Ehrliebe, der physischen Liebe, der Habsucht. Nach dem Grade des Affectes, denn jede Steige- rung macht ihn nicht nur bedeutender, sondern mindert auch die Freyheit unserer Thätigkeit; das Spiel würde aber am unschuldigsten seyn, wenn diese ganz frey dabey bliebe und durch gar kei- nen Affect rege erhalten würde. Endlich nach dem Grade der Herrschaft, welche dem Zufalle beym Spiele zugestanden wird; geht diese nur so weit, als es nöthig ist zur mässigen Spannung der Erwartung und der Thätigkeit: so wird das Spiel mehr Werth haben, verschwindet aber die- se völlig daraus, bewegt sie nur höchstens noch die Fingerspitzen zum Umschlagen der Karte, zum Hinrollen der Würfel, überlassen wir uns bloss dem Zufalle, der uns durch unsere eigene Affecten geisselt und das Spiel dadurch pikant wie Brennessel macht: so entstehen die Hasard- spiele, die schlechtesten von allen unmoralischen.
Aber es ist Zeit den Weg trockner Bestim- mung der Begriffe zu verlassen; man hält jetzt nicht viel von Definitionen, es sey denn die der Liebe in einen Roman ausgesponnen. Viel- leicht bin ich im Stande, einen weniger be- schwerlichen Weg zu finden.
Spiele sind wichtige Kleinigkeiten; denn sie sind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bey Jung und Alt Bedürfnisse gewesen, weil Freude und
Ehrliebe, der phyſiſchen Liebe, der Habſucht. Nach dem Grade des Affectes, denn jede Steige- rung macht ihn nicht nur bedeutender, ſondern mindert auch die Freyheit unſerer Thätigkeit; das Spiel würde aber am unſchuldigſten ſeyn, wenn dieſe ganz frey dabey bliebe und durch gar kei- nen Affect rege erhalten würde. Endlich nach dem Grade der Herrſchaft, welche dem Zufalle beym Spiele zugeſtanden wird; geht dieſe nur ſo weit, als es nöthig iſt zur mäſsigen Spannung der Erwartung und der Thätigkeit: ſo wird das Spiel mehr Werth haben, verſchwindet aber die- ſe völlig daraus, bewegt ſie nur höchſtens noch die Fingerſpitzen zum Umſchlagen der Karte, zum Hinrollen der Würfel, überlaſſen wir uns bloſs dem Zufalle, der uns durch unſere eigene Affecten geiſselt und das Spiel dadurch pikant wie Brenneſſel macht: ſo entſtehen die Haſard- ſpiele, die ſchlechteſten von allen unmoraliſchen.
Aber es iſt Zeit den Weg trockner Beſtim- mung der Begriffe zu verlaſſen; man hält jetzt nicht viel von Definitionen, es ſey denn die der Liebe in einen Roman ausgeſponnen. Viel- leicht bin ich im Stande, einen weniger be- ſchwerlichen Weg zu finden.
Spiele ſind wichtige Kleinigkeiten; denn ſie ſind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bey Jung und Alt Bedürfniſſe geweſen, weil Freude und
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Ehrliebe, der phyſiſchen Liebe, der Habſucht.
Nach dem Grade des Affectes, denn jede Steige-
rung macht ihn nicht nur bedeutender, ſondern
mindert auch die Freyheit unſerer Thätigkeit;
das Spiel würde aber am unſchuldigſten ſeyn, wenn
dieſe ganz frey dabey bliebe und durch gar kei-
nen Affect rege erhalten würde. Endlich nach
dem Grade der Herrſchaft, welche dem Zufalle
beym Spiele zugeſtanden wird; geht dieſe nur
ſo weit, als es nöthig iſt zur mäſsigen Spannung
der Erwartung und der Thätigkeit: ſo wird das
Spiel mehr Werth haben, verſchwindet aber die-
ſe völlig daraus, bewegt ſie nur höchſtens noch
die Fingerſpitzen zum Umſchlagen der Karte,
zum Hinrollen der Würfel, überlaſſen wir uns
bloſs dem Zufalle, der uns durch unſere eigene
Affecten geiſselt und das Spiel dadurch pikant
wie Brenneſſel macht: ſo entſtehen die Haſard-
ſpiele, die ſchlechteſten von allen unmoraliſchen.
Aber es iſt Zeit den Weg trockner Beſtim-
mung der Begriffe zu verlaſſen; man hält jetzt
nicht viel von Definitionen, es ſey denn die der
Liebe in einen Roman ausgeſponnen. Viel-
leicht bin ich im Stande, einen weniger be-
ſchwerlichen Weg zu finden.
Spiele ſind wichtige Kleinigkeiten; denn ſie
ſind zu allen Zeiten, unter allen Völkern, bey
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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