargegen gehalten, und gemeynet, was
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me,
das waͤre alſo was inpracticables, Furettiere, der das vortreffliche

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/84>, abgerufen am 27.11.2024.