sie vom neuen die Hand herhalten und nach dem Schlage wieder Einen als Thäter angeben. So geht das lustige Spiel fort, bis sie ihn wirklich trifft und dadurch frey wird. Gut beobachten- de Knaben lernen bald aus dem Eindrucke der Hand und der Veränderung im Gesichte mit Ge- wissheit schliessen. Das Spiel hat, ausser dem schon angegebenen, auch für die Umstehenden den Nutzen, feste Farbe halten, ich meine ihre Gesichtszüge beherrschen zu lernen, und der Er- zieher kann hier gewiss mehr nützliche Beobach- tungen über diesen und jenen Charakter sam- meln, als in den meisten ernsthaften Lehrstun- den. Für sehr empfindliche Knaben, die weder Schmerz noch Gelächter ertragen mögen, ist diess Spiel heilsam. Man schlägt dabey auch wohl auf den H --, diess ist einmal nicht wohl schicklich, und überdem verliert das Spiel da- durch von seinem Gehalte; denn bekanntlich sitzt der Sinn des Gefühls nicht dort, sondern in der Hand; wird also diese nicht gebraucht: so fällt die Beurtheilung durchs Gefühl weg. -- Es darf nur ein Schlag auf einmal geschehen, und nach jedem einzelnen Schlage hat die Blindekuh das Recht, den Thäter anzugeben; geschehen aber zufällig zwey Schläge, so kann sie auch zwey Personen als Thäter angeben und sie wird frey, wenn sie auch nur Einen davon trifft. Das-
T
ſie vom neuen die Hand herhalten und nach dem Schlage wieder Einen als Thäter angeben. So geht das luſtige Spiel fort, bis ſie ihn wirklich trifft und dadurch frey wird. Gut beobachten- de Knaben lernen bald aus dem Eindrucke der Hand und der Veränderung im Geſichte mit Ge- wiſsheit ſchlieſsen. Das Spiel hat, auſſer dem ſchon angegebenen, auch für die Umſtehenden den Nutzen, feſte Farbe halten, ich meine ihre Geſichtszüge beherrſchen zu lernen, und der Er- zieher kann hier gewiſs mehr nützliche Beobach- tungen über dieſen und jenen Charakter ſam- meln, als in den meiſten ernſthaften Lehrſtun- den. Für ſehr empfindliche Knaben, die weder Schmerz noch Gelächter ertragen mögen, iſt dieſs Spiel heilſam. Man ſchlägt dabey auch wohl auf den H —, dieſs iſt einmal nicht wohl ſchicklich, und überdem verliert das Spiel da- durch von ſeinem Gehalte; denn bekanntlich ſitzt der Sinn des Gefühls nicht dort, ſondern in der Hand; wird alſo dieſe nicht gebraucht: ſo fällt die Beurtheilung durchs Gefühl weg. — Es darf nur ein Schlag auf einmal geſchehen, und nach jedem einzelnen Schlage hat die Blindekuh das Recht, den Thäter anzugeben; geſchehen aber zufällig zwey Schläge, ſo kann ſie auch zwey Perſonen als Thäter angeben und ſie wird frey, wenn ſie auch nur Einen davon trifft. Daſ-
T
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0321"n="289"/>ſie vom neuen die Hand herhalten und nach dem<lb/>
Schlage wieder Einen als Thäter angeben. So<lb/>
geht das luſtige Spiel fort, bis ſie ihn wirklich<lb/>
trifft und dadurch frey wird. Gut beobachten-<lb/>
de Knaben lernen bald aus dem Eindrucke der<lb/>
Hand und der Veränderung im Geſichte mit Ge-<lb/>
wiſsheit ſchlieſsen. Das Spiel hat, auſſer dem<lb/>ſchon angegebenen, auch für die Umſtehenden<lb/>
den Nutzen, feſte Farbe halten, ich meine ihre<lb/>
Geſichtszüge beherrſchen zu lernen, und der Er-<lb/>
zieher kann hier gewiſs mehr nützliche Beobach-<lb/>
tungen über dieſen und jenen Charakter ſam-<lb/>
meln, als in den meiſten ernſthaften Lehrſtun-<lb/>
den. Für ſehr empfindliche Knaben, die weder<lb/>
Schmerz noch Gelächter ertragen mögen, iſt<lb/>
dieſs Spiel heilſam. Man ſchlägt dabey auch<lb/>
wohl auf den H —, dieſs iſt einmal nicht wohl<lb/>ſchicklich, und überdem verliert das Spiel da-<lb/>
durch von ſeinem Gehalte; denn bekanntlich<lb/>ſitzt der Sinn des Gefühls nicht dort, ſondern in<lb/>
der Hand; wird alſo dieſe nicht gebraucht: ſo<lb/>
fällt die Beurtheilung durchs Gefühl weg. — Es<lb/>
darf nur <hirendition="#i">ein</hi> Schlag auf einmal geſchehen, und<lb/>
nach jedem <hirendition="#i">einzelnen</hi> Schlage hat die Blindekuh<lb/>
das Recht, den Thäter anzugeben; geſchehen<lb/>
aber zufällig zwey Schläge, ſo kann ſie auch<lb/>
zwey Perſonen als Thäter angeben und ſie wird<lb/>
frey, wenn ſie auch nur <hirendition="#i">Einen</hi> davon trifft. Daſ-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[289/0321]
ſie vom neuen die Hand herhalten und nach dem
Schlage wieder Einen als Thäter angeben. So
geht das luſtige Spiel fort, bis ſie ihn wirklich
trifft und dadurch frey wird. Gut beobachten-
de Knaben lernen bald aus dem Eindrucke der
Hand und der Veränderung im Geſichte mit Ge-
wiſsheit ſchlieſsen. Das Spiel hat, auſſer dem
ſchon angegebenen, auch für die Umſtehenden
den Nutzen, feſte Farbe halten, ich meine ihre
Geſichtszüge beherrſchen zu lernen, und der Er-
zieher kann hier gewiſs mehr nützliche Beobach-
tungen über dieſen und jenen Charakter ſam-
meln, als in den meiſten ernſthaften Lehrſtun-
den. Für ſehr empfindliche Knaben, die weder
Schmerz noch Gelächter ertragen mögen, iſt
dieſs Spiel heilſam. Man ſchlägt dabey auch
wohl auf den H —, dieſs iſt einmal nicht wohl
ſchicklich, und überdem verliert das Spiel da-
durch von ſeinem Gehalte; denn bekanntlich
ſitzt der Sinn des Gefühls nicht dort, ſondern in
der Hand; wird alſo dieſe nicht gebraucht: ſo
fällt die Beurtheilung durchs Gefühl weg. — Es
darf nur ein Schlag auf einmal geſchehen, und
nach jedem einzelnen Schlage hat die Blindekuh
das Recht, den Thäter anzugeben; geſchehen
aber zufällig zwey Schläge, ſo kann ſie auch
zwey Perſonen als Thäter angeben und ſie wird
frey, wenn ſie auch nur Einen davon trifft. Daſ-
T
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/321>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.