Der Aufseher sitzt auf einem Stuhle, seine jun- gen Gesellschafter stehn um ihn her. Man lost und die dadurch gefundene Person neigt sich mit dem Gesichte nieder auf den Schoss und in die Hände des Sitzenden, so dass ihre Augen da- durch verschlossen sind. Die kleine Blindekuh legt eine von ihren Händen gutwillig auf den Rücken und giebt dadurch jedem Umstehenden das Recht, einen Schlag darauf zu geben. Ge- wöhnlich schlägt man mit der blossen Hand. Im Moment des Niederschlagens die schlagende Hand durchs Gefühl zu beobachten und sich gleich aufzurichten, ist bey der blinden Kuh eins. Oft bemerkt sie dann noch die Bewegung dessen, der ihr den Schlag gab; ist diess nicht der Fall, so geht sie schnell umher und beobachtet die Ge- sichter, um daraus auf den Thäter zu schliessen. -- Man sieht leicht ein, dass dergleichen Ue- bungen für junge Leute nützlich sind; man kann nicht früh genug anfangen, Gesichtsveränderun- gen bemerken zu lernen. -- Endlich giebt sie einen als Thäter an. Trifft sie ihn wirklich, so muss dieser an ihre Stelle, im Gegentheil muss
a) Geſellſchafftsſpiele.
59. Wer wars? oder die warme Hand.
Der Aufſeher ſitzt auf einem Stuhle, ſeine jun- gen Geſellſchafter ſtehn um ihn her. Man loſt und die dadurch gefundene Perſon neigt ſich mit dem Geſichte nieder auf den Schoſs und in die Hände des Sitzenden, ſo daſs ihre Augen da- durch verſchloſſen ſind. Die kleine Blindekuh legt eine von ihren Händen gutwillig auf den Rücken und giebt dadurch jedem Umſtehenden das Recht, einen Schlag darauf zu geben. Ge- wöhnlich ſchlägt man mit der bloſsen Hand. Im Moment des Niederſchlagens die ſchlagende Hand durchs Gefühl zu beobachten und ſich gleich aufzurichten, iſt bey der blinden Kuh eins. Oft bemerkt ſie dann noch die Bewegung deſſen, der ihr den Schlag gab; iſt dieſs nicht der Fall, ſo geht ſie ſchnell umher und beobachtet die Ge- ſichter, um daraus auf den Thäter zu ſchlieſsen. — Man ſieht leicht ein, daſs dergleichen Ue- bungen für junge Leute nützlich ſind; man kann nicht früh genug anfangen, Geſichtsveränderun- gen bemerken zu lernen. — Endlich giebt ſie einen als Thäter an. Trifft ſie ihn wirklich, ſo muſs dieſer an ihre Stelle, im Gegentheil muſs
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0320"n="288"/><divn="3"><head><hirendition="#i">a</hi>) <hirendition="#i"><hirendition="#g">Geſellſchafftsſpiele</hi></hi>.</head><lb/><divn="4"><head>59. Wer wars?<lb/>
oder<lb/><hirendition="#g">die warme Hand</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er Aufſeher ſitzt auf einem Stuhle, ſeine jun-<lb/>
gen Geſellſchafter ſtehn um ihn her. Man loſt<lb/>
und die dadurch gefundene Perſon neigt ſich mit<lb/>
dem Geſichte nieder auf den Schoſs und in die<lb/>
Hände des Sitzenden, ſo daſs ihre Augen da-<lb/>
durch verſchloſſen ſind. Die kleine Blindekuh<lb/>
legt eine von ihren Händen gutwillig auf den<lb/>
Rücken und giebt dadurch jedem Umſtehenden<lb/>
das Recht, einen Schlag darauf zu geben. Ge-<lb/>
wöhnlich ſchlägt man mit der bloſsen Hand.<lb/>
Im Moment des Niederſchlagens die ſchlagende<lb/>
Hand durchs Gefühl zu beobachten und ſich gleich<lb/>
aufzurichten, iſt bey der blinden Kuh eins. Oft<lb/>
bemerkt ſie dann noch die Bewegung deſſen,<lb/>
der ihr den Schlag gab; iſt dieſs nicht der Fall,<lb/>ſo geht ſie ſchnell umher und beobachtet die Ge-<lb/>ſichter, um daraus auf den Thäter zu ſchlieſsen.<lb/>— Man ſieht leicht ein, daſs dergleichen Ue-<lb/>
bungen für junge Leute nützlich ſind; man kann<lb/>
nicht früh genug anfangen, Geſichtsveränderun-<lb/>
gen bemerken zu lernen. — Endlich giebt ſie<lb/>
einen als <hirendition="#i">Thäter</hi> an. Trifft ſie ihn wirklich, ſo<lb/>
muſs <hirendition="#i">dieſer</hi> an ihre Stelle, im Gegentheil muſs<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[288/0320]
a) Geſellſchafftsſpiele.
59. Wer wars?
oder
die warme Hand.
Der Aufſeher ſitzt auf einem Stuhle, ſeine jun-
gen Geſellſchafter ſtehn um ihn her. Man loſt
und die dadurch gefundene Perſon neigt ſich mit
dem Geſichte nieder auf den Schoſs und in die
Hände des Sitzenden, ſo daſs ihre Augen da-
durch verſchloſſen ſind. Die kleine Blindekuh
legt eine von ihren Händen gutwillig auf den
Rücken und giebt dadurch jedem Umſtehenden
das Recht, einen Schlag darauf zu geben. Ge-
wöhnlich ſchlägt man mit der bloſsen Hand.
Im Moment des Niederſchlagens die ſchlagende
Hand durchs Gefühl zu beobachten und ſich gleich
aufzurichten, iſt bey der blinden Kuh eins. Oft
bemerkt ſie dann noch die Bewegung deſſen,
der ihr den Schlag gab; iſt dieſs nicht der Fall,
ſo geht ſie ſchnell umher und beobachtet die Ge-
ſichter, um daraus auf den Thäter zu ſchlieſsen.
— Man ſieht leicht ein, daſs dergleichen Ue-
bungen für junge Leute nützlich ſind; man kann
nicht früh genug anfangen, Geſichtsveränderun-
gen bemerken zu lernen. — Endlich giebt ſie
einen als Thäter an. Trifft ſie ihn wirklich, ſo
muſs dieſer an ihre Stelle, im Gegentheil muſs
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/320>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.