Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als
Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem
Zufalle bald mehr bald minder Herrschaft über
das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar-
tung gespannt und die Thätigkeit rege erhalten
wird. Allein der Grund des Vergnügens beym
Spiele liegt doch nicht allein in unsrer Thätig-
keit, sondern auch in der Anschauung der Form
des Spieles, d. i. der verabredeten systemati-
schen Ordnung unserer Thätigkeit; wird diese
gestört, schmiegt sich unsere Action dem Syste-
me des Spiels nur unvollkommen an: so min-
dert sich die Belustigung. Spiele sind also Belu-
stigungen zur Erholung geschöpft aus der Wirk-
samkeit und verabredeten Form unserer Thä-
tigkeit.

Auf Hasardspiele passt sich diese Definition
nicht, sie sind die Kette, an welcher der Zufall
den Spieler nach Belieben an der Nase herum-
führt, indem er ihn mit der Geissel der Affecten
bald streichelt bald züchtiget.

Nach dem obigen lässt sich der moralische
Werth der Spiele an sich selbst im allgemeinen
nun leicht bestimmen. Er richtet sich nach der
Natur des Affects, der zur Spannung unserer Thä-
tigkeit hineingezogen wird. Je unschuldiger
dieser ist, desto unschuldiger ist das Spiel. Sein
Werth ist daher so verschieden als die Natur der

A 2

züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als
Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem
Zufalle bald mehr bald minder Herrſchaft über
das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar-
tung geſpannt und die Thätigkeit rege erhalten
wird. Allein der Grund des Vergnügens beym
Spiele liegt doch nicht allein in unſrer Thätig-
keit, ſondern auch in der Anſchauung der Form
des Spieles, d. i. der verabredeten ſyſtemati-
ſchen Ordnung unſerer Thätigkeit; wird dieſe
geſtört, ſchmiegt ſich unſere Action dem Syſte-
me des Spiels nur unvollkommen an: ſo min-
dert ſich die Beluſtigung. Spiele ſind alſo Belu-
ſtigungen zur Erholung geſchöpft aus der Wirk-
ſamkeit und verabredeten Form unſerer Thä-
tigkeit.

Auf Haſardſpiele paſst ſich dieſe Definition
nicht, ſie ſind die Kette, an welcher der Zufall
den Spieler nach Belieben an der Naſe herum-
führt, indem er ihn mit der Geiſsel der Affecten
bald ſtreichelt bald züchtiget.

Nach dem obigen läſſt ſich der moraliſche
Werth der Spiele an ſich ſelbſt im allgemeinen
nun leicht beſtimmen. Er richtet ſich nach der
Natur des Affects, der zur Spannung unſerer Thä-
tigkeit hineingezogen wird. Je unſchuldiger
dieſer iſt, deſto unſchuldiger iſt das Spiel. Sein
Werth iſt daher ſo verſchieden als die Natur der

A 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="3"/>
züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als<lb/>
Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem<lb/><hi rendition="#i">Zufalle</hi> bald mehr bald minder Herr&#x017F;chaft über<lb/>
das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar-<lb/>
tung ge&#x017F;pannt und die Thätigkeit rege erhalten<lb/>
wird. Allein der Grund des Vergnügens beym<lb/>
Spiele liegt doch nicht allein in un&#x017F;rer Thätig-<lb/>
keit, &#x017F;ondern auch in der An&#x017F;chauung der Form<lb/>
des Spieles, d. i. der verabredeten &#x017F;y&#x017F;temati-<lb/>
&#x017F;chen Ordnung un&#x017F;erer Thätigkeit; wird die&#x017F;e<lb/>
ge&#x017F;tört, &#x017F;chmiegt &#x017F;ich un&#x017F;ere Action dem Sy&#x017F;te-<lb/>
me des Spiels nur unvollkommen an: &#x017F;o min-<lb/>
dert &#x017F;ich die Belu&#x017F;tigung. Spiele &#x017F;ind al&#x017F;o Belu-<lb/>
&#x017F;tigungen zur Erholung ge&#x017F;chöpft aus der Wirk-<lb/>
&#x017F;amkeit und verabredeten Form un&#x017F;erer Thä-<lb/>
tigkeit.</p><lb/>
        <p>Auf Ha&#x017F;ard&#x017F;piele pa&#x017F;st &#x017F;ich die&#x017F;e Definition<lb/>
nicht, &#x017F;ie &#x017F;ind die Kette, an welcher der Zufall<lb/>
den Spieler nach Belieben an der Na&#x017F;e herum-<lb/>
führt, indem er ihn mit der Gei&#x017F;sel der Affecten<lb/>
bald &#x017F;treichelt bald züchtiget.</p><lb/>
        <p>Nach dem obigen lä&#x017F;&#x017F;t &#x017F;ich der morali&#x017F;che<lb/>
Werth der Spiele an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t im allgemeinen<lb/>
nun leicht be&#x017F;timmen. Er richtet &#x017F;ich nach der<lb/><hi rendition="#i">Natur des Affects</hi>, der zur Spannung un&#x017F;erer Thä-<lb/>
tigkeit hineingezogen wird. Je un&#x017F;chuldiger<lb/>
die&#x017F;er i&#x017F;t, de&#x017F;to un&#x017F;chuldiger i&#x017F;t das Spiel. Sein<lb/>
Werth i&#x017F;t daher &#x017F;o ver&#x017F;chieden als die Natur der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0035] züglich Ehrliebe, mit hineingezogen und als Sporn der Thätigkeit gebraucht, drittens dem Zufalle bald mehr bald minder Herrſchaft über das Materiale eingeräumt, wodurch die Erwar- tung geſpannt und die Thätigkeit rege erhalten wird. Allein der Grund des Vergnügens beym Spiele liegt doch nicht allein in unſrer Thätig- keit, ſondern auch in der Anſchauung der Form des Spieles, d. i. der verabredeten ſyſtemati- ſchen Ordnung unſerer Thätigkeit; wird dieſe geſtört, ſchmiegt ſich unſere Action dem Syſte- me des Spiels nur unvollkommen an: ſo min- dert ſich die Beluſtigung. Spiele ſind alſo Belu- ſtigungen zur Erholung geſchöpft aus der Wirk- ſamkeit und verabredeten Form unſerer Thä- tigkeit. Auf Haſardſpiele paſst ſich dieſe Definition nicht, ſie ſind die Kette, an welcher der Zufall den Spieler nach Belieben an der Naſe herum- führt, indem er ihn mit der Geiſsel der Affecten bald ſtreichelt bald züchtiget. Nach dem obigen läſſt ſich der moraliſche Werth der Spiele an ſich ſelbſt im allgemeinen nun leicht beſtimmen. Er richtet ſich nach der Natur des Affects, der zur Spannung unſerer Thä- tigkeit hineingezogen wird. Je unſchuldiger dieſer iſt, deſto unſchuldiger iſt das Spiel. Sein Werth iſt daher ſo verſchieden als die Natur der A 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/35
Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/35>, abgerufen am 23.11.2024.