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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

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90. Die Zeichnungswürfel.

Folgendes noch sehr wenig bekannte Spiel, das
der Phantasie eine schwierige aber sehr edle Be-
schäfftigung darbietet, wird allen Freunden der
Zeichnungskunst, die schon so weit sind, dass sie
sich über blosses kopiren hinauswagen, sehr will-
kommen seyn. Ich entlehne es aus einem Briefe,
den man in den Libationen findet. Man hat 5
Würfel; der erste zeigt auf allen Seiten 1, der
andere 2, der dritte 3, u. s. f. Jeder Zeichner
lässt sie alle fünf zugleich auf eine gemässigte Art
aus der Hand auf das Papier oder auf die Tafel
fallen, die er zum Zeichnen vor sich hat, und
dieser Wurf entscheidet die Lage der Theile von
der zu zeichnenden Figur; denn, dem angenom-
menen Gesetze nach, bestimmt der Würfel 1
die Stelle des Kopfs, 2 der rechten, 3 der lin-
ken Hand, 4 des rechten, 5 des linken Fusses.
Er bezeichnet diese Punkte und giebt die Wür-
fel zu eben dem Gebrauche weiter. Von jetzt
an erhält seine Phantasie freyen Spielraum;
denn es kömmt nun darauf an, eine Menschen-
figur sich in irgend eine Lage, sey es laufend,
liegend, stürzend, kämpfend, arbeitend zu den-
ken, so dass die genannten Theile auf die durch
das ungefähre Auseinanderprellen der Würfel
entstandene Stellen fallen. Selbst dann, wenn

90. Die Zeichnungswürfel.

Folgendes noch ſehr wenig bekannte Spiel, das
der Phantaſie eine ſchwierige aber ſehr edle Be-
ſchäfftigung darbietet, wird allen Freunden der
Zeichnungskunſt, die ſchon ſo weit ſind, daſs ſie
ſich über bloſses kopiren hinauswagen, ſehr will-
kommen ſeyn. Ich entlehne es aus einem Briefe,
den man in den Libationen findet. Man hat 5
Würfel; der erſte zeigt auf allen Seiten 1, der
andere 2, der dritte 3, u. ſ. f. Jeder Zeichner
läſst ſie alle fünf zugleich auf eine gemäſsigte Art
aus der Hand auf das Papier oder auf die Tafel
fallen, die er zum Zeichnen vor ſich hat, und
dieſer Wurf entſcheidet die Lage der Theile von
der zu zeichnenden Figur; denn, dem angenom-
menen Geſetze nach, beſtimmt der Würfel 1
die Stelle des Kopfs, 2 der rechten, 3 der lin-
ken Hand, 4 des rechten, 5 des linken Fuſses.
Er bezeichnet dieſe Punkte und giebt die Wür-
fel zu eben dem Gebrauche weiter. Von jetzt
an erhält ſeine Phantaſie freyen Spielraum;
denn es kömmt nun darauf an, eine Menſchen-
figur ſich in irgend eine Lage, ſey es laufend,
liegend, ſtürzend, kämpfend, arbeitend zu den-
ken, ſo daſs die genannten Theile auf die durch
das ungefähre Auseinanderprellen der Würfel
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[378/0410] 90. Die Zeichnungswürfel. Folgendes noch ſehr wenig bekannte Spiel, das der Phantaſie eine ſchwierige aber ſehr edle Be- ſchäfftigung darbietet, wird allen Freunden der Zeichnungskunſt, die ſchon ſo weit ſind, daſs ſie ſich über bloſses kopiren hinauswagen, ſehr will- kommen ſeyn. Ich entlehne es aus einem Briefe, den man in den Libationen findet. Man hat 5 Würfel; der erſte zeigt auf allen Seiten 1, der andere 2, der dritte 3, u. ſ. f. Jeder Zeichner läſst ſie alle fünf zugleich auf eine gemäſsigte Art aus der Hand auf das Papier oder auf die Tafel fallen, die er zum Zeichnen vor ſich hat, und dieſer Wurf entſcheidet die Lage der Theile von der zu zeichnenden Figur; denn, dem angenom- menen Geſetze nach, beſtimmt der Würfel 1 die Stelle des Kopfs, 2 der rechten, 3 der lin- ken Hand, 4 des rechten, 5 des linken Fuſses. Er bezeichnet dieſe Punkte und giebt die Wür- fel zu eben dem Gebrauche weiter. Von jetzt an erhält ſeine Phantaſie freyen Spielraum; denn es kömmt nun darauf an, eine Menſchen- figur ſich in irgend eine Lage, ſey es laufend, liegend, ſtürzend, kämpfend, arbeitend zu den- ken, ſo daſs die genannten Theile auf die durch das ungefähre Auseinanderprellen der Würfel entſtandene Stellen fallen. Selbſt dann, wenn

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Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/410>, abgerufen am 22.11.2024.