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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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quae homines in omnibus statibus premunt.
Wir finden in der Historie mehr reges Stultos, als Sapientes. Wo kan
hernach eine felicitas entspringen, da eine insipientia und keine virtus an-
getroffen wird. Mons. Crousaz hat in seinem Tractat von dem, was
schön ist, hievon gehandelt.

§. 11. Man sollte meynen, die Lehrer wären deßwegen entstan-Von denen in-
commodis
der
übrigen Stän-
de der Gelehr-
ten.

den, ut alios ad virtutem & sapientiam perducerent. Und gewiß ihre
Profession ist so beschaffen, daß sie nicht schöner seyn kan, aber sie kom-
men ihren Scopo nicht nach. Es ist in der Welt nichts schöners, als
wenn man kan die Menschen ad veritatem & virtutem bringen, damit
sie nicht secundum instinctum naturalem leben, sondern vernünfftig.
Wenn man nun aber die Gelehrten ansiehet, ihrer Person nach, so ma-
chen sie auf dem Theatro der Welt eine schlechte figure: Das macht,
sie haben nur den Nahmen der Lehrer, in der That aber sind sie abge-
wichen, loco veritatis auf inanem gloriae cupiditatem. Ja ex ipsa scien-
tia
haben sie quaestum, mercaturam gemacht, und da sie in otio gewesen,
so hat es nicht anders seyn können, als daß sie ihren Affecten indulgi-
ret, und auf allotria gefallen. Da sie die Leute sollten führen ad vir-
tutem, instruunt ad ambitionem,
dadurch aber ist nichts als Lermen und
Feindseligkeit entstanden, und sind sie nicht anders anzusehen, als irrai-
sonnable
Handwercks-Leute, von denen man auch in Sprüchwort zu sa-
gen pfleget: figulus figulum odit. Dahero kommts, daß man gantze Bü-
cher de infelicitate litteratorum geschrieben, als der Alcyonius, homo Italus,*
Theophilus Spicelius hat auch Infelicem literatum ediret, worinnen er ge-
wiesen, daß die infelicitas aus einem perverso Scopo kommt. Denn die
Gelehrten fallen theils auf allotria, theils auf arcana; sie suchen alles dif-
ficil
zu machen; Daher hat man sich heut zu Tage angelegen seyn lassen,
die alten Hülsen wegzuwerffen, und die wahre erudition hervor zu brin-
gen. Man wird sehen, daß in einem Seculo her alle unsere Weisheit
auf einen andern Fuß gesetzet worden. Man hat die impedimenta re-
movi
ret, ut veritas pateat: Denn schafft man die impedimenta weg, so
kan man veritatem bald heraus bringen. Sonst waren die Gelehrten
nur verborum aucupes, quid mirum! daß sie die Wahrheit verfehlet ha-
ben? Wenn man nur bedencket, was vor eine elende moral man sonst

ge-
* Herr Professor Mencke in Leipzig hat es cum praefat. edirt; es ist sehr zu recom-
mendiren ob styli elegantiam, denn er hat so schön Latein geschrieben, daß
etliche auf die Gedancken gefallen, als wenn er einige Bücher noch von dem
Cicerone gefunden, und solche unter seinem Nahmen publiciret. Er ist einer
von denen ersten, welcher die litteras humaniores in Italien wieder in Auf-
nahme gebracht.
K

quæ homines in omnibus ſtatibus premunt.
Wir finden in der Hiſtorie mehr reges Stultos, als Sapientes. Wo kan
hernach eine felicitas entſpringen, da eine inſipientia und keine virtus an-
getroffen wird. Monſ. Crouſaz hat in ſeinem Tractat von dem, was
ſchoͤn iſt, hievon gehandelt.

§. 11. Man ſollte meynen, die Lehrer waͤren deßwegen entſtan-Von denen in-
commodis
der
uͤbrigen Staͤn-
de der Gelehr-
ten.

den, ut alios ad virtutem & ſapientiam perducerent. Und gewiß ihre
Profeſſion iſt ſo beſchaffen, daß ſie nicht ſchoͤner ſeyn kan, aber ſie kom-
men ihren Scopo nicht nach. Es iſt in der Welt nichts ſchoͤners, als
wenn man kan die Menſchen ad veritatem & virtutem bringen, damit
ſie nicht ſecundum inſtinctum naturalem leben, ſondern vernuͤnfftig.
Wenn man nun aber die Gelehrten anſiehet, ihrer Perſon nach, ſo ma-
chen ſie auf dem Theatro der Welt eine ſchlechte figure: Das macht,
ſie haben nur den Nahmen der Lehrer, in der That aber ſind ſie abge-
wichen, loco veritatis auf inanem gloriæ cupiditatem. Ja ex ipſa ſcien-
tia
haben ſie quæſtum, mercaturam gemacht, und da ſie in otio geweſen,
ſo hat es nicht anders ſeyn koͤnnen, als daß ſie ihren Affecten indulgi-
ret, und auf allotria gefallen. Da ſie die Leute ſollten fuͤhren ad vir-
tutem, inſtruunt ad ambitionem,
dadurch aber iſt nichts als Lermen und
Feindſeligkeit entſtanden, und ſind ſie nicht anders anzuſehen, als irrai-
ſonnable
Handwercks-Leute, von denen man auch in Spruͤchwort zu ſa-
gen pfleget: figulus figulum odit. Dahero kommts, daß man gantze Buͤ-
cher de infelicitate litteratorum geſchrieben, als der Alcyonius, homo Italus,*
Theophilus Spicelius hat auch Infelicem literatum ediret, worinnen er ge-
wieſen, daß die infelicitas aus einem perverſo Scopo kommt. Denn die
Gelehrten fallen theils auf allotria, theils auf arcana; ſie ſuchen alles dif-
ficil
zu machen; Daher hat man ſich heut zu Tage angelegen ſeyn laſſen,
die alten Huͤlſen wegzuwerffen, und die wahre erudition hervor zu brin-
gen. Man wird ſehen, daß in einem Seculo her alle unſere Weisheit
auf einen andern Fuß geſetzet worden. Man hat die impedimenta re-
movi
ret, ut veritas pateat: Denn ſchafft man die impedimenta weg, ſo
kan man veritatem bald heraus bringen. Sonſt waren die Gelehrten
nur verborum aucupes, quid mirum! daß ſie die Wahrheit verfehlet ha-
ben? Wenn man nur bedencket, was vor eine elende moral man ſonſt

ge-
* Herr Profeſſor Mencke in Leipzig hat es cum præfat. edirt; es iſt ſehr zu recom-
mendiren ob ſtyli elegantiam, denn er hat ſo ſchoͤn Latein geſchrieben, daß
etliche auf die Gedancken gefallen, als wenn er einige Buͤcher noch von dem
Cicerone gefunden, und ſolche unter ſeinem Nahmen publiciret. Er iſt einer
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[73/0093] quæ homines in omnibus ſtatibus premunt. Wir finden in der Hiſtorie mehr reges Stultos, als Sapientes. Wo kan hernach eine felicitas entſpringen, da eine inſipientia und keine virtus an- getroffen wird. Monſ. Crouſaz hat in ſeinem Tractat von dem, was ſchoͤn iſt, hievon gehandelt. §. 11. Man ſollte meynen, die Lehrer waͤren deßwegen entſtan- den, ut alios ad virtutem & ſapientiam perducerent. Und gewiß ihre Profeſſion iſt ſo beſchaffen, daß ſie nicht ſchoͤner ſeyn kan, aber ſie kom- men ihren Scopo nicht nach. Es iſt in der Welt nichts ſchoͤners, als wenn man kan die Menſchen ad veritatem & virtutem bringen, damit ſie nicht ſecundum inſtinctum naturalem leben, ſondern vernuͤnfftig. Wenn man nun aber die Gelehrten anſiehet, ihrer Perſon nach, ſo ma- chen ſie auf dem Theatro der Welt eine ſchlechte figure: Das macht, ſie haben nur den Nahmen der Lehrer, in der That aber ſind ſie abge- wichen, loco veritatis auf inanem gloriæ cupiditatem. Ja ex ipſa ſcien- tia haben ſie quæſtum, mercaturam gemacht, und da ſie in otio geweſen, ſo hat es nicht anders ſeyn koͤnnen, als daß ſie ihren Affecten indulgi- ret, und auf allotria gefallen. Da ſie die Leute ſollten fuͤhren ad vir- tutem, inſtruunt ad ambitionem, dadurch aber iſt nichts als Lermen und Feindſeligkeit entſtanden, und ſind ſie nicht anders anzuſehen, als irrai- ſonnable Handwercks-Leute, von denen man auch in Spruͤchwort zu ſa- gen pfleget: figulus figulum odit. Dahero kommts, daß man gantze Buͤ- cher de infelicitate litteratorum geſchrieben, als der Alcyonius, homo Italus, * Theophilus Spicelius hat auch Infelicem literatum ediret, worinnen er ge- wieſen, daß die infelicitas aus einem perverſo Scopo kommt. Denn die Gelehrten fallen theils auf allotria, theils auf arcana; ſie ſuchen alles dif- ficil zu machen; Daher hat man ſich heut zu Tage angelegen ſeyn laſſen, die alten Huͤlſen wegzuwerffen, und die wahre erudition hervor zu brin- gen. Man wird ſehen, daß in einem Seculo her alle unſere Weisheit auf einen andern Fuß geſetzet worden. Man hat die impedimenta re- moviret, ut veritas pateat: Denn ſchafft man die impedimenta weg, ſo kan man veritatem bald heraus bringen. Sonſt waren die Gelehrten nur verborum aucupes, quid mirum! daß ſie die Wahrheit verfehlet ha- ben? Wenn man nur bedencket, was vor eine elende moral man ſonſt ge- Von denen in- commodis der uͤbrigen Staͤn- de der Gelehr- ten. * Herr Profeſſor Mencke in Leipzig hat es cum præfat. edirt; es iſt ſehr zu recom- mendiren ob ſtyli elegantiam, denn er hat ſo ſchoͤn Latein geſchrieben, daß etliche auf die Gedancken gefallen, als wenn er einige Buͤcher noch von dem Cicerone gefunden, und ſolche unter ſeinem Nahmen publiciret. Er iſt einer von denen erſten, welcher die litteras humaniores in Italien wieder in Auf- nahme gebracht. K

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/93>, abgerufen am 28.11.2024.